Interview mit Dr. Joseph Bvumbwe, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Malawi
LILONGWE, Malawi/GENF (LWI) – Die Kreativität der jungen Menschen in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Malawi (ELKM), das Engagement von Frauen und der Glaube ihrer Mitglieder seien die Gründe für das starke Wachstum der Kirche in den letzten 39 Jahren, so Bischof Dr. Joseph Bvumbwe, Oberhaupt der ELKM und Präsident der Lutherischen Gemeinschaft im Südlichen Afrika (LUCSA).
In einem Interview mit der Lutherischen Welt-Information erzählt Bischof Bvumbwe, wie es seiner Kirche in einem von Armut und Leid geprägten Kontext gelingt, zu wachsen und zu gedeihen.
Was sollte die LWB-Gemeinschaft über die Evangelisch-Lutherische Kirche in Malawi wissen und verstehen?
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Malawi ist eine der jüngeren Kirchen im südlichen Afrika und sie wächst sehr schnell. In zwei Jahren, 2022, werden wir unser 40-jähriges Bestehen feiern – und in diesen nicht einmal 40 Jahren ist unsere Kirche auf über 150.000 Mitglieder angewachsen, wir haben 300 Gemeinden im ganzen Land und derzeit 72 ordinierte Pfarrer. Jeder dieser Pfarrer betreut einen Bezirk, der wiederum zwischen drei und sieben Gemeinden umfasst.
Was ist das Geheimnis hinter diesem beeindruckenden Wachstum?
Zum einen ist es das starke Engagement von Laiinnen und Laien – auch in der Leitung. Wir sind fest überzeugt vom Priestertum aller Gläubigen. Alle getauften Christinnen und Christen leben ihr Priestertum praktisch, indem sie Zeugnis ablegen, predigen, lehren – und da sind insbesondere die Frauen und junge Menschen in unserer Kirche ganz vorne dabei. Sie sind sehr engagiert und energiegeladen, und sie sind der wichtigste Grund für das großartige Wachstum in den letzten 39 Jahren. Unsere Kirche ist bis in den letzten Winkel Malawis gewachsen. Wir haben im ganzen Land feste Kirchengebäude und auch wenn eigentlich immer noch mehr gebraucht werden könnten, sind wir überzeugt, alles getan zu haben, was eine wachsende Kirche tun kann.
Zudem ist unsere Kirche sehr jung! Bei uns in der Region gelten alle Menschen unter 39 als junge Menschen und damit sind die jungen Menschen „die Hände unserer Kirche“. Wir nennen sie so, weil sie dafür sorgen, dass unsere Kirche funktioniert. Wenn man bei uns in der Kirche nach besonderen Gaben sucht, wird man sie bei den jungen Menschen finden – Musik, Gedichte, kreatives Zeugnis für Christus. Aus aktuellem Anlass haben sie ein Lied über die Vermeidung des Coronavirus geschrieben, der in Malawi zwar noch nicht angekommen ist, aber es wurde trotzdem schon ein Lied komponiert, falls er zu uns kommt. Die jungen Menschen rütteln uns wach!
Und an der Seite der jungen Menschen stehen die Frauen, die Mütter. Sie bezeichnen wir als „die Füße der Kirche“. Denn sie sind diejenigen, die uns in Bewegung halten! Die jungen Menschen bringen uns dazu, zu arbeiten, die Frauen halten uns in Bewegung!
Wenn Sie einmal nach Malawi kommen, werden Sie sehen, dass die Frauen tatsächlich weite Strecken laufen, um zum Beispiel eine Familie zu besuchen, die ein Baby bekommen hat, – um sie zu unterstützen und ihnen Mut zu machen.
Es gibt für jeden Pfarrbezirk einen Pfarrer. Werden mehr ordinierte Pfarrerinnen und Pfarrer gebraucht?
Ja! Unsere Pfarrerinnen und Pfarrer werden derzeit an der Tumaini University Makumira in Tansania ausgebildet. Wir dachten nicht, dass es notwendig sein würde, eine eigene Ausbildungsstätte bei uns zu schaffen, dafür haben wir in Lilongwe aber ein lutherisches Bibelinstitut, wo wir eine sechsmonatige Ausbildung für Laiinnen und Laien anbieten, um diese für einen ehrenamtlichen Predigerdienst auszubilden. Denn überall wo sie sind, legen sie ja Zeugnis ab für Christus und tragen zum Wachstum der Kirche bei.
Ich freue mich sehr, dass aktuell bei uns zum ersten Mal in unserer Geschichte eine Frau ein Praktikum macht und nächstes Jahr ihr Theologie-Studium fortsetzen wird. Wir hoffen, dass wir sie 2021 als erste Frau in das Pfarramt ordinieren können, und beten alle für sie.
Welche Unterstützung erhält sie von der Kirche und was tut die Kirche, um Frauen einen Platz zu geben?
Die ELKM unterstützt sie vor Ort vor allem logistisch, und wir sind der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELKA) sehr dankbar, weil sie dieser Frau ein Stipendium gewährt, damit sie in Tansania Theologie studieren kann. Aktuell predigt sie jeden Sonntag und besucht dafür verschiedene Ortsgemeinden, um dort das Evangelium zu lehren.
Es gibt aber auch unter den nicht-ordinierten Führungspersonen unserer Kirche viele Frauen – zum Beispiel ist die Generalsekretärin der ELKM eine Frau, die zudem auch Direktorin der Abteilung für Diakonie ist. Wir haben durch diese Frauen große Fortschritte in unserer Kirche gemacht.
Die ELKM gibt Christinnen und Christen anscheinend viele Möglichkeiten, ihren Glauben ganz praktisch zu leben. Ist das ein wichtiger Faktor für das Wachstum?
Auf jeden Fall! Wir wissen, dass kirchliches Leben heute ganz konkret gelebt werden muss. Wir können die Kirche nicht isoliert vom sonstigen Alltag der Menschen betrachten. In unserem Teil der Welt, im Subsahara-Afrika, stehen wir vor großen Herausforderungen – Herausforderungen, die auch den Glauben der Menschen in Frage stellen. Das Evangelium muss lebendig sein, Theologie muss praktisch sein, wir müssen nachvollziehbare und sinnvolle Antworten auf die Fragen des Lebens geben, die die Menschen stellen. Und wenn eine Kirche das tut, haben die Menschen vielleicht immer noch nicht alles, was sie gerne hätten, aber sie haben wenigstens Hoffnung. Sie haben Hoffnung, dass Gott sie liebt und für sie sorgen wird.
Spiegeln die 150.000 Mitglieder der ELKM die wirtschaftlichen und demografischen Gegebenheiten des Landes wider?
Ja, das würde ich sagen. In Malawi leben mehr als 50 Prozent der Menschen in Armut – sie verdienen also weniger als einen Dollar am Tag. Die meisten von ihnen leben in den ländlichen Gebieten. Und die Kirche spiegelt das natürlich wider. Das bedeutet, dass wir Zeugnis ablegen für Menschen, die sehr, sehr wenig Geld haben und einfach nur versuchen, irgendwie über die Runden zu kommen. Es ist das Wort Gottes, das sie anspricht, das ihnen Antworten gibt; und die Pfarrerinnen und Pfarrer sind die Überbringer dieser Botschaft. Die meisten unserer Mitglieder sind kleinbäuerliche Familien, die Nahrungsmittel nur zur Selbstversorgung anbauen, und keine kommerziell arbeitenden Betriebe sind. Aber sie sind trotzdem Mitglieder in unserer Kirche, um ihren Nächsten in Not zu helfen, und sie sind ein Geschenk für unsere Kirche.
2016 hat die ELKM in Zusammenarbeit mit LUCSA das LWB-Projekt „Confronting Poverty and Economic Injustice in Africa“ [Kampf gegen Armut und wirtschaftliche Ungerechtigkeit in Afrika] übernommen. Es stellt sauberes Trinkwasser bereit, verbessert die Lebensqualität der Menschen und setzt sich für die Gleichstellung der Geschlechter und für den Schutz von Kindern ein. Eines der konkreten Ergebnisse dieses Projektes war, dass 89 minderjährige Mütter ihre Ausbildung abschließen konnten. Partner der ELKM bei der Umsetzung des Projektes sind die ELKA und die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers.
Warum ist es für Ihre Kirche so wichtig, Teil der LWB-Gemeinschaft zu sein?
Der verstorbene tansanische Bischof Josiah Kibira, der von 1977 bis 1984 auch LWB-Präsident war, hat einmal gesagt: „Es gibt keine Kirche in der Welt, die reich und groß genug wäre, dass sie nicht auch die Gaben anderer bräuchte, und genauso wenig gibt eine Kirche, die so klein und arm wäre, dass sie nicht auch andere bereichern könnte.“
Die ELKM ist überzeugt, dass sie stark genug ist, etwas geben zu können, dass wir aber auch so bedürftig sind, dass wir von anderen, die stärker sind als wir, etwas annehmen können. Wir sind stolz darauf, Teil der Gemeinschaft von Gläubigen zu sein, denn unser Glauben verbindet uns.
Stimmen aus der Kirchengemeinschaft:
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine weltweite Gemeinschaft, deren Mitglieder sich gemeinsam für das Werk und die Liebe Christi in der Welt einsetzen. In dieser Reihe präsentieren wir Kirchenleitende und Mitarbeitende, die über aktuelle Themen sprechen und Ideen entwickeln, wie Frieden und Gerechtigkeit in der Welt geschaffen werden und die Kirchen und die Gemeinschaft in ihrem Glauben und ihrem Engagement wachsen können.
- Weitere "Stimmen aus der Kirchengemeinschaft"