Brian Neldner, ehemaliger Direktor des LWB-Abteilung für Weltdienst, hat über vier Jahrzehnte die humanitäre Hilfe und Entwicklungsarbeit des LWB mitgestaltet.
Brian Neldner, ehemaliger Weltdienst-Direktor, wird 90
(LWI) – Von der Neuansiedlung von Geflüchteten in einer australischen Kleinstadt bis hin zu einer der grössten ökumenischen Hilfsaktionen für Geflüchtete: Brian Neldner, ehemaliger Direktor der LWB-Abteilung für Weltdienst, hat über vier Jahrzehnte die humanitäre Hilfe und Entwicklungsarbeit des LWB mitgestaltet.
Die Lutherische Weltinformation hat sich mit Neldner getroffen und auf seine Jahrzehnte im Dienst des LWB zurückgeschaut. Der Raum, in dem wir uns treffen, könnte auch ein Büro des LWB an einem seiner Aussenstandorte sein: Im Hintergrund sind – wie eine Tapete – Regale mit Ordnern zu sehen, und der Schreibtisch ist voller Papiere. Neldner schreibt gerade seine Memoiren und hat erst vor kurzem gelernt, wie man Videointerviews über Skype führt. „Ich bin etwas langsamer geworden“, sagt er lachend. Während des Gesprächs erinnert er sich mühelos an Einzelheiten, Orte und Namen aus Baglung, Nepal, Tansania, der mauretanischen Wüste und Dresden, Deutschland.
Von Bonegilla nach Daressalam
Neldner stammt aus einer Winzerfamilie aus dem berühmten australischen Weinbaugebiet Barossa Valley. Es war deshalb keine naheliegende berufliche Entscheidung, sich in der Entwicklungshilfe zu engagieren. Trotzdem absolvierte Neldner eine Ausbildung als Ingenieur und arbeitete ab 1955 für den australischen lutherischen Weltdienst im Bonegilla Migrationszentren, wo er Menschen aus den baltischen Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg half, eine neue Heimat zu finden. Fünf Jahre später wurde er Vertreter des LWB-Weltdienstes für Australien.
1964, frisch verheiratet und „ganz glücklich in Australien“, erhielt er eines Tages am frühen Morgen einen Anruf von Pfarrer Bruno Muetzelfeldt, damals Leiter des LWB-Weltdienstes mit dem Angebot, das Programm in Tansania zu leiten, damals bezeichnet als Christlicher Flüchtlingsdienst von Tanganjika. „Ich nahm in der Kirche an einem langen Treffen der Landwirte teil“, erinnert sich Neldner. „Als ich nach Hause kam, hatte meine Frau über den Vorschlag nachgedacht. Also rief ich den LWB am Montagmorgen an, und drei Wochen später waren wir weg.“
Zu dieser Zeit erwarteten die Neldners ihr erstes Kind. Die nächsten neun Jahre sollte die Familie in Ostafrika verbringen. Wie das LWB-Programm in Tansania auf die Beine gestellt wurde, sollte eine Blaupause für zahlreiche andere LWB-Länderprogramm werden und beruhte auf der Zusammenarbeit mit Ortskirchen und Mitarbeitenden unterschiedlicher Glaubensrichtungen. Eine dieser Mitarbeitenden war die Hofdame der Königin von Nepal, „eine gläubige Hindu“, wie Neldner sich erinnert. Sie hat viele Jahre für den LWB gearbeitet, zuerst in Nepal, später für das Programm in Tansania.
1973 zog Neldner nach Genf und wurde Leiter der Einsatzabteilung des Weltdienstes. Damals zeichnete sich bereits eine grosse Hungerkatastrophe in Äthiopien ab. Neldner nahm an einer gemeinsamen lutherisch-katholischen Erkundungsmission teil. Das Team besuchte die von einer Dürre heimgesuchten Provinzen Wollo und Tigray im Norden des Landes und warnte vor einer schweren humanitären Krise.
Das Beispiel des barmherzigen Samariters
Ralston Deffenbaugh, der 1981 zum LWB kam, die Advocacy-Arbeit für Menschenrechte leitete und später stellvertretender Generalsekretär für Menschenrechte wurde, erinnert sich an Neldners bedingungsloses Engagement für Menschen in Not und für den Schutz seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich habe immer darauf geachtet, „dass der LWB keine öffentlichen Erklärungen abgegeben hat, die die Arbeit des Weltdienstes gefährdet hätten“, erinnert sich Deffenbaugh. „Brian ging – und geht – es immer darum, für Menschen humanitäre Hilfe zu leisten. Es wusste, dass weniger Menschen in einem Land hungrig zu Bett gehen, wenn der LWB dort in Einsatz ist."
Gemeinsam haben sie Wege gefunden, Menschenrechtsverletzungen zu kritisieren, ohne das Team in Gefahr zu bringen. „Der barmherzige Samariter hat nicht gefragt: Wer trägt die Schuld? Er hat vielmehr einen Menschen in Not gesehen, seine Kreditkarte gegeben und gesagt: Schreib es auf meine Rechnung“, erzählt Neldner.
Die humanitären Hilfsmaßnahmen während der Hungerkatastrophe in Äthiopien werden bis heute mit Neldner in Verbindung gebracht. Als Mitglied einer Erkundungsmission für die Joint Relief Partnership (JRP), einer Hilfspartnerschaft äthiopischer kirchlicher Organisationen, konnte er den Hunger in den so genannten Feeding-Camps mit eigenen Augen sehen. „Wenn es eine Sache während meiner beruflichen Laufbahn gegeben hat, die mich traumatisiert hat, dass sind es meine Erlebnisse in Äthiopien“, sagte er. „Das verfolgt mich bis heute, und ich werde immer noch emotional, wenn ich daran zurückdenke, was ich dort gesehen habe – mehr als in jedem anderen Land.“ Die JRP hat in 18 Monaten 625 Millionen Dollar gesammelt, das ist fast ein Fünftel der gesamten internationalen Geldtransfers, die damals zur Bekämpfung der Hungersnot geleistet wurden.
Lutherische Stiftung
„Ich erlebe jeden Tag, welche Auswirkungen seine Arbeit, seine Visionen, sein Mut und sein Engagement für das Leben und die Würde der ärmsten und am stärksten marginalisierten Gemeinschaften überall auf der Welt haben“, schreibt Maria Immonen, Direktorin der LWB-Abteilung für Weltdienst in ihrer Gratulation an Neldner. „Sie haben den Weltdienst entscheidend geprägt und dafür gesorgt, dass der Mensch im Mittelpunkt steht und dass sich eine von Prinzipien und Mitgefühl geleitete humanitäre Arbeit auch weiterhin jedes Jahr an den Bedürfnissen von Millionen von Menschen orientiert.“
Von 1991 bis zum Wechsel in den Ruhestand 1995 war Neldner Direktor des LWB-Weltdienstes. In dieser Zeit hat der LWB eine starke Partnerschaft mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) aufgebaut und in den 1990er Jahren einen „tiefgehenden Dialog“ mit muslimischen Organisationen über das Flüchtlingsthema ins Leben gerufen. Das eigentliche Leitprinzip seiner Arbeit war für ihn jedoch immer die lutherische Identität des LWB. „Je mehr ich in der Welt im Einsatz war, umso wichtiger wurde es, dass ich mir meiner lutherischen Wurzeln bewusst war“, erklärte Neldner abschließend.