LWB-Generalsekretärin Anne Burghardt und Maria Immonen, Direktorin der LWB-Abteilung für Weltdienst, sprechen über den Weltflüchtlingstag und den Zustand der Welt
LWB ruft zu Solidarität, Handeln und Rechenschaft auf
(LWI) – Am Weltflüchtlingstag hat sich die LWI mit Generalsekretärin Dr. Anne Burghardt (AB) und Maria Immonen (MI), Direktorin der LWB-Abteilung für Weltdienst getroffen und über die Welt gesprochen, in der wir leben.
Der Weltflüchtlingstag bietet die Gelegenheit, sich den Zustand der Welt anzuschauen. Was ist für Sie an diesem Tag besonders wichtig?
AB: Die Menschen und ihre Gemeinschaften sind heute mit zahlreichen Krisen einer so noch nie erlebten Komplexität konfrontiert: In der vergangenen Woche sind fast 100 Menschen auf dem Mittelmeer gestorben, und noch mehr sind verschollen; Schulkinder wurden entführt und einige offenbar bei einem terroristischen Anschlag in Uganda getötet; es gibt eskalierende Gewalt in Israel und Palästina; Hunderte von Menschen wurden von einem Sektenführer in Kenia in den Massenselbstmord getrieben; und der militärische Konflikt im Sudan vertreibt Menschen in die Nachbarstaaten, die selbst instabil sind.
MI: Wir sollten auch die Krise in Myanmar erwähnen, die es immer noch gibt, die aber fast vergessen scheint. Haiti ist auf dem besten Wege, ein zerfallender Staat zu werden, nicht in der Lage, die Existenz seiner Bürgerinnen und Bürger zu sichern oder sie zu schützen, und der Krieg in der Ukraine geht immer weiter, mit regelmäßigen Drohungen, ihn zu einem Atomkrieg eskalieren zu lassen; es gibt extreme Wetterereignisse wie tödliche Wirbelstürme in Indien und Brasilien, um nur einige zu nennen.
Der LWB hat Gebete und eine Solidaritätsbekundung nach den tragischen Ereignissen im Mittelmeer veröffentlicht. Was können wir tun, damit sich solche Tragödien nicht wiederholen?
AB: Das Leid und der Tod von Migrierenden, Asylsuchenden und Geflüchteten ist nicht hinnehmbar. Die Menschen, die versuchen, sich auf dem Weg über das Mittelmeer in Sicherheit zu bringen und sich dabei in die Hände von Menschenschmugglern begeben, müssen eine sichere Option haben. Die internationale Gemeinschaft muss konsequente Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit von Migrierenden, Asylsuchenden und Geflüchteten sicherzustellen und diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die Geld mit dem Leid der vor Krieg und Not fliehenden Menschen verdienen. Weiterhin müssen die Regierungen der Länder der Europäischen Union und der Transitländer zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie sich nicht an internationales Recht halten.
AB: Die Menschen und die Gemeinschaften stehen im Mittelpunkt dieser Krisen. Einige von ihnen sind äußerst verletzlich aufgrund anderer Probleme wie Armut, Menschenrechtsverletzungen oder unterschiedlicher Formen von Diskriminierung. Viele unserer Mitgliedskirchen, Partnerorganisationen und Gemeinschaften, denen wir weltweit dienen, sind von diesen Krisen betroffen und müssen gemeinsam darauf reagieren. Der LWB wird in vielerlei Hinsicht tätig und leistet lebensrettende humanitäre Hilfe und Advocacy-Arbeit, bietet Wegbegleitung an und hilft mit Solidaritätsbekundungen und Gebeten.
MI: Wenn wir uns als Kirchen und mit den Länderprogrammen der Abteilung für Weltdienst in diesen komplexen Krisen wiederfinden, ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass sie durch ihre Dienste und ihr Zeugnis eine wichtige Funktion bei der Lösungsfindung auf lokaler, nationaler und globaler Ebene übernehmen. Unsere Vision für eine gerechte, friedliche und versöhnte Welt ist gerade in diesen Zeiten nach wie vor relevant.
Viele dieser Krisen, mit denen die Welt heute konfrontiert ist, sind humanitäre Krisen. Was kann der globale humanitäre Sektor hier leisten, und ist dieser Einsatz adäquat?
MI: Zahlreiche dieser Krisen sind darauf zurückzuführen, dass die Politik und andere Personen in Führungspositionen ihre Arbeit nicht machen und es zulassen, dass Differenzen zu einem bewaffneten Konflikt eskalieren, die Verzweiflung der Bürgerinnen und Bürger erhöhen und sie dazu veranlassen, verzweifelte, lebensbedrohliche Entscheidungen zu treffen. Gleichzeitig steht der humanitäre Sektor selbst unter Druck, da finanzielle Ressourcen fehlen, um in Not geratene Menschen adäquat unterstützen zu können.
Heute begehen wir den Weltflüchtlingstag, und mehr als 108 Millionen Menschen sind zwangsvertrieben worden. Was unternimmt der LWB dagegen?
MI: Der LWB ist weiterhin im Einsatz, um den Menschen in langanhaltenden Krisensituationen, militärischen Konflikten und Klimakatastrophen durch seine humanitäre und Entwicklungsarbeit zu helfen. Alle unsere Programme führen wir in Bereichen durch, in denen die Not weiter zunimmt und die verfügbaren Ressourcen für ihre Bewältigung nicht ausreichen.
Wir sind in Haiti im Einsatz und helfen einer Bevölkerung, die nach Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten voller Gewalt erschöpft ist. Wir versuchen, ihnen eine Lebensgrundlage zu geben und ihnen Zugang zu sauberem Wasser zuzusichern.
Wir beteiligen uns an der Aufnahme von Geflüchteten, die der Gewalt und den ethnischen Säuberungen im Sudan in Darfur, im Tschad, im Südsudan und in Äthiopien entkommen wollen.
Wir arbeiten in Myanmar mit Bevölkerungsgruppen, die mit enormen und komplexen Herausforderungen in einem Konflikt konfrontiert werden, der durch einen Megazyklon noch verschärft wird und der Häuser, Infrastrukturen und Existenzgrundlagen zerstört hat.
AB: Die Politik und die Staats- und Regierungschefs weltweit müssen sich stärker engagieren und Wege aufzeigen, damit die Waffen schweigen, Feindseligkeiten eingestellt und humanitäre Korridore geöffnet werden und letztlich Friedensverhandlungen in allen konfliktbefangenen Regionen stattfinden. Der LWB ist im Einsatz, um den Schmerz und das Leid der betroffenen Menschen und Gemeinschaften zu lindern, aber wir wollen auch die eigentlichen Ursachen dieser Krisen benennen. Der LWB kann diese Konflikte nicht sofort beenden. Aber wir werden weiterhin Advocacy-Arbeit leisten und zu Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung aufrufen.