Finanzielle Unabhängigkeit für Frauen im Nahen Osten

19. Mär. 2024

Eine Veranstaltung im Rahmen der CSW68 widmete sich der Frage, wie Ausbildung, finanzielle Unterstützung und Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen einen „Dominoeffekt“ auslösen und patriarchale Strukturen in der gesamten Nahostregion in Frage stellen. 

Ein palästinensische Auszubildende, die im Rahmen des Programms GRIT (Gender-Responsive Inclusive Technical and Vocational Education and Training) neue Fähigkeiten erlernt

Ein palästinensische Auszubildende, die im Rahmen des Programms GRIT (Gender-Responsive Inclusive Technical and Vocational Education and Training) neue Fähigkeiten erlernt. Foto: LWB Jerusalem

Glaube in Aktion: LWB und Partner schaffen Wege zur Stärkung von Frauen im Irak, in Jordanien und Palästina 

(LWI) - Weg von Armut und Diskriminierung, hin zu Würde und wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Trotz der zahlreichen Hindernisse für Frauen und Mädchen im Nahen Osten bei Bildung und Arbeitsmöglichkeiten arbeitet der Lutherische Weltbund (LWB) mit Partnern zusammen, um innovative Lösungen anzubieten, die auf die Bedürfnisse der Gemeinden vor Ort zugeschnitten sind. 

Auf einer Online-Veranstaltung im Rahmen der 68. Tagung der UN-Frauenrechtskommission in New York stellten Programmkoordinatorinnen und -koordinatoren des LWB im Irak, in Jerusalem und in Jordanien/Syrien einige der Projekte vor, die mit Investitionen in die Resilienz und Kreativität von Frauen in der Region Hindernisse abbauen und alte Denkmuster verändern. Moderiert wurde die Veranstaltung mit dem Titel „Faith in Action: Pathways to women’s economic independence“ (Glaube in Aktion: Wege zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen) von Heather Platt vom Canadian Lutheran World Relief (CLWR), einem wichtigen Partner bei der Unterstützung der Arbeit des LWB im Bereich Frauenförderung im Nahen Osten.

Die LWB-Länderdirektorin für Jordanien und Syrien, Ameera Khamees, beschrieb zunächst die „zahlreichen Stolpersteine“ auf dem Weg zur Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele in der Region, insbesondere den Konflikt und die noch immer anhaltenden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Insbesondere Frauen seien unverhältnismäßig stark von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen. Nur 15 Prozent der Frauen hätten Führungspositionen inne und mehr als die Hälfte der weiblichen Arbeitskräfte seien auch nach einem Jahr Arbeitssuche noch immer ohne Beschäftigung. 

Armut, Arbeitslosigkeit, Konflikt 

Im Irak, sagte sie, seien immer noch mehr als eine Million Menschen aufgrund des Krieges gegen den IS auf der Flucht. Das Land stecke nach wie vor in einer „anhaltenden Krise, die es zu einem der instabilsten Orte der Welt macht“. In Syrien, wo mehr als eine halbe Million Menschen im Bürgerkrieg starben und das Erdbeben von 2023 zusätzlich viele tausend Opfer forderte, „sind Frauen oft die einzigen Ernährerinnen, die mit den um über 200 Prozent gestiegenen Lebensmittelpreisen zu kämpfen haben.“

In den palästinensischen Gebieten verschlimmert der Krieg im Gazastreifen die ohnehin schon schwierige Situation: Mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen ist arbeitslos, und immer mehr Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze. Palästinensische Frauen, so Khamees, sind besonders von den Sicherheitsbeschränkungen betroffen, die ihren Zugang zu Arbeit, Bildung und Gesundheitsdiensten behindern. Nach fünf Monaten Krieg seien die Kennzahlen für den Entwicklungsstand und das Wohlergehen im Gazastreifen dramatisch gesunken, „und die Situation wird immer schlimmer.“ 

Doch trotz dieses düsteren Panoramas wurden auf der Veranstaltung auch zahlreiche Geschichten von Frauen vorgestellt, die Diskriminierung und die tief in den Köpfen sitzenden patriarchalen Normen überwunden haben, um eine Ausbildung zu machen, Arbeit zu finden, ihre Träume zu verwirklichen und wirtschaftlich unabhängig zu werden. Helan Muhammed, LWB-Programmkoordinatorin für den Irak, erläuterte, wie Frauen zu Hause und am Arbeitsplatz mit Ungleichheit konfrontiert sind, und dass viele für dieselbe Arbeit weniger verdienen als Männer. 

Stigmatisierung von Opfern sexualisierter Gewalt 

Als eine der vielen Schwierigkeiten, mit denen irakische Frauen konfrontiert sind, nannte Muhammed „das Fehlen von sicheren Verkehrsmitteln, den begrenzten Zugang zu finanziellem Kapital, wenn sie ein Unternehmen gründen wollen, und unzureichende Kinderbetreuung, da von Frauen erwartet werde, dass sie zu Hause bleiben, um sich um die Familie zu kümmern“. Auch häusliche Gewalt sei ein großes Problem, so Muhammed. Unter anderem werden Opfer sexualisierter Gewalt, insbesondere die Opfer des IS, kulturell stark stigmatisiert.“

Muhammed erzählte die Geschichte einer Syrerin, die in den Irak geflohen ist und dank eines Kredits aus dem Entwicklungsprogramm QUEST, das Geflüchteten, Binnenvertriebenen und Angehörigen der Aufnahmegesellschaften in den nordirakischen Regionen Dohuk und Mossul Beschäftigungsmöglichkeiten bietet, ein eigenes Unternehmen zur Herstellung von Holzspänen gegründet hat. Der LWB arbeitet auch mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in der Region zusammen, um Frauen bei der Gründung und dem Ausbau kleiner und mittlerer Unternehmen finanziell zu unterstützen. 

Auch Suhad Kasbari, LWB-Projektmanagerin in Jerusalem für ein Programm namens GRIT (Gender-Responsive Inclusive Technical and Vocational Education and Training, geschlechtsspezifische inklusive Berufsbildung), berichtete von einer Frau, die gegen viele Widerstände eine Lehrstelle als Schreinerin gefunden hat und nun in einem Beruf erfolgreich ist, der bisher als reine „Männerarbeit“ galt. Das GRIT-Programm, das 2019 in Zusammenarbeit mit dem CLWR und der kanadischen Regierung ins Leben gerufen wurde, verfolgt einen Ansatz, an dem mehrere Gruppen eingebunden sind, um die Einstellung gegenüber Frauen, auch solchen mit Behinderungen, durch Schulungen, sichere Verkehrsmittel und Beschäftigungsmöglichkeiten zu ändern, so Kasbari.

In Jordanien sprach LWB-Programmkoordinatorin Islam Shdeifat über den ganzheitlichen Ansatz des Projekts „Integrated Livelihoods“ (Integrierte Existenzsicherung) mit Schwerpunkt auf Ausbildung, Advocacy und finanzieller Teilhabe für Frauen sowie der Unterstützung von Opfern von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt. „Unser Handlungsansatz ist lokal bis global“, sagt sie, „wir arbeiten mit den Gemeinden zusammen und passen unser Programm an die lokalen Bedürfnisse an.“ Die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion unterstrichen den „Dominoeffekt“ und wie diese erfolgreichen Programme mit ihrer Vorbildfunktion junge Frauen und Mädchen in der gesamten Region inspirieren und stärken. 

LWB/P. Hitchen