In Norwegen entsteht ein sakrales Gebäude aus Plastikmüll
Fredrikstad, Norwegen/Genf (LWI) – Drei Jahrzehnte lang waren die Spaziergänge, die Solveig Egeland an den zauberhaft schönen Stränden bei Frederikstad (Norwegen), wo der Fluss Glomma in die Nordsee mündet, unternommen hat, „wie Medizin“ für sie. „Ich liebe diese Landschaft – das Moor, die Felsen, die vielen kleinen Inseln – es ist alles so offen und man fühlt sich frei“, erzählt Egeland, die Künstlerin und Kulturreferentin der Diözese Borg der Norwegischen Kirche ist.
Seit einiger Zeit jedoch sind die Küsten ihres Heimatortes immer stärker mit Plastikmüll und anderen Abfällen aus dem Meer verschmutzt. Mit Kindern aus der Umgebung hat Egeland aus dem angeschwemmten Müll schon viele bunte Hütten gebaut – aber das Meer schwemmte immer mehr Müll an. Die Menschen brauchten angesichts der leidenden und seufzenden Schöpfung ein Zeichen der Hoffnung.
Egeland entwarf in Gedanken ein großes, buntes Gebäude, in dem all das verbaut wird, was das Meer hergibt – eine Kathedrale der Hoffnung, die Håpets Katedral. „Die Winterstürme hatten viel Müll angespült, die Strände waren voll davon. Sind das wirklich die Spuren, die wir in der Natur hinterlassen wollen?“, fragte sie sich.
In diesem Herbst haben 35 Freiwillige unter der fachkundigen Anleitung traditioneller Bootsbauer aus Frederikstad begonnen, die Kathedrale der Hoffnung zu konzipieren. Die Kathedrale würde eine Kombination aus einer Holzkonstruktion und allerlei Plastik aus den Ozeanen sein, erklärt die Projektmanagerin Anne Skauen. „Das Plastik werden wir insbesondere für das Dach verwenden, das immerhin 300 Quadratmeter groß sein wird. Wir haben uns von den norwegischen Stabkirchen, die unser Beitrag zum Weltkulturerbe sind, inspirieren lassen und wollen traditionelle Bautechniken mit unserer ‚modernen‘ Welt verknüpfen.“
„Das Dach wird ein riesengroßes Bild aus Plastik sein. Die Sonne wird durch das Plastik aus den Weltmeeren scheinen und – im übertragenen Sinne – Leid in Freude und etwas sehr Schönes verwandeln“, erläutert Skauen weiter.
Kathedrale ist ein interreligiöses Vorhaben
Die Kathedrale der Hoffnung ist ein wegweisendes Projekt, das auf die Initiative der Diözese Borg zurückgeht Es verbindet moderne Kunst, Weltkulturerbe, die Umwelt und lutherische Theologie. Und es bringt somit viele verschiedene Menschen für ein Projekt zusammen, das Hoffnung schenkt.
Die Kathedrale der Hoffnung spiegelt das Engagement der Norwegischen Kirche für Diakonie und die Bewahrung der Schöpfung wider. „Die Kathedrale der Hoffnung gibt der lutherischen Schöpfungstheologie ein sichtbares Zeichen an die Hand und vermittelt Hoffnung auf das alltägliche, in der Taufe begründete Leben“, erklärt Skauen. Die Kathedrale fördere zudem die Vorstellung einer inklusiven Gemeinschaft. Die Organisatorinnen und Organisatoren seien intensiv bemüht, das Projekt als interreligiöses Vorhaben zu etablieren, indem sie die Mitwirkung verschiedener Religionen an dem gesamten Bauprozess unterstützten.
Die Website zu dem Projekt beschreibt die Kathedrale der Hoffnung mit den Worten: „Unser Tempel, unsere Moschee, unsere Synagoge, unsere Kirche und unser heiliger Ort“.
Zusammenarbeiten um die Weltmeere zu retten
Der Bischof der Diözese Borg, Alte Sommerfeldt, erklärt in einem Werbevideo für die Kathedrale der Hoffnung: „Um die Weltmeere retten zu können, müssen wir zusammenarbeiten. Hoffnung und die Weltmeere gehören uns allen.“
Bischof Gunnar Stalsett, ein ehemaliger Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), erklärte seinerseits: „Die Kathedrale der Hoffnung verbindet Spiritualität und Politik. Beides ist für den Erhalt unseres Planeten als unser gemeinschaftlicher Lebensraum sehr wichtig.“
Der Klimawandel ist für den LWB eines der wichtigsten Themen seiner Advocacyarbeit. Mit „großer Beunruhigung“ hat der LWB am 10. Oktober den Bericht der Zwischenstaatlichen Sachverständigengruppe über Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) zur Kenntnis genommen, in dem betont wird, wie dringend notwendig eine beschleunigte Umsetzung der im Pariser Klimaabkommen vereinbarten Maßnahmen ist, um das gesteckte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken, einhalten zu können.
„Unsere Generationen sind die ersten, die die Auswirkungen des Klimawandels am eigenen Leib erfahren, und die letzten, die die schlimmsten Konsequenzen noch abwenden könnten“, sagte der LWB dazu.