Projekt „Saatgut für Lösungen“ schafft Einkommen für Langzeitflüchtlinge im Tschad
Aradib (Tschad)/Genf, 2. September 2016 (LWI) - „Halt das Tau fest, und jetzt kräftig ziehen", ruft Djouma Ousmane am Ruder seines kleinen Bootes einem jungen Mann zu. Der steht am Ufer des Flusses Bar Azoum und holt das am Boot befestigte Tau ein. Nach einigem Manövrieren kann Djouma seinen Kahn sicher am Flussufer anlegen, und die Passagiere gehen an Land. Diese Szene gehört zur alltäglichen Arbeit der Mitglieder der 'Al Rey'-Gruppe im Dorf Aradib in der Nähe von Goz Béïda im Osten des Tschads.
Um dieses Projekt zu verwirklichen, musste Djouma, der auch der Anführer der Al Rey-Gruppe ist, einige Monate vorher die Gruppenmitglieder davon überzeugen, dieses Boot zu kaufen und dafür das Geld einzusetzen, das sie durch den Verkauf ihrer Ernte erwirtschaftet hatten. Die kleine Fähre transportiert 14 Passagiere und zusätzlich drei Tonnen Fracht und hat 414 500 CFA (ca. € 638) gekostet. Ohne das Geld aus dem Verkauf der Ernte wäre diese Anschaffung nicht möglich gewesen.
Möglichkeiten für die Selbstversorgung organisieren
Der „Al Rey”-Fährdienst ist nur ein Beispiel für das innovative Projekt „Saatgut für Lösungen’, das vom Lutherischen Weltbund (LEWB) gemeinsam mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR ins Leben gerufen wurde. Das Projekt unterstützt Langzeitflüchtlinge und Gastgebergemeinschaften, sich selbst zu versorgen und damit weniger abhängig von humanitärer Hilfe zu werden.
In einem Land, in dem sich die Auswirkungen des Klimawandels in Form immer wiederkehrender Dürreperioden bemerkbar machen, bietet diese Initiativen die Möglichkeit für die Entwicklung unterschiedlicher Wege der Existenzsicherung. Die Flüchtlinge werden auf diese Weise autark und können sich besser in ihre Gastgebergemeinschaften integrieren.
2015 hat der LWB in Zusammenarbeit mit der lokalen politischen Führung 28 Hektar Agrarland gekauft, um in der Nähe von Aradib Gemüse anzubauen. Mit Unterstützung des UNHCR hat der LWB die Anbaufläche eingezäunt und mit einem ökologischen solarstrombetriebenen Bewässerungssystem ausgestattet. Der LWB hat den Landwirten ebenfalls Saatgut und landwirtschaftliches Gerät zur Verfügung gestellt.
Djouma, der junge Mann vom Boot, hat sich mit 26 anderen zu einer gemischten Gruppe zusammengeschlossen, die aus Flüchtlingen und der lokalen Bevölkerung besteht. Gemeinsam bilden sie die landwirtschaftliche Gruppe Al Rey - das ist das in der Region verwendete arabische Wort für Gartenbau. Die Gruppenmitglieder haben Tomaten, Zwiebeln, Kartoffeln, Knoblauch und sonstiges Gemüse gesät.
Beeindruckende Ergebnisse
Wenige Monate später konnten sie ihre erste Ernte einbringen. Nachdem der Eigenverbrauch und die individuellen Einkommen abgezogen waren, konnte die Gruppe einen kollektiven Ertrag von 390 000 CFA (ca. € 600) aus dem Verkauf der Ernte für sich behalten. „Mit diesem Geld haben wir das Boot gekauft, das wir jetzt für den Transport von Personen und Gütern verwenden, damit verdienen wir täglich zwischen 5 000 und 15 000 CFA (8 bis 23 €)", sagt Djouma Ousmane, der Anführer der Al Rey-Gruppe. „Das Geld reicht für die Ausgaben unserer Familie. Wir haben vor, dieses Jahr noch mehr Gemüse anzubauen und zu verkaufen. Nach der nächsten Ernte [Dezember bis März] kaufen wir noch ein oder zwei zusätzliche Boote.
Mehr als 1 000 Bauern wie Ousmane haben von dieser Art der landwirtschaftlichen Unterstützung überall dort profitiert, wo das Projekt „Saatgut für Lösungen“ durchgeführt wird. Die Landwirtschaftsbetriebe haben fast 1 600 000 Kilogramm Gemüse im Wert von € 470 000 produziert. „Wir wollen dafür sorgen, dass die armen und an den Rand gedrängten Bevölkerungsgruppen nicht zu Almosenempfängern werden, sondern die Möglichkeit eines Lebens in Würde bekommen", sagt Adamou Koumanda, LWB-Länderrepräsentant im Tschad. „Die Al Rey-Gruppe ist ein gutes Beispiel dafür, wie Menschen mit unserer Hilfe in sehr kurzer Zeit autark werden können, ihre Erwerbstätigkeit selbst in die Hand nehmen und ihre eigenen Entscheidungen treffen können. Wir werden dieses Projekt jetzt auch in anderen Teilen des Landes einführen."
Das Projekt „Saatgut für Lösungen“ wird vom United States Bureau of Population, Refugees, and Migration (BPRM) sowie dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) unterstützt und vom LWB als Mitglied des ACT-Bündnisses durchgeführt.