LWB-Mitgliedskirchen fördern „Bewusstsein, Engagement und Rechenschaft“
GENF (LWI) – Gendergerechtigkeit in der ganzen Kirchengemeinschaft des Lutherischen Weltbundes (LWB) auf allen Ebenen zu fördern, das ist das ehrgeizige Ziel, das sich der LWB selbst gesetzt und in seinen strategischen Prioritäten für die kommenden Jahre festgeschrieben hat.
Als wichtigen Schritt auf dem Weg, dieses Ziel auch zu erreichen, haben die LWB-Mitgliedskirchen überall auf der Welt im Rahmen der diesjährigen 16 Aktionstage gegen Gewalt an Frauen eine Reihe verschiedener Aktivitäten organisiert, mit denen sie „Bewusstsein, Engagement und Rechenschaft“ fördern und so dazu beitragen wollen, dass Gewalt an schutzbedürftigen Frauen und Kindern überwunden wird und diese den notwendigen Schutz erfahren.
Schulkinder im Distrikt „Greater Bulawayo“ in Simbabwe nehmen anlässlich der 16 Aktionstage gegen Gewalt an Frauen an einer Demonstration teil. Foto: EVCZ/Elitha Moyo
In Simbabwe, wo mehr als zwei Drittel aller Frauen in ihrem Leben Opfer von Gewalt werden, haben Kirchengemeinden im Distrikt Greater Bulawayo einen auf zwei Jahre ausgelegten Strategieplan entworfen und die erste Maßnahme darin war ein Workshop zum Kapazitätsaufbau für die Pfarrerschaft in der westlichen Diözese des Landes. Zudem hat auch die Evangelisch-Lutherische Kirche in Simbabwe anlässlich der diesjährigen 16 Aktionstage gegen Gewalt an Frauen verschiedene Aktivitäten organisiert, darunter einen Trainingsworkshop zur Schaffung von Bewusstsein mit Führungspersonen auf Gemeindeebene, eine Demonstration mit verschiedenen Reden, Theatervorführungen, Sport- und Musikbeiträgen, Gedichtlesungen und einer Modenschau, bei der junge Männer und Frauen Plakate hochhielten, auf denen es um die Gleichstellung der Geschlechter und das gemeinsame Engagement für ein Ende von geschlechtsspezifischer Gewalt ging.
Mitglieder der Evangelisch-Lutherischen Kirche Papua-Neuguineas nehmen an einer Veranstaltung zur Eröffnung der Kampagne 20 Aktionstage gegen Gewalt an Frauen teil. Foto: ELKPN/Asenath Tubian
In der Evangelisch-Lutherischen Kirche Papua-Neuguineas legen die Männer und Frauen den Schwerpunkt ihrer 20 Aktionstage auf das Engagement gegen Gewalt innerhalb von Familien. Bei einer Friedensdemonstration zum Start der Kampagne haben die Teilnehmenden mit orangefarbener Kleidung auf das von den Vereinten Nationen festgelegte zentrale Thema in diesem Jahr – das Schweigen brechen und den Stimmen von Frauen Gehör verschaffen – aufmerksam gemacht. Im Kontext der zunehmenden Berichte über die Misshandlung und Missbrauch von Frauen und Mädchen im öffentlichen Raum, wie zum Beispiel auf Märkten und an Bushaltestellen, bemüht sich die Kirche, Kindern und Eltern etwas über Respekt, Gleichberechtigung und rechte Beziehungen beizubringen.
In Lateinamerika haben Kirchen spezielle Gottesdienstordnungen für regelmäßig stattfindende Gedenk- und Jahrestage wie den Internationalen Tag für die Beseitigung der Gewalt an Frauen am 25. November oder den Internationalen Tag der Frau am 8. März erarbeitet. Angesichts der Entwicklungen, dass Regierungen die Fortschritte in Bezug auf Frauenrechte immer weiter zurückdrehen, heben die Kirchen zunehmend Luthers Grundüberzeugung hervor, dass die Kirche eine Gemeinschaft von Gleichberechtigten ist, um den Narrativen der Subordination und des Misstrauens entgegenzuwirken.
Ganzjähriges Engagement
In Indien, wo Engagement für Gendergerechtigkeit oft als eine Art Neokolonialismus abgelehnt wird, weisen weibliche Führungspersonen darauf hin, dass das Engagement gegen Gewalt und Diskriminierung nicht auf die Zeit der Aktionstage im November und Dezember beschränkt sein kann, sondern die Menschen sich das ganze Jahr über engagieren müssen. Ranjita Borgoari, LWB-Ratsmitglied und Frauenreferentin der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Indien (VELKI), berichtet, wie schwierig es in ihrem Land ursprünglich war, überhaupt über das Grundsatzpapier des LWB zu Gendergerechtigkeit zu sprechen.
Am Anfang, erzählt sie, hätten einige Kirchenleitenden gesagt: „Das sind Grundsätze von und für andere – mit unserer Kirche hat das nichts zu tun!“ Aber – „Gott sei Dank dafür!“ –, erzählt sie weiter, wurde durch das geduldige Engagement prophetischer Frauen und Männer „ein Dialog angestoßen und die VELKI und eine der zwölf LWB-Mitgliedskirchen im Land (die Lutherische Kirche Christi) haben inzwischen ihre eigenen Grundsätze für Gendergerechtigkeit verabschiedet.“
„Kirchen können durch theologische Bildungsarbeit unter ihren Mitglieder, durch Fürsprachearbeit und die Unterstützung von Frauen in Entscheidungsfunktionen und Führungspositionen, einschließlich dem ordinierten Amt, dazu beitragen, die Gesellschaft und Kultur zu hinterfragen und zu verändern. So sorgen sie für eine Auseinandersetzung mit dem Thema sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt und dessen Überwindung“, so Pfarrerin Judith VanOsdol, LWB-Programmreferentin für Gendergerechtigkeit und Frauenförderung.
Einzelne Fälle von Vergewaltigung, Belästigung oder Missbrauch seien „nur die Spitze des Eisbergs“, erläutert sie. Zum einen liege das daran, dass geschlechtsspezifische Gewalt einfach viel zu wenig zur Anzeige gebracht werde, so VanOsdol, zum zweiten daran, dass die Täter straffrei ausgehen, an der Komplizenschaft der Behörden und dem generellen Schweigen rund um dieses Thema und drittens an der zugrundeliegenden patriarchal geprägten Kultur, die sich selbst mithilfe struktureller und institutioneller Gewalt gegen Frauen erhält.
Männer und Frauen zurüsten, dass sie ihre Stimme erheben
Der LWB hat bereits seit seiner zweiten Vollversammlung 1952 in Deutschland eine Stabstelle, die sich ganz dezidiert dem Thema Frauen in Kirche und Gesellschaft widmet. In den vergangenen zehn Jahren wurden regionale Netzwerke aufgebaut. Mit einer 40 Prozent-Quote, durch die Führungspositionen auf allen Ebenen der Kirche mit Frauen besetzt sein sollen, fördert der LWB die Gleichstellung der Geschlechter.
2013 hat der LWB-Rat ein „Grundsatzpapier: Gendergerechtigkeit im LWB“ verabschiedet, das bis heute in mehr als 20 Sprachen übersetzt worden ist. Viele Kirchen nutzen dieses Grundsatzpapier, um Antworten auf die Probleme und Herausforderungen zu formulieren, die sich in ihren jeweiligen Regionen konkret stellen, und um damit Frauen und Männer zuzurüsten, weiterhin für die Überwindung der immer noch bestehenden Ungerechtigkeit und der anhaltenden geschlechtsspezifischen Gewalt einzutreten.