Kambodscha: Die Botschaft der Hoffnung weitergeben

Bischöfin Sreyliak Tuch spricht darüber, wie sie anderen Hoffnung bringt und mit den Herausforderungen von Glauben, Kultur und Widerständen in der lokalen Gemeinschaft umgeht. 

08 Nov. 2024
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Bischöfin Sreyliak Tuch. Foto: LWB/JC Valeriano

Bischöfin Sreyliak Tuch. Foto: LWB/JC Valeriano

Bischöfin Sreyleak Tuch über Glauben, Dienst am Nächsten und das Beschreiten neuer Wege 

(LWI) – In Kambodscha bedeutet Christsein ein Leben als religiöse Minderheit: 95 % der Bevölkerung sind buddhistisch und nur 2 % christlich. Die Lutherische Kirche in Kambodscha hat weniger als 1.000 Mitglieder, sie stecke aber voller jugendlicher Energie und Engagement, sagt Sreyliak Tuch, der vor knapp einem Jahr zur Bischöfin gewählt wurde. 

Wi e sind Sie Pfarrerin geworden? Sind Sie in einer christlichen Familie aufgewachsen? 

Nein, meine Familie war nicht christlich. Ich war die erste in meiner Familie, die mit 18 Jahren Christin wurde. Ich hörte das Evangelium und spürte, wie viel es mir bedeutete. Als Kind aus einer armen Familie war es für mich nicht einfach, mich spirituell geborgen zu fühlen. Ich machte mir ständig Sorgen, dass ich niemals genug tun könnte, um im Jenseits Frieden zu finden. Das machte mir große Angst. 

Als ich hörte, dass Jesus am Kreuz gestorben ist, um uns zu retten, fing ich an, in der Bibel zu lesen und fasste Hoffnung. Ich wollte Christin werden, wusste aber nicht, wie. Also halfen mir die Menschen in der Kirche.

Von meinem Pastor habe ich gelernt, die Frohe Botschaft weiterzugeben. Eines Tages hat er mich gebeten, mit einem älteren Mann darüber zu sprechen. Als der Mann mir jedoch eine Frage stellte, konnte ich sie nicht beantworten. Da war ich sehr enttäuscht. Ich wollte ihm so gerne Hoffnung geben, wie ich sie selbst gefunden hatte. Deshalb habe ich beschlossen, die Bibel zu studieren und selbst Pastorin zu werden, um das Wort Gottes richtig und verständlich auszulegen. 

Zwei Jahre später habe ich erfahren, dass ich für mein Theologiestudium finanzielle Unterstützung bekommen konnte. Im Jahr 2012 verließ ich mein Dorf in der Provinz Kampong Cham und zog in die Hauptstadt Phnom Penh, um dort ein vierjähriges Studium zu beginnen. 2019 wurde ich ordiniert. Bald darauf wurde ich gebeten, Verantwortung für die ganze Kirche zu übernehmen, als der frühere Pastor zurücktrat. Nach meiner Ordination war ich interimsweise Vorsitzende und wurde im vergangenen November dann zur Bischöfin gewählt und eingeführt. Ich bin also seit fast einem Jahr in diesem Amt. 

Ich bin sehr dankbar für alles, was Gott in meinem Leben getan hat. Es ist nicht immer einfach, aber ich kann die Freude in den Gesichtern der Menschen sehen, weil sie, wie ich vor vielen Jahren auch, durch Gott Hoffnung gefunden haben. 

Wie würden Sie sich in Ihrer Kirche beschreiben? 

Wir sind eine kleine Kirche, und es fehlt uns an vielen Dingen. Wir brauchen Verbesserungen in der theologischen Ausbildung und der Kompetenzentwicklung. Aber unsere Stärke ist, dass wir jung sind – viele unserer Pfarrpersonen, Leitungsverantwortliche und Mitarbeitenden sind jung, und viele engagieren sich ehrenamtlich. Mit unserer Arbeit verkünden wir das Evangelium. Wir dienen anderen durch diakonische Arbeit und vermitteln den Menschen praktische Lebenskompetenzen. Wir vergessen nie, warum wir Christinnen oder Christen sind, und fürchten uns auch nicht davor, abgewiesen oder verfolgt zu werden. Wir bringen Menschen in die Kirche, damit sie durch unser Wirken Gott loben können. 

Ist Christin oder Christ sein eine Herausforderung in Kambodscha? 

Ja, das ist es, auch wenn wir theoretisch Religionsfreiheit haben. Wenn sich jemand zum Taoismus oder Islam bekehrt, wird er in der Gesellschaft immer noch akzeptiert. Wer jedoch zum Christentum konvertiert, wird oft mitsamt seiner Familie verstoßen. Das Umfeld wendet sich ab, und wenn man sich einer Gruppe nähert, kann es sein, dass die Leute einfach weggehen.

Wir glauben, dass das spirituell bedingt ist – ein Kampf zwischen guten und bösen Geistern. Wir sehen es nicht so, dass die Menschen uns ablehnen, sondern dass ein böser Geist am Werk ist. Darum wehren wir uns auch nicht, weil wir wissen, dass es um einen spirituellen Konflikt geht. 

Hatte Ihre Familie Schwierigkeiten mit Ihrer Bekehrung? 

Anfangs waren sie nicht glücklich. Sie haben mich zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht normal behandelt. Auch mein Freundeskreis hat sich von mir distanziert. 

Jetzt sind Sie die Leiterin der Kirche. Welche Schwerpunkte haben Sie als Bischöfin? 

Es gibt vieles, wofür ich mich einsetzen möchte. Vor allem möchte ich weiterhin meine Hoffnung auf Gott weitergeben und für die Menschen da sein. Außerdem möchte ich mehr Frauen in den Dienst bringen, mehr Schulungsangebote machen und mehr Verständnis dafür schaffen, was es bedeutet, Teil der weltweiten lutherischen Gemeinschaft zu sein. 

Ist es schwierig, eine Frau in diesem Amt zu sein? 

Es ist nicht einfach. Selbst innerhalb unserer Kirche sind es die Menschen nicht gewohnt, eine Frau in dieser Rolle zu sehen, auch wenn sie es nicht unbedingt offen ablehnen. Genau genommen sind zwei von fünf Pastoren Frauen.

Außerhalb der Kirche ist es jedoch sehr schwierig. Die Menschen werden Ihnen nicht direkt sagen, dass sie es nicht mögen, aber vielleicht ignorieren sie Ihre Einladungen oder Vorschläge. Es ist so eine Art stiller Widerstand. Das macht es schwierig und oft einsam. 

Wo finden Sie Unterstützung? 

Wir haben Netzwerke und Gruppen, auch im Ausland, wie z. B. die Evangelisch-Lutherische Kirche in Amerika und andere Kirchen in Asien. Zu wissen, dass andere für mich beten, gibt mir sehr viel Mut. 

Und schließlich: Was bedeutet Ihnen und Ihrer Kirche die Einbindung in die weltweite lutherische Kirchengemeinschaft? 

Wir befinden uns in einem zweijährigen Aufnahmeverfahren als Vollmitglied. Ich bete dafür und bin davon überzeugt, dass es ein positiver Schritt ist. Seit wir vor einem Jahr unseren Antrag eingereicht haben, haben wir viel Unterstützung und Informationen erhalten. Das hat uns Mut gemacht und Kraft gegeben. 

LWB/C. Kästner-Meyer