Angolanische Gemeinschaften sollen Landrechte wahrnehmen
LUANDA, Angola/GENF (LWI) – „Grund und Boden sind wichtig für uns – alle unsere Rechte sind untrennbar damit verbunden", sagt Joao*, Vorsitzender des Bauernverbandes in Chinganga und Moisés in Angola.
„Der Landbesitz sichert uns das Recht auf Nahrung und Kleidung – unser aller Leben hängt vom Land ab. Früher haben wir nichts über unsere Landrechte oder die Abgrenzung von Land gewusst, und wir waren nicht darüber informiert, dass das Land dem Staat gehörte. Wir haben geschlafen, aber jetzt sind wir wach geworden."
Joao gehört zu den fast 30.250 Menschen, die von einem Projekt des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Angola profitieren, das sich um die Frage der Landrechte kümmert. Im vergangenen Jahr hat der LWB ein neues Projekt begonnen, das mit einer Laufzeit von drei Jahren die Existenzgrundlage der Bevölkerung sichert indem ihre Landrechte registriert werden. Erste Ergebnisse werden bereits in zahlreichen Gemeinschaften sichtbar.
Landbesitz registrieren
Landrechte sind in Angola ein wichtiges Thema geworden. 2004 wurde ein Gesetz verabschiedet, das alle Einwohner dazu verpflichtete, ihre Grundstücke bis Mitte 2010 registrieren zu lassen. Leider gibt es seitens des Staates oder der Behörden kaum Unterstützung für dieses Verfahren, so dass die Durchführung dieses Gesetzes in Wirklichkeit problematisch ist. Bisher sind deshalb 90 Prozent des Grund und Bodens immer noch nicht offiziell registriert. Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Ackerland besteht für die Subsistenzlandwirte und die ländlichen Gemeinschaften die Gefahr, dass ihnen ihr Land von den großen Landwirtschafts- und Bergbaukonzernen abgejagt wird und sie damit ihre gesamte Existenzgrundlage verlieren.
Der LWB arbeitet deshalb inzwischen mit drei Gemeinschaften und Dörfern in der Provinz Moxico zusammen und leistet Aufklärungsarbeit über die Bedeutung der Registrierung von Land. Der LWB betreut weiterhin 39 Dörfer bei der Registrierung und leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Schutz dieser Ländereien. In Workshops und Schulungen werden die Gemeinschaften über ihre Eigentumsrechte informiert und dazu ermuntert, ihre Ansprüche zu formalisieren und damit eine Enteignung zu vermeiden.
Maria Justina spricht zur versammelten Dorfgemeinschaft. Zum Projekt gehört es auch, die Einigkeit der Landwirte zu fördern, so dass sie sich gegenseitig besser unterstützen können.
Dieser Prozess wird von Entwicklungsausschüssen begleitet und gelenkt. Das sind repräsentative Gruppen aus der Gemeinschaft, die bei Landbesitzstreitigkeiten Gruppen von Landwirten auf örtlicher Ebene und gegebenenfalls auch vor höheren Instanzen vertreten. Auf diese Weise schließen 10 Dörfer zurzeit die Registrierung der insgesamt fast 5.000 Hektar umfassenden Ländereien ihres Bauernverbandes ab.
Mehr Selbstbestimmung für Frauen
Die Informationsveranstaltungen über Landrechte führen auch zu mehr Einigkeit unter den Landwirten und geben ihnen eine bessere Handhabe, ihre Fälle vor örtlichen und nationalen Behörden zu vertreten. Costa Milos aus der Kleinstadt Camanongue berichtet, dass früher jeder für sich allein Landwirtschaft betrieben habe, dass aber inzwischen der Gemeinschaftsgedanke vorherrsche. „Selbst wenn wir sterben, wird dieses rechtmäßig registrierte Land auf unsere Kinder übergehen, und niemand kann es uns wegnehmen.“
Der LWB sorgt ebenfalls dafür, dass der Zugang von Frauen zu Bodentiteln verbessert wird, da sie damit in gewisser Hinsicht Schutz und Sicherheit in einer traditionell patriarchalischen Gesellschaft haben. Trotz bemerkenswerter Veränderungen der traditionellen Geschlechterrollen als Folge des Bürgerkriegs in Angola gibt es in dem Land nach wie vor ein Gewohnheitsrecht, das Frauen ausgrenzt und ihnen den Zugang zu Landbesitz fast unmöglich macht. Der LWB hat Gender-Aspekte inzwischen zu einem festen Bestandteil aller Projektaktivitäten gemacht und versucht, im Rahmen spezieller Beratungen auf Diskriminierungen hinzuweisen und etwas dagegen zu unternehmen.
Ein entscheidendes Instrument ist dabei die Verbesserung der Lesekompetenz von Frauen, da sie ohne diese Fähigkeit kaum ein Gerichtsverfahren anstrengen können. Gloria* hat von einem der 12 vom LWB angebotenen Alphabetisierungskurse profitiert. Sobald sie ihren Namen schreiben muss, wird ihr bewusst, wie stolz sie auf ihre neue Fähigkeit sein kann. „Frauen haben jetzt die Möglichkeit, auf ihrem eigenen Land Feldfrüchte anzubauen. Früher hatten wir keinen Zugang zu Grund und Boden. Jetzt, da wir Land für die Frauengruppe haben eintragen lassen, können wir auch unsere schriftlichen Unterlagen selbst führen."
Gloria unterschreibt mit ihrem Namen. Alphabetisierungskurse für Erwachsene vermitteln Frauen die Voraussetzungen, selbst Land zu beanspruchen.
Diese Veränderungen betreffen laut Maria Justina, die ebenfalls Vertreterin der Frauengruppe ist, alle Aspekte des Gemeinschaftslebens. „Wir haben nicht einmal gewusst, dass wir als Frauen auch gegenüber Männern unsere Meinung sagen können“, erklärt sie. „Heute arbeiten wir mit Männern zusammen, sprechen mit ihnen über Finanzen, und wir wissen, wie wir Geld für unsere Familien zurücklegen können, damit wir unsere Kinder in die Schule schicken und medizinische Versorgung in Anspruch nehmen können. Früher waren es nur die Männer, die finanzielle Angelegenheiten regelten und das Sagen hatten."
Von lokal zu global
Die Stärke des Projekts liegt darin, dass es die örtliche, nationale und globale Ebene miteinander verbindet und den Stimmen von Bauern und Bäuerinnen wie Joao, Gloria und Maria Justina bei ihren Regierungen und internationalen Akteuren wie dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und dem Forum für Wirtschaft und Menschenrechte Gehör verschafft. Auf diese Wiese sollen Landzuteilungen transparenter erfolgen, indem bei der Regierung Advocacy-Arbeit geleistet wird und mit der Zivilgesellschaft des Landes Netzwerke gegründet werden. Der LWB hat mit örtlichen Partnern ebenfalls am Universellen Periodischen Prüfverfahren der Menschenrechtssituation in Angola gearbeitet.
Der LWB ist seit 1986 in Angola tätig und war eine der großen Hilfsorganisationen, die während des Höhepunktes des Bürgerkriegs in Angola humanitäre Hilfe geleistet und sich am Wiederaufbau beteiligt haben. Seit Abschluss des Friedensabkommens 2002 wurde daraus ein langfristiges Entwicklungsprogramm, das sich in erster Linie mit der integrierten ländlichen Entwicklung (Existenzgrundlagen und Selbstbestimmung der Gemeinschaften) und jetzt mit Landprojekten befasst.
*Keine Angabe des Familiennamens auf Wunsch der interviewten Personen
LWB-Bericht: "Community Empowerment for Land Rights in Angola"