Vom LWB unterstützte Plattform sieht verstärkte Gefährdung von Aktivisten
GENF (LWI) – Eine Gruppe von kolumbianischen Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten hat ihre große Besorgnis zum Ausdruck gebracht angesichts der zunehmenden Gewalt gegen Verantwortliche in den Bereichen Umweltschutz und Zivilgesellschaft, die sich für die Rechte der afrokolumbianischen, indigenen und kleinbäuerlichen Bevölkerung in dem südamerikanischen Land einsetzen.
Der Lutherische Weltbund (LWB) unterstützt die Plataforma Colombiana de Derechos Humanos, Democracia y Desarrollo (Kolumbianische Plattform für Menschenrechte, Demokratie und Entwicklung), die staatliche Maßnahmen zur Beendigung der Übergriffe und zur Sicherung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Menschen in Kolumbien fordert. Est vor kurzem wurde in dem Land ein jahrzehntelanger Bürgerkrieg beendet.
Mitglieder der Plattform erstatteten Bericht bei einer vom LWB im Ökumenischen Zentrum organisierten Nebenveranstaltung im Zusammenhang mit der Überprüfung der Menschenrechtssituation in Kolumbien anlässlich der 62. Tagung des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen (UN), die vom 18. September bis 10. Oktober in Genf stattfand.
Katrine Ringhus, Advocacy-Referentin im LWB-Kolumbienprogramm, erläuterte, dass es im Zusammenhang mit Investitionsprojekten der internationalen Agrar-, Öl- und Bergbauindustrie zunehmenden sozialen Protesten komme. Bei den Demonstrationen wiederum werde durch Polizeikräfte immer mehr Gewalt ausgeübt.
„Die Menschen – insbesondere diejenigen, die sich für die Umwelt einsetzen – werden dafür kriminalisiert, dass sie sich an sozialen Protesten beteiligen“, erklärte Ringhus am 21. September im Rahmen der Präsentation der Gruppe unter dem Titel „Der Zusammenhang zwischen Menschenrechten und Friedensförderung in Kolumbien“.
„Soziale und ökologische Konflikte finden statt und diejenigen, die die Proteste und den Widerstand gegen diese Projekte organisieren, werden angegriffen“, berichtete Ana Maria Rodriguez von der Comisión Colombiana de Juristas (Kommission kolumbianischer Juristinnen und Juristen). Rodriguez gehört der Plattform an, die den zivilgesellschaftlichen Alternativbericht (Schattenbericht) für den UN-Ausschuss erarbeitet hat.
Beiträge von 120 zivilgesellschaftlichen Gruppen
Rodriguez erläuterte, der Schattenbericht verzeichne für das vergangene Jahr in Kolumbien 39 Ermordete, die sich für Landrechte und Umwelt eingesetzt hatten. Dies sei „wirklich besorgniserregend“. In den Bericht, dessen Erstellung zwei Jahre in Anspruch nahm, sind die Beiträge von 120 zivilgesellschaftlichen Gruppen eingeflossen.
Ringhus bezeichnete die Unterstützung des LWB für die Arbeit der Plattform als Beitrag zur Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte nach dem Ende des Bürgerkriegs in Kolumbien und zur Umsetzung des Friedensabkommens vom Oktober 2016, das den seit 1964 andauernden Konflikt beendete.
Soziale Gerechtigkeit, Menschenwürde und Garantien zur Achtung der Menschenrechte sind zentrale Elemente der Arbeit des LWB und anderer im religiösen Bereich beheimateter Organisationen in dem Land, das sich nur mühsam von den fünf Jahrzehnten Kriegszustand erholt. Nach Informationen der UN und lokaler Quellen forderte der Konflikt zwischen bewaffneten Gruppen und staatlichen Kräften mehr als 600.000 Tote, weitere 15.000 Opfer gelten weiterhin als vermisst, über 7,4 Millionen Menschen waren zur Flucht aus ihren Heimatorten gezwungen.
Mindeststandards für einen tragfähigen Frieden
Rodriguez betonte, ein Ende der Gewalt sowie das Niederlegen der Waffen seien zwar das wesentliche Thema für alle, die Plattform sehe dies aber lediglich als den ersten Schritt. „Wenn ein dauerhafter Frieden geschaffen werden soll, muss Kolumbien auf vielfältigen Ebenen einen Strukturwandel vollziehen, dazu gehört auch die Gewährleistung eines Mindestmaßes an wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten.“
Die kolumbianische Juristin führte weiter aus, der Schattenbericht wolle aufzeigen, dass man noch weit davon entfernt sei, Mindeststandards für die Sicherung dieser Rechte zu erreichen. „Wir haben 15 Millionen Menschen, die in Armut leben und sind nach wie vor, nach Haiti, das Land mit dem zweithöchsten Maß an Ungleichheit in Lateinamerika.“
Gabriel Urbano, stellvertretender Direktor der Corporación de Dessarrollo Solidario de Montes de Maria, einer örtlichen Organisation, die sich für den Schutz der Landrechte einsetzt, berichtete, Auseinandersetzungen um Grundbesitz und Landflächen führten seit vielen Jahren zur Vertreibung einer großen Anzahl Menschen und beraubten sie ihrer wirtschaftlichen Rechte.
Unter Verweis auf seinen eigenen Heimatort erläuterte er, zwar gebe es umfangreiche Trinkwasservorkommen und eine ertragreiche Lebensmittelproduktion, 90 Prozent der Bevölkerung hätten jedoch keinen Zugang zu sauberem Wasser und die Palmölindustrie mache dem Anbau von Lebensmitteln den Garaus.
Wichtiges politisches Instrument
Ringhus stellte fest, der in Kolumbien aufgelegte nationale Aktionsplan für den Bereich Wirtschaft und Menschenrechte biete ein „äußerst wichtiges politisches Instrument“, sei aber ohne Einbindung der Zivilgesellschaft entstanden.
Es sei ein Plan, „der den Rechten der Gemeinwesen keinen Vorrang gibt. Er berücksichtigt nicht das Machtgefälle, das bei Verhandlungen zwischen internationalen Konzernen und kleinen Gemeinwesen besteht, wenn der Staat nicht beteiligt ist. Der Schwerpunkt liegt beim Kapazitätsaufbau in der Privatwirtschaft, nicht in erster Linie in den einzelnen Gemeinwesen.“
Beim UN-Ausschuss wie auch in Kolumbien selbst wolle die Gruppe deutlich machen, dass der Diskurs über die Menschenrechte und ihren Schutz den Menschen die Chance eröffne, „den Frieden voranzubringen, den wir wollen und von dem wir träumen“, ergänzte Liliana Vargas, Geschäftsführerin der Plattform.
Das LWB-Kolumbienprogramm arbeitet vor Ort mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche Kolumbiens zusammen.
Ein Beitrag von John Zarocostas (Genf) für die LWI, übersetzt und bearbeitet vom LWB Kommunikationsbüro.