Chey Mattner beendet seine Tätigkeit als Programmleiter für den LWB-Weltdienst und gibt Einblicke in seine Kindheit im ländlichen Australien, die einen Anteil am Verlauf seiner beruflichen Karriere hatte.
Auf der Rückreise nach Down Under betrachtet Chey Mattner seinen Weg zum Verantwortlichen für die Koordinierung der Weltdienst-Programme
(LWI) – Allen, die es gewohnt sind, in den Büros des Lutherischen Weltbundes (LWB) Kopf und Schultern von Chey Mattner über seinen Kolleginnen und Kollegen aufragen zu sehen, fällt es vermutlich schwer, sich ihn als kleinen Jungen auf einem Fahrrad vorzustellen, der mit seinem Bruder und seinen zwei Schwestern beim Spielen im entlegenen australischen Outback „eine Menge Unsinn anstellte“.
Doch genau dort begann sein Weg. Er war das älteste Kind eines Wanderpfarrers, der seine Frau und seine Kinder mitnahm in die ländliche Gegend von Südaustralien, New South Wales und Alice Springs, „wo es auf Tausenden von Kilometern nichts gab außer Wüste“. Auch wenn es einigen ganz anders wird bei dem Gedanken, unter derart herausfordernden Bedingungen kleine Kinder großzuziehen, ist es Mattner im Gedächtnis geblieben als „eine wundervolle Kindheit, wo wir im Dreck Fußball nach australischen Regeln spielten, während daneben Schafe das wenige Gras rupften, das dort wuchs“.
Damals, so erinnert er sich, „gab es kaum technische Gerätschaften, und einmal hatten wir auch keinen Fernseher, deshalb mussten wir selber für unsere Unterhaltung sorgen.“ Es war eine Kindheit, „die mich stark geprägt hat, und im Rückblick merke ich, wieviel ich in diesen Jahren gelernt habe“, sagt er und merkt an: „In meiner Kindergartengruppe gab es genauso viele Aborigine-Kinder wie weiße Kinder.“ Ihm fällt ein, dass sein Vater mit den Aborigine-Ältesten manchmal eine oder zwei Wochen auf einen „Walkabout“ ging, bei dem sie in ausgetrockneten Flussbetten übernachteten. Lebhaft im Gedächtnis geblieben ist ihm dabei „der üble Geruch bei seiner Rückkehr, weil er sich nicht gewaschen hatte, und dass meine Mutter ihn deshalb nicht ins Haus ließ, bis er seine Kleidung gewechselt hatte!“
Der Lutherische Weltdienst in Australien
Springen wir vor zum Ende seiner Schulzeit. Wie viele andere junge Australierinnen und Australier unternahm auch Mattner eine Rucksacktour durch Europa. Er arbeitete eine Weile in England, bevor er nach Ecuador und Japan zog, um dort Englisch als Fremdsprache zu unterrichten. Auf seinen Reisen besuchte er einmal seinen Großonkel, Brian Neldner, der als Direktor des LWB-Weltdienstes tätig war. Beim Abwasch erkundigte sich der 17jährige Chey beiläufig, ob sein Onkel ihm auch einen Job beschaffen könnte. Seine Bitte wurde freundlich, aber bestimmt abgelehnt.
Ohne sich davon abschrecken zu lassen, kehrte er nach Australien zurück. 2008 bekam er eine Stelle als Programmmanager beim Lutherischen Weltdienst in Australien, der auswärtigen Entwicklungshilfe- und Bildungseinrichtung der lutherischen Kirche von Australien und Neuseeland. Er durchlief einen raschen Lernprozess bei einem Chef, „der mich ins kalte Wasser warf und mich Besuche im Südsudan und Mosambik, Strategieberichte in Nepal und Kenia sowie Lageeinschätzungen in Kambodscha begleiten ließ, und das alles im ersten Jahr, damit ich rasch ein Verständnis dafür entwickelte.“
2013 stieg er vom Programmmanager zum Exekutivdirektor auf. Besonders stolz ist er auf den Abschluss „einer zwei Jahre dauernden rigorosen Rechnungsprüfung, um unsere Partnerschaft mit der australischen Regierung beizubehalten“. Er entsinnt sich, dass während des Audits „der Ausschuss sagte, es sei die härteste Rechnungsprüfung gewesen, die ihrer Erfahrung nach je durchgeführt wurde, und im Rahmen dieses Prozesses erkannten wir, wie wertvoll unsere Verbindungen zum LWB sind.“ Im Anschluss gab es in Cheys Haus Pizza und Sekt für die Angestellten und den Ausschuss.
Doch nicht alle seine Projekte waren ganz so erfolgreich. Erkundigt man sich nachdrücklich nach den größten Herausforderungen in dieser Zeit, fällt ihm eine Reise mit seiner damaligen Verlobten (und jetzigen Ehefrau) Libby in den Südsudan ein, wo er ihr zeigen wollte, wie gut man sich dort um die Angestellten kümmert. „Ich dachte mir, wenn ich sie in ein Land mitnehme, das damals und wahrscheinlich noch immer als eines der gefährlichsten gilt, dann würde sie sich keine Sorgen machen, egal, wohin ich gehe.“
Zusammen reisten sie in die ehemalige LWB-Hauptverwaltung in Torit, dann runter nach Ikotos, wo sie in einem Tukul, einer traditionellen Strohhütte, übernachteten. In der Nacht wurde das Anwesen von Viehdieben umstellt, die sich mit dem Viehbesitzer ein Feuergefecht mit Maschinengewehren lieferten („Es ging vermutlich nur ein paar Minuten, doch es fühlte sich an wie Stunden, während wir in Deckung blieben, damit wir nicht ins Kreuzfeuer gerieten.“) Auch wenn seine Strategie bei dieser Gelegenheit nicht aufging, so beeilt sich Mattner darauf hinzuweisen, dass man „im Großen und Ganzen weiß, dass man beim LWB in guten Händen ist, vor allem jetzt mit unserem stärkeren Sicherheits- und Schutzkonzept.“
2018 bewarb er sich erfolgreich auf die Stelle als Einsatzleiter beim Weltdienst mit Sitz in Genf. Mattner erinnert sich: „Es war schon beängstigend, denn es bedeutete, dass wir mit unserer jungen Familie auf einen anderen Kontinent ziehen mussten.“ Seit damals leitete er ein Team aus erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, die in den 27 Ländern arbeiten, in denen der Weltdienst tätig ist, um an einigen der herausforderndsten Orte der Welt Notfall- und Entwicklungshilfe zu leisten.
Er sagt, er sei „in der äußerst glücklichen Lage gewesen, alle unsere Länderprogramme besucht zu haben, außer denen in der Zentralafrikanischen Republik, Angola und der Ukraine“ – und das, obwohl er einem bereichsübergreifenden Team angehörte, das vier an die Ukraine angrenzende Länder bereiste, um zu sehen, wie die Kirchen mit dem Weltdienst in der Notfallhilfe für die vor dem Krieg fliehenden Menschen zusammenarbeiten können. Dieser Konflikt und davor der Ausbruch der Corona-Pandemie hatten ihm in seiner Führungsposition besonders viel abverlangt: als Leiter einer COVID-Task-Force, so sagt er, „wusste ich, dass wir schnell handeln mussten, um sicherzustellen, dass die Menschen in unseren Länderprogrammen geschützt waren, Zugang zu korrekten Informationen hatten und ihre unverzichtbare Arbeit fortsetzen konnten.“
Nach annähernd sechs Jahre in Genf ist Mattners Familie jetzt auf dem Weg zurück nach Australien, wo Chey seine Arbeit als Berater für den LWB fortsetzen und dessen neuen Strategieprozess leiten wird. Was wird ihm am meisten fehlen (abgesehen von seinen Kolleginnen und Kollegen bzw. seinen Freundinnen und Freunden)? „Mit meinem Sohn im Sommer auf dem Pier am Genfer See zu stehen und Barsche zu angeln oder abends schwimmen zu gehen – vor allem, weil man in dem See nicht von irgendwas gefressen wird!“
Angeln gehört zu seinen liebsten Freizeitbeschäftigungen, und er freut sich schon darauf, in Australien das Fliegenfischen auszuprobieren. Vor allem aber ist er „begierig darauf, die Familie wiederzusehen“ und „den Tempowechsel“ zu erleben, den ihm sein Heimatland bieten kann. „Kleine Dinge, wie mit der Familie zum Strand fahren, und ein Hund motivieren mich richtig und geben mir die Energie, dieses neue Kapitel in meinem Leben aufzuschlagen.“