Es war ein langer Weg von den koreanischen buddhistischen Wurzeln über das Leben in einem anglikanischen College bis hin zu Wahl als Vizepräsidentin der Lutherischen Kirche: 20 Jahre ist es her, dass Pfarrerin Heeme Yang „an die Tür des Seminars geklopft hat“.
Interview mit Pfarrerin Heeme Yang, Vizepräsidentin, Japanische Lutherische Kirche
(LWI) – Die Japanische Lutherische Kirche (JLK) ist seit 1999 eine assoziierte Mitgliedskirche des Lutherischen Weltbundes (LWB). Im Jahre 2021 hat die JLK beschlossen, auch Frauen zu Pfarrerinnen zu ordinieren.
Heeme Yang, die erste von zwei ordinierten Pfarrerinnen dieser Kirche, berichtet über ihren Werdegang, der sie von ihrem ersten Beruf, dem Modedesign, zum Studium der Theologie geführt hat, und beschreibt, was es bedeutet, Kirche zu sein in einer alternden Gesellschaft, und welche ökumenischen Möglichkeiten es in einem Umfeld gibt, in dem das Christentum eine Minderheit ist.
Bitte erzählen Sie uns etwas über sich.
Ich bin in einer buddhistischen Familie in Südkorea aufgewachsen. Nach der Oberschule bin ich 1989 nach Japan gegangen. Dort wollte ich meinen Traum verwirklichen, Modedesignerin zu werden. Bevor ich von zu Hause weggegangen bin, wurde ich in einer evangelischen Kirchen in Korea getauft.
Wo haben Sie Theologie studiert, und was hat Sie dazu inspiriert?
In Japan habe ich mich an einer Hochschule für Modedesign eingeschrieben. Im Frühjahr 1990 wurde mir während des morgendlichen Sonntagsgottesdienstes in der Kirche plötzlich bewusst, dass ich immer größere Probleme damit hatte, einen Sinn darin zu finden, Kleidung zu designen, um damit buchstäblich die Nacktheit der Menschen zu bedecken. Ich erkannte, dass ich trotz der Begeisterung für meinen Beruf selbst innerlich nackt war. Würde ich meinen lange gehegten Traum aufgeben und Theologie studieren?
Ich nahm eine einjährige Gebets-Auszeit und verbrachte diese Zeit der Besinnung am Fachbereich für christliche Studien der Rikkyō-Universität, auch St. Paul’s Universität genannt, die zur anglikanischen Kirche gehört. Ich verspürte immer deutlicher den Wunsch, mit den Menschen in Japan zusammenzuleben und Gottes Wort zu verkünden. 1992 ging ich an das Japan Lutheran College, eine kirchliche Universität, an der ich vier Jahre lang Theologie studiert habe. Das war meine erste Begegnung mit Menschen lutherischen Glaubens, und bald wurde ich ein Mitglied der JLK, allgemein bekannt unter ihrem Namen Nihon Ruteru Kyodan (NRK).
Können Sie ihren Weg bis zur Ordination beschreiben?
Nachdem ich meinen Universitätsabschluss gemacht hatte, versuchte ich, mich am Japan Lutheran Seminary anzumelden, aber die JLK teilte mir mit, dass Frauen keine Pastorinnen werden könnten und dass ich deshalb nicht an dem Seminar teilnehmen könne. Im Jahre 2002 hat die Vollversammlung jedoch in der Kirche die Position der Diakonin genehmigt, und so konnte ich mich im April 2003 zu dem Seminar anmelden. Während meines praktischen Einsatzes war ich als Seelsorgerin mit besonderer Zuständigkeit in der Lutherischen Kirche Fukagawa Megumi in Hokkaido tätig. In dieser Zeit habe ich auch geheiratet und wurde Mutter. Nachdem ich das Seminar erfolgreich absolviert hatte, wurde ich der Lutherischen Omiya Zion-Kirche zugeteilt, wo ich 14 Jahre lang als Diakonin gearbeitet habe. In dieser Position habe ich die gleichen Aufgaben übernommen wie ein Pfarrer, das heißt, ich habe die Sakramente verwaltet, Taufen durchgeführt und Lehrtätigkeiten in einer Kirche ausgeführt, in der es keinen offiziellen Pfarrer gab.
Im April 2021 hat die 18. JLK-Vollversammlung die Ordination von Frauen zu Pfarrerinnen genehmigt, und auf der gleichen Veranstaltung wurde ich zur Vizepräsidentin der Kirche gewählt. 20 Jahre ist es jetzt her, dass ich zum ersten Mal versucht habe, mich zu dem Seminar anzumelden. Es war zwar ein langer Weg, aber unterwegs haben wir viele Menschen getroffen, die unseren Glauben teilen, und durch unsere Kämpfe und Gebete Seite an Seite haben wir unseren gemeinsamen Glauben vertieft.
Was bedeutet es für Sie, Pfarrerin und Vizepräsidentin zu sein?
Ich wurde im Juli 2021 durch den damaligen JLK-Präsidenten, Pfr. Shin Shimizu, zur Pfarrerin ordiniert. Zurzeit bin ich Pfarrerin der Lutherischen Kugenuma Megumi-Kirche in der Präfektur Kanagawa. Als Pfarrerin habe ich die gleichen Aufgaben wie zuvor als Diakonin, meine Arbeit hat sich also nicht verändert. Es freut mich aber besonders, dass ich der Öffentlichkeit in überzeugender Weise zeigen kann, dass Frauen und Männer gleichwertige Arbeit leisten. Die JLK hat zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwei Pfarrerinnen.
Seit ich zur Vizepräsidentin gewählt worden bin, habe ich auch die Situation in anderen Kirchen kennengelernt. Die JLK ist eine kleine Kirche, sehr selbstbezogen und verschlossen. Die eigentliche Herausforderung ist aber, wie wir die Freude und den Trost des Evangeliums umfassend verkünden können und dabei insgesamt vermitteln, was Kirche sein wirklich bedeutet.
Können Sie einige der Herausforderungen und Chance benennen, die für eine lutherische Kirche in diesem Land existieren?
Das japanische Volk praktiziert seine Spiritualität und seine religiösen Zeremonien im Wesentlichen in den Traditionen des Shintoismus und des Buddhismus. Weniger als zwei Prozent der Bevölkerung sind christlichen Glaubens. Japan hat eine alternde Bevölkerung, und das gilt auch für die Kirche. Junge Menschen gehen nicht mehr in die Kirche, für sie scheint das ein unattraktiver Ort zu sein. Es gibt kaum Gläubige, die Pfarrer oder Pfarrerin werden wollen, und die Anzahl der Kirchen, in denen das Pfarramt nicht besetzt ist, nimmt zu. Bei 1.800 Mitgliedern hat unsere Kirche 20 Pfarrer und Pfarrerinnen und 33 Gemeinden. Wie können wir junge Menschen für die Kirche gewinnen? Wir müssen zum eigentlichen Kern des Evangeliums zurückkehren, um wieder zu erleben, wie aktuell die Frohe Botschaft ist.
Wie lässt sich das in einem Kontext realisieren, in dem Menschen christlichen Glaubens eine Minderheit sind?
Die Kirchen der meisten japanischen Konfessionen werden immer älter und kleiner, und alle stehen vor den gleichen Problemen. Anstatt also innerhalb der eigenen kleinen Gemeinden zu arbeiten, die manchmal weit auseinander liegen, ist es sinnvoller, sich mit anderen Glaubensgemeinschaften in der Nachbarschaft zusammenzuschließen, Gutes gemeinsam zu tun, Herausforderungen gemeinschaftlich zu bewältigen und zu erkunden, was wir gemeinsam bewirken können, wobei wir Kulturen und Traditionen der anderen Konfessionen respektieren.
In meiner Gemeinde Kugenuma beginnen wir gerade, diese Idee in die Praxis umzusetzen. Etwa dreimal im Jahr veranstalten wir Gottesdienste, zu denen wir Mitglieder anderer Konfessionen einladen. Am 9. Dezember 2023 haben wir zu einem ökumenischen Weihnachtsgottesdienst in der katholischen Kirche in Fujisawa eingeladen. Am 20. Januar 2024 haben sich Mitglieder unterschiedlicher Konfessionen in der Baptistenkirche in Fujisawa versammelt, um dort die Gebetswoche für die Einheit der Christen zu feiern. Darüber hinaus wird jedes Jahr im August ein Friedensgottesdienst in einer der 20 Kirchen in der Stadt gehalten.
Im November des vergangenen Jahres haben Sie an der jährlichen Klausurtagung der neu gewählten Kirchenleitenden (RoNEL) der LWB-Mitgliedskirchen teilgenommen. Was bleibt ihnen in besonderer Erinnerung?
Ich habe Pfarrerinnen und Pfarrer, Bischöfe und Bischöfinnen, Präsidentinnen und Präsidenten und Brüder und Schwestern getroffen, die ich vorher noch nicht gekannt hatte, und ich konnte mein anderes Ich in ihnen erkennen. So wie ich haben sie Zeiten des Leids, der Enttäuschung und der Hoffnungslosigkeit erlebt, und es gab Momente, in denen sie gesagt haben: „Ich glaube, ich schaffe das nicht mehr.“ Das war sicherlich eine Zeit, in der wir erfahren haben, was es bedeutet, in einer Gemeinschaft zu leben. Ich habe erkannt, dass ich nicht allein war und dass es so wunderbare Menschen auf der Welt gibt, und dass wir alle Arbeiter und Arbeiterinnen sind, die den dreieinigen Gott offenbaren.
Was bedeutet es für die JLK, der LWB-Gemeinschaft anzugehören?
Die JLK wurde von einer konservativen lutherischen Missionsgesellschaft gegründet und 1999 als assoziierte Mitgliedskirche in den LWB aufgenommen. Vor ein paar Jahren hat die Gründungs-Missionsgesellschaft entschieden, den Kontakt mit uns einzustellen, da wir 2021 beschlossen haben, auch Frauen zu Pfarrerinnen zu ordinieren. Das ist traurig, aber ich glaube, dass dies eine Chance für einen Neubeginn ist.
Es ist schwierig für uns, hinaus in die Welt zu gehen und Menschen aufzusuchen, die Hilfe brauchen. Aber als Mitglied der lutherischen Kirchengemeinschaft ist es wunderbar zu erleben, wie der LWB und sein Personal für diese Menschen arbeitet.