„Für Geld nicht zu haben“ – Einführung zu den Unterthemen der Vollversammlung
GENF (LWI) – Das Thema der Zwölften Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB), „Befreit durch Gottes Gnade“, soll aus der Perspektive von drei Unterthemen beleuchtet werden, die jeweils in den Blick nehmen, was „für Geld nicht zu haben“ ist.
In einem Interview mit der Lutherischen Welt-Information (LWI) erläutert Pfarrerin Anne Burghardt, Studienreferentin des LWB für ökumenische Beziehungen, wie die Themen im Rahmen der Vollversammlung bearbeitet werden sollen.
LWI: Wie lauten die Unterthemen und in welcher Beziehung stehen sie zum Hauptthema?
Pfarrerin Burghardt: Die drei Unterthemen, „Erlösung – für Geld nicht zu haben“, „Menschen – für Geld nicht zu haben“ und „Schöpfung – für Geld nicht zu haben“, enthalten jeweils eine eindringliche Botschaft. Die Botschaft des Hauptthemas der Vollversammlung, „Befreit durch Gottes Gnade“, ist positiver Art. Die drei Unterthemen wenden sich ihrerseits den kontextuellen Herausforderungen zu, denen wir in der heutigen Welt gegenüberstehen. Mit ihrer Hilfe können wir herausarbeiten, welche Vorstellungen, Haltungen und Grundsätze durch Gottes Gnade befreite Menschen ablehnen, weil sie unvereinbar sind mit dem Evangelium.
Wie ist die Formulierung „für Geld nicht zu haben“ zu verstehen?
Die Aussage „für Geld nicht zu haben“ greift das Empfinden auf, dass Wirtschaftlichkeit und Ökonomie die wichtigsten Triebfedern unserer heutigen Welt sind.
Bei „Erlösung – für Geld nicht zu haben“, steht die zentrale Botschaft der Rechtfertigungslehre im Mittelpunkt – die Botschaft, dass Gott uns die Erlösung ohne Gegenleistung schenkt. Darin eingeschlossen ist eine deutliche Kritik an heutigen Verhaltensweisen und Vorstellungen, die Erlösung als Ware auf dem „Markt der Religionen“ behandeln. Denken wir etwa an das Wohlstandsevangelium, das im klaren Gegensatz steht zu Luthers Kreuzestheologie, oder z. B. auch an die unzähligen Selbsthilfebücher, die Glück und Heil versprechen, wenn wir nur erst lernen, uns selbst zu erlösen.
Wir wollen uns auseinandersetzen mit ideologischen Verzerrungen des Glaubens, mit dem Klima der Angst sowie der schwindenden Nachvollziehbarkeit der Glaubensinhalte.
„Menschen – für Geld nicht zu haben“ unterstreicht, dass jeder Mensch als einmaliges Ebenbild Gottes in seiner eigenen Würde und Integrität voll und ganz zu respektieren ist. Auf dieser Grundlage können Problemstellungen von besonderer sozialer Relevanz entfaltet werden, etwa im Blick auf eine Wirtschaftspolitik, die Armut, Korruption und Ausgrenzung verursacht oder fördert, oder auf das Thema Menschenhandel.
Wir werden sprechen über Arbeit, Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit vor dem Hintergrund einer globalen neoliberalen Ökonomie, über Zwangsarbeit und natürlich über Flucht und Migration.
„Schöpfung – für Geld nicht zu haben“ zeigt aus theologischer Sicht auf, dass die Natur voll und ganz zu achten und zu schützen ist als Gottes gute Schöpfung, die der Fürsorge des Menschen anvertraut ist. Entsprechend darf der Mensch sie nicht beherrschen oder ihre Ressourcen ausbeuten, als handele es sich bei ihnen um eine Ware. Weiterhin wollen wir Klimawandel und Klimagerechtigkeit thematisieren als Frage der Gerechtigkeit zwischen Völkern, Generationen und gesellschaftlichen Gruppen.
Warum sollten sich die Kirchen mit diesen Themen befassen?
Die Auseinandersetzung mit diesen Themen muss einhergehen mit ihrer theologischen Reflexion. Beim Thema „Erlösung – für Geld nicht zu haben“ geht es darum, sich zu befassen mit der göttlichen Gnade, die keine Gegenleistung fordert, aber nicht zu verwechseln ist mit einer billigen Gnade. „Menschen – für Geld nicht zu haben“ lädt uns ein, uns mit den menschlichen Beschränkungen und der menschlichen Gebrochenheit auseinanderzusetzen, die destruktiven Strukturen Vorschub leisten. „Schöpfung – für Geld nicht zu haben“ ist ein Aufruf, nicht mehr nur Gottes Beziehung zu uns Menschen allein, sondern seine Beziehung zur ganzen Schöpfung in den Blick zu nehmen.
Wer wird – mit Referaten etc. – inhaltliche Beiträge zu den einzelnen Unterthemen leisten?
In der Plenarsitzung zum Thema „Erlösung – für Geld nicht zu haben“ wird Pfarrerin Dr. Monica Melanchthon (Indien/Australien) referieren, auf das Referat folgen zwei Reaktionen von Bischöfin Ilse Junkermann (Deutschland) und Pfarrerin Danielle Dokman (Suriname).
Pfarrer Dr. Kjell Nordstokke (Norwegen) referiert seinerseits zu „Menschen – für Geld nicht zu haben“, mit Reaktionen von Agnieszka Godfrejów-Tarnogórska (Polen) und Adamou Koumanda (LWB-Weltdienst, Länderprogramm Tschad).
„Schöpfung – für Geld nicht zu haben“ wird in einem Referat beleuchtet von Martin Kopp (Frankreich), auf das Pfarrerin Monica Villarreal (USA) und Bischof Jack Urame (Papua-Neuguinea) offiziell reagieren werden.
Welche Ergebnisse erhofft sich der LWB?
Das Hauptthema, „Befreit durch Gottes Gnade“, erinnert uns an wesentliche Aspekte lutherischer Theologie. Wir hoffen, dass die Diskussion bei der Vollversammlung dazu beiträgt, dass es in vielfältigen Kontexten und Kirchen neu- oder wiederentdeckt wird.
Ich hoffe, dass unsere Mitgliedskirchen die Themen aufgreifen und sie vor Ort und auf regionaler Ebene diskutieren werden – mit dem Ergebnis einer verbindlichen Neuausrichtung, etwa hinsichtlich dessen, was Kirchen über die Gnade lehren und in welchem Rahmen sie dies tun, wie sie sich einsetzen für Gerechtigkeit und gegen Verletzungen der Menschenwürde sowie was sie über die Schöpfung lehren und wie sie mit ihr umgehen.
Es steht zu hoffen, dass die von den Vollversammlungsthemen angestoßenen Diskussionen und Prozesse sich über das Jahr 2017 hinaus fortsetzen und langfristig wirken, so dass dadurch das Zeugnis der Kirchen in unserer weltweiten Gemeinschaft gestärkt wird.
Verfolgen Sie unseren Livestream:
Am Mittwoch, 26. April, um 13:00 Uhr (MESZ) beantwortet Pfarrerin Burghardt live auf Facebook Ihre Fragen zu den Unterthemen.