Kampala (Uganda)/Genf, 2. Februar 2016 (LWI) – „Mir hat einmal jemand gesagt, Statistiken sind Menschen, bei denen man die Tränen abgetrocknet hat“, erinnert sich Nationalbischöfin Susan Johnson von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kanada. „Die Möglichkeit, Flüchtlingen zu begegnen, macht uns klar, dass hinter den Statistiken Personen stehen.“
Vom 18. bis 21. Januar hatten Teilnehmende der Canadian Lutheran World Relief (CLWR) Global Encounter Tour 2016 Gelegenheit, das LWB-Länderprogramm in Uganda kennenzulernen. Im Rahmen der CLWR-Touren können kanadische LutheranerInnen von CLWR unterstützte Projekte in aller Welt besuchen. Dieses Jahr führte die Reise in die Flüchtlingssiedlung Adjumani im Norden Ugandas, die CLWR seit März 2015 unterstützt.
120.000 Flüchtlinge, Tendenz steigend
Im Distrikt Adjumani werden schon seit Jahren südsudanesische Flüchtlinge aufgenommen. Jedes Mal, wenn ein neuer Konflikt aufflammt, suchen die Menschen Zuflucht jenseits der Grenze und kehren in ihre Heimat zurück, sobald sich die Lage beruhigt. Aktuell ist der Zustrom nach Adjumani wieder gross: Seit im Dezember 2013 die Gewalt ausbrach, sind 120.181 Menschen aus dem Südsudan gekommen. Der Lutherische Weltbund (LWB) unterstützt 60 Prozent aller Flüchtlinge.
Die kanadische Reisegruppe, der neben Johnson auch CLWR-Geschäftsführer Robert Granke und Vorstandsmitglied David Schulze angehörten, war die erste, die auf der neuen Flugpiste von Adjumani landete. Gebaut hat sie der LWB, um die Mobilität der Mitarbeitenden zu erhöhen und den Transport von Hilfsgütern ins Lager zu erleichtern. Die Piste wurde erst im Dezember 2015 fertiggestellt.
Ausgangspunkt der Ugandareise war ein Besuch in Bwaise 3, einem im Viertel Kawempe gelegenen Slum der Hauptstadt Kampala. Innerhalb der ACT Alliance engagiert sich der LWB für einen besseren Zugang zu Besitztiteln, menschenwürdige Wohnbedingungen, grundlegende Versorgungsleistungen und zahlreiche weitere Bausteine, die zur Entwicklung stabiler Gemeinwesen nötig sind.
In Bwaise 3 hatte die Reisegruppe Gelegenheit zur Begegnung mit BewohnerInnen des Slums und erfuhr, wie die einkommensschaffenden Massnahmen und Angebote zum Start von Sparguthaben, die der LWB aufgelegt hat, zur Verbesserung der Existenzgrundlagen der Menschen beitragen. Zudem machten die UganderInnen deutlich, dass die Vermittlung von Verhandlungskompetenzen und Kenntnissen über partnerschaftliche Zusammenarbeit ihre Position gegenüber den Behörden gestärkt und damit Zwangsräumungen verhindert hat. Abschliessend stellte Granke fest, die Gruppe sei tief beeindruckt von „der Kreativität und harten Arbeit besonders der Frauen“ und bewegt von „dem Mut und der Hoffnung“, die den LWB motivierten.
Ausweitung der Arbeitsbereiche
In Adjumani besuchte die Gruppe das Aufnahmezentrum Nyumanzi, wo Neuankömmlinge die ersten zwei bis vier Wochen verbringen, bis ihnen in einer der Flüchtlingssiedlungen ein Grundstück zugewiesen wird. Im Anschluss lernte die Gruppe die Siedlung Nyumanzi kennen, wo sie die Verteilung von Hilfsgütern an unbegleitete Minderjährige miterlebte und mit Frauengruppen zusammentraf, die an von CLWR finanzierten Landwirtschaftskursen teilgenommen haben. „Die Arbeit hat sich auf neue Bereiche ausgeweitet, das ist deutlich“, stellte Johnson fest. „In der Begegnung mit Menschen aus den Siedlungen war eine Zufriedenheit wahrnehmbar, die auf mich den Eindruck macht, dass grundlegende Leistungen vorhanden sind.“ Auch das einheimische Gemeinwesen wurde besucht, wo mit Finanzierung von CLWR Brunnen gebohrt wurden.
„Mich beeindruckt unwahrscheinlich das Engagement der Mitarbeitenden. Sie sind mit wirklich schwierigen Bedingungen konfrontiert, aber ihre Bereitschaft zu dieser Arbeit und ihr Wille zu helfen sind beispielhaft. Deswegen bin ich sehr stolz, Teil des Lutherischen Weltbundes zu sein“, ergänzte Johnson.
Schliessung weiterer Lücken
Am eindrücklichsten schliesslich war die Erfahrung am Grenzpunkt Elegu, wo an einer vom LWB verwalteten Sammelstelle die Mehrheit der südsudanesischen Flüchtlinge nach Uganda einreist. Die BesucherInnen erlebten, wie die Neuankömmlinge registriert, besondere Hilfsbedürftigkeit festgestellt und psycho-soziale Hilfe geleistet werden.
Am Tag des Besuchs der Reisegruppe registrierte der LWB 205 Neuzugänge, die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Im Gespräch mit einigen von ihnen erhielt die Gruppe Informationen aus erster Hand über die Situation im Südsudan, wobei als Fluchtursachen immer wieder Hunger, Gewalt und Angst genannt wurden.
Unter anderem erzählte ein 14-jähriges Mädchen seine Geschichte, das seine Eltern und Grossmutter verloren hatte. Es hatte den Weg aus dem heimatlichen Bezirk Bor ganz allein zurückgelegt und war am Vorabend angekommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Jugendliche als unbegleitete Minderjährige gemeldet und in einer entsprechenden Einrichtung untergebracht, es sei denn, es werden Verwandte gefunden, die auch bereit sind, sie aufzunehmen.
„Bei CLWR bleibt es unsere Aufgabe, von unserer Regierung einzufordern, dass sie angesichts der Fluchtbewegung aus dem Südsudan aktiv wird, und zu überlegen, wie wir durch die gute Arbeit unseres Teams noch mehr bewirken können“, erläuterte Granke. „Ich hoffe, dass diese Intensivierung der Hilfe für LWB-Uganda von Dauer sein wird. Wir suchen aktuell nach Möglichkeiten, wie CLWR dabei helfen kann, Lücken in den Bereichen psychosoziale Arbeit und landwirtschaftliche Beratung zu schliessen. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass wir am Anfang einer langfristigen Beziehung stehen.“