LWB sorgt dafür, dass Nepals Kinder wieder zur Schule gehen können
Gumba, Nepal/Genf, 20. November 2016 (LWI) - Für die sechzehnjährige Sanu Lama und ihre Freundinnen ist es ein Tagesmarsch bis zu ihrer Schule in Baramchi, Nepal. Sanu lebt in dem Dorf Gumba im Distrikt Sindhupalchowk im Himalaja.
Noch bis vor zwei Jahren konnte Sanu eine Schule in ihrem eigenen Dorf besuchen. Dorthin ging sie bis zur achten Klasse. Da sie aber eine sehr gute Schülerin war, kam bald die Frage des Besuchs einer weiterführenden Schule auf. Ihre Mutter war dagegen, sie auf die Schule in Baramchi zu schicken. Sanus Entschlossenheit, Wissensdurst und Willensstärke überzeugten ihre Eltern schliesslich, sie an der weiterführenden Shree Ratna Rajya-Schule in Baramchi anzumelden, wo sie jetzt die zehnte Klasse besucht.
Ihr Vorbild ermutigte vier weitere Schülerinnen, die gleiche Entscheidung zu treffen und ihr Dorf zu verlassen. Sie haben in der Nähe der Schule ein kleines Zimmer gemietet, wo sie sich gegenseitig bei den Schulaufgaben helfen und gemeinsam die Höhen und Tiefen des Teenagerlebens teilen.
Ein Erdbeben, das alles ändert
Das grosse Erdbeben, das Nepal im April 2015 traf, und die zahlreichen Nachbeben haben dieses Ziel der höheren Schulbildung fast zunichte gemacht. Ihre Schule wurde vollständig zerstört, und selbst als der Unterricht wieder begonnen hatte, weigerten sich die verängstigten Familien, ihre Töchter wieder in die Schule zu schicken.
„Da unser Haus zusammengestürzt war, brauchten meine Eltern meine Hilfe und versuchten mich davon abzuhalten, zur Schule zu gehen“, sagt die 15 Jahre alte Dolma. Abgesehen von der praktischen Hilfe im Haus musste der Teenager auch für emotionale Stabilität in der Familie sorgen. Sindhupalchowk war härter betroffen als andere Distrikte. In keinem anderen Bezirk war die Zahl der Todesopfer so hoch. Die Familie war davon überzeugt, dass man den unkontrollierbaren Kräften der Natur nur etwas entgegensetzen könne, wenn man die Familie und die Angehörigen zusammenhält.
Der Lutherische Weltbund (LWB) war eine der ersten Hilfeorganisationen, die das Dorf Gumba erreichten. Die erste Massnahme bestand darin, Planen und Decken zu verteilen und die Trinkwasserversorgung wieder instand zu setzen. Nachdem der LWB sich der sichtbaren Zerstörungen angenommen hatte, kümmerte er sich um die in ihren Grundfesten erschütterte Gesellschaft und versuchte den Einwohner/innen, ihren inneren Frieden durch psychosoziale Unterstützung zurückzugeben.
Tanz, Theater, seelsorgerische Beratung
„Sie haben in unserem Dorf eine Menge auf die Beine gestellt“, erinnert sich Dolma. „Es gab kulturelle Veranstaltungen, Volkstänze und Theateraufführungen. Das hat einen wichtigen Beitrag zur Normalisierung des Lebens im Dorf geleistet.“ Der LWB Nepal und die örtliche Partnerorganisation Gramin Mahila Srijansil Pariwar (GMSP) gründeten Unterstützungsgruppen, in denen die Gemeinschaft ihre Ängste und Sorgen und den Schmerz über den Verlust von Freunden und Familienmitgliedern artikulieren konnte, Unterstützung durch Mitglieder der Gemeinschaft erhielt und auch professionelle Beratung in Anspruch nehmen konnte. Dolma und ihre Freunde sind sich sicher, dass diese psychosozialen Angebote ihrer Familie letztlich dabei halfen, sich ihren Ängsten zu stellen und ihren Töchtern den weiteren Schulbesuch zu erlauben.
Schule reparieren, Kinder schützen
Inzwischen hatte der LWB einen Anruf vom Leitungsausschuss der Ratna Rajya-Schule bekommen. Gemeinsam mit einem anderen Partner hat der LWB dem Ausschuss dabei geholfen, ein provisorisches Schulgebäude zu errichten.
Mit demselben örtlichen Partner wie in Gumba hat der LWB Nepal die Schule mit Sportgeräten wie Volleybällen, Badmintonschlägern, Kricketausrüstungen und Sprungseilen sowie traditionellen Musikinstrumenten ausgestattet. Neben dem Sportprogramm und dem schulgestützten Kulturprogramm haben der LWB und GMSP den Schülerinnen und Schülern auch psychosoziale Hilfe angeboten.
Psychosoziale Arbeit innerhalb der schulischen Institutionen
Nach Auffassung der Schulen haben die psychosozialen Angebote nicht nur das psychosoziale Wohlergehen der Schulkinder erhöht, sondern die Schulen auch dazu motiviert, psychosoziale Aktivitäten zu einem festen Bestandteil aller regelmässigen ausserschulischen Aktivitäten der Lehranstalten zu machen. „Die Regierung von Nepal schreibt für die Lehrpläne der Primarstufe Sportunterricht und Kunst vor. Das haben wir bisher eher auf die leichte Schulter genommen. Inzwischen haben wir aber verinnerlicht, wie wichtig diese Themen auf Dauer für das psychosoziale Wohlergehen sind“, sagt Bhesh Ram Upadhyaya, ein Lehrer der Schule.
Abgesehen davon legt die Schule grossen Wert darauf, das psychosoziale Wohlergehen durch ausserschulische Programme zu stärken, die jeden Freitag stattfinden. Die Kinder können Joga-Therapien, Freizeit- und Kulturangebote wahrnehmen, um sich selbst und ihre Gefühle darzustellen.
Sanu, Dolma und die Sapkota-Geschwister sind nur einige der Kinder, die weit weg von ihren zerstörten Dörfern leben und woanders zur Schule gehen. Da die weiten Fusswege und das Leben ohne die Familie und ihren Schutz auch Risiken für die Schüler und Schülerinnen bergen, die in der Regel noch nicht volljährig sind, hat der LWB die Schulen auch dazu veranlasst, in ihren Programmen über Kinderschutz, Menschenhandel und die Gefahren der Frühehe zu informieren.
Nach Aussage von Rishi Ram Poudel, der als Lehrer an der Schule arbeitet, kam diese Idee sehr gut an. „Wir haben Theateraufführungen und Kulturveranstaltungen zu Themen wie Kinder- und Menschenhandel, die Bedeutung von Bildung und die negativen Folgen von Frühehen veranstaltet. Das war sehr effektiv - wir haben Anfragen von der Gemeinschaft bekommen, diese Aufführungen zu wiederholen.
Alle Fotos und Berichte von Umesh Pokharel/LWB Nepal. Bearbeitung: LWB-Kommunikationsabteilung.