Befreit durch Gottes Gnade, zu teilen und zu dienen

14. Sep. 2016
EKLBB-Präsident Pfrarrer Dr. Nestor Paulo Friedrich (Mitte) referierte zum Thema "Erlösung - für Geld nicht zu haben". Foto: LWB/Hubert Hermelijn

EKLBB-Präsident Pfrarrer Dr. Nestor Paulo Friedrich (Mitte) referierte zum Thema "Erlösung - für Geld nicht zu haben". Foto: LWB/Hubert Hermelijn

Zwei LWB-Regionen bereiten sich auf die Diskussionen bei der Vollversammlung vor

PARAMARIBO, Suriname/GENF, 31. August 2016 (LWI) — Zu welchen Handlungen befähigt Gottes Gnade in einer immer polarisierteren Welt, in der Individuen und Gemeinschaften nach Akzeptanz und Lebenssinn streben?

Dies war eine der Fragen, die sich die Delegierten der Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes (LWB) aus Lateinamerika und der Karibik (LAK) sowie aus Nordamerika anlässlich ihres in dieser Woche in Suriname stattfindenden Treffens zur Vorbereitung der Diskussionsbeiträge der Regionen zur Zwölften Vollversammlung des LWB stellten.

Angesichts unzähliger sozialer Krisen können Lutheraner als christliche Gemeinschaft zwar weiterhin sagen „wir sind nicht perfekt“, doch sie bieten auch Raum für den Dialog und pflegen einen Sinn für das Zusammensein in Gemeinschaft, sagte Pfarrer Dr. Nestor Paulo Friedrich, Präsident der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien (EKLBB).

Die Delegierten diskutierten die Referate von Friedrich sowie von anderen Vortragenden während der Vorbereitenden Konsultationen des LWB für die Regionen LAK und Nordamerika und konzentrierten sich dabei insbesondere auf die kontextbezogenen und theologischen Perspektiven des Themas der Vollversammlung „Befreit durch Gottes Gnade“ sowie der Unterthemen mit der Fragestellung, weshalb Erlösung, Menschen und Schöpfung nicht für Geld zu haben sein sollten.

Friedrich sprach über die Antwort der EKLBB in einem Land, dessen Natur durch die illegale Abholzung großer Teile des Amazonasgebietes ernsthaft bedroht ist, über die Auswirkungen des Klimawandels und über Umweltkatastrophen, über Ungleichheit und Diskriminierung und über die Ausbreitung von Kirchen, deren Handeln allein von finanziellen Überlegungen bestimmt wird und die Wunder als Lösungen für die Probleme des Lebens versprechen.

„Einer solchen Spannung werden wir immer ausgesetzt bleiben. Doch wir müssen einen Weg finden, die unterschiedlichen Gruppen einzuladen und uns ernsthaft und tiefgründig darüber austauschen, wie wir gemeinsam fortfahren werden. Manchmal schützen wir uns selbst zu sehr und öffnen uns gegenüber anderen nicht.“

Welche positiven Neuigkeiten gibt es? Was macht sie zu Neuigkeiten?

In ihrem Referat betonte Pfarrerin Dr. Robin Steinke von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELKA) die Notwendigkeit einer Erneuerung des Glaubens in der positiven Nachricht von der Auferstehung Jesu. Sie rief zu Offenheit auf, „Gottes Wort zu hören und uns in all unserer Verletzlichkeit zu betrachten, so dass wir frei sein können zu hören, zu leben und zu sehen, was Gott für die Welt tut durch unser Zeugnis als Kirche und als Gemeinschaft“. Sie rief die Teilnehmenden auf, über folgende Fragen nachzudenken: „Welche positiven Neuigkeiten gibt es? Für wen sind sie positiv? Was macht sie zu Neuigkeiten?“.

Steinke sagte, die gute Nachricht über die Auferstehung Christi und die Befreiung durch Gottes Gnade öffne den Weg und die Freiheit zur Umkehr. Sie ermutigte die Teilnehmenden, sich zu fragen, welche „Bereiche es in unseren Kirchen und Gemeinden gibt, die eine Umkehr und einen Sinneswandel erfordern“.

„Weil Christus auferstanden ist, sind wir frei, die Kirche zu lieben“, sagte sie und betonte dabei, dass dies nicht bedeute, eine ideale Kirche zu lieben, sondern die reale Kirche, die uns vielleicht manchmal „mit Bestürzung erfüllt und uns der Hoffnung beraubt“.

Die Kirche, fügte Steinke hinzu, sei kein Zusammenschluss oder Verein gleichgesinnter Individuen. „Wir haben die einzigartige Gelegenheit, eine Kirchengemeinschaft zu sein, innerhalb derer wir trotz tief greifender Differenzen über Dinge, die das Glaubensleben nachhaltig betreffen, Zeugnis ablegen über die Liebe Gottes zu uns, indem wir einander lieben“, fügte sie hinzu.

Ein großzügiges Geschenk für alle

Bei der Erörterung eines der Unterthemen der Vollversammlung „Erlösung – für Geld nicht zu haben“, bezog sich Bischof Siegfried Sander von der Lutherischen Kirche in Chile auf den Artikel von Professorin Sarah Hinlicky Wilson im Studienheft des LWB zum 500. Reformationsgedenken, das sich mit diesem Unterthema befasst. Er rief zur Selbstkritik auf bezüglich der Frage, weshalb „unsere reiche und befreiende lutherische Theologie nicht die Herzen derjenigen erobert hat, die den viel versprechenden Botschaften des Wohlstandsevangeliums folgen“.

Die ELKA-Vorsitzende, Bischöfin Elizabeth Eaton, die ebenfalls zu dem Unterthema „Erlösung – für Geld nicht zu haben“ referierte, sprach über Migration im Kontext einer globalisierten freien Marktwirtschaft, in der Waren und Dienstleistungen Grenzen problemlos überschreiten können, ganz im Gegensatz zu Menschen.
 
Sie sagte, die entscheidende Verbindung zwischen der Wirtschaft und dem Unterthema sei die Frage, wie es im Sinne der Lehre Luthers über die zwei Reiche zu verstehen sei. „Sowohl in weltlichen wie in himmlischen Reichen wird das Wirtschaftsleben vom Moralprinzip ‚für alle‘ beherrscht. Somit ist Erlösung nichts, was von einigen Menschen ‚erworben‘ oder ‚konsumiert‘ werden kann, sondern ein großzügiges Geschenk für alle. Gott will, dass das Leben sowohl ausreichend als auch reichhaltig ist.“

Eaton sagte, die Soziallehre der ELKA zur Wirtschaftstätigkeit betone, dass der Sinn der Wirtschaft (der Liebe Gottes) sei, Leben zu erhalten, und nicht, Profit zu machen. „Daher empfangen und motivieren wir den anderen als ein Kind Gottes, dessen Leben im Hier und Jetzt und in aller Ewigkeit von großem Wert ist“, fügte sie hinzu.

Die Würde der Menschen

In ihrem Beitrag zum Unterthema „Menschen – für Geld nicht zu haben“ sprach Pfarrerin Katherine Altenburg von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kanada über den Einsatz für die Rechte von Wanderarbeitern. „Isolation und Ausgeliefertsein sind für viele Wanderarbeiter Realität. Die wenigsten von ihnen kennen ihre Rechte, ein Faktor, der die Gefahr von Missbrauch und Ausbeutung erhöht. Die Würde der Menschen, die nach dem Abbild Gottes geschaffen sind, werde nicht respektiert, wenn sie lediglich als Arbeitskraft betrachtet würden, nicht aber als Menschen, betonte sie.

Bewahrer unserer „Mutter Erde“

Pfarrer Emilio Aslla von der Bolivianischen Evangelisch-Lutherischen Kirche betonte, Schöpfung sei Gott gegeben und die Kirche trage die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass sie nicht für Geld zu haben sei. Selbst zur indigenen Volksgruppe der Aymara zählend, warnte er vor einer irreversiblen Schädigung der Ozonschicht durch die Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten auf die biologische Vielfalt. Durch die Beschädigung der „wunderbaren Schöpfung“ hätten die Menschen ihre Rolle als Bewahrer unserer „Mutter Erde“ missbraucht.

Die Diskussionsergebnisse zum Thema und den Unterthemen der Vollversammlung aus allen LWB-Regionen werden zum Inhalt der Zwölften Vollversammlung beitragen.