Südafrika: Der Berufung ins Leitungsamt gefolgt

2. Jun. 2023

Im folgenden Interview erzählt Naledzani Josephine Sikhwari, die erste Bischöfin einer lutherischen Kirche auf dem afrikanischen Kontinent, von ihrem persönlichen Werdegang.

Bischöfin Naledzani Josephine Sikhwari

Bischöfin Naledzani Josephine Sikhwari bei der Afrika-Vorversammlung in Nairobi, Kenia. Foto: LWB/A. Hillert

Bischöfin Sikhwari über ihren Werdegang bis hin zum ersten weiblichen Oberhaupt einer lutherischen Kirche in Afrika

(LWI) – „Wenn Gott dich ruft, widersetze dich nicht und scheue nicht vor der Aufgabe zurück, denn bei Gott sind alle Dinge möglich.“ Bischöfin Naledzani Josephine Sikhwari von der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Südlichen Afrika (ELKSA) spricht aus ihrem tiefsten Inneren, wenn sie sich in Erinnerung ruft, wie sie versucht hat, Widerstand zu leisten gegen die Berufung auf einen Weg, der sie zur ersten weiblichen Bischöfin einer lutherischen Kirche in Afrika werden ließ.

Sikhwari ist in einem kleinen Dorf in der Nähe von Thohoyandou in der Provinz Limpopo im Norden Südafrikas geboren und aufgewachsen. Nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Studiums an der Universität Venda Ende der 1980er Jahre hat sie zunächst einige Jahre als Lehrerin gearbeitet. Trotz der zunehmenden Proteste in Südafrika und international hielt das Apartheid-Regime damals die Fäden noch fest in der Hand und die Regierung ging hart vor gegen Kirchenleitende, die sich ihrer Politik der strengen Rassentrennung widersetzten.

„Ich muss gestehen, dass ich zunächst deutlich Nein sagte, als ich den Ruf in mir vernahm, denn Menschen gingen dafür ins Gefängnis. Warum also sollte ich Pastorin werden wollen?“, so Sihkwari. „Außerdem stamme ich aus einer armen Familie. Von mir wurde erwartet, dass ich nach dem Abschluss meines Studiums arbeiten gehe, um für meine Familie Essen auf den Tisch zu bringen.“

Obwohl ihre Kirche sich bewusst für die Ordination von Frauen entschieden hatte, gab es bis dahin nur wenige Vorbilder, die ihr hätten Mut machen können. Aber die Ältesten ihrer Kirche unterstützten sie und machten ihr Mut, und überzeugten sie schließlich, ihre Angst zu überwinden.

Mögen Sie uns kurz von Ihrer Familie und Ihrer Kindheit in der Kirche berichten?

Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der niemand in die Kirche ging. Aber ein Lehrer ermutigte meinen Bruder und mich, in die Sonntagsschule zu gehen. Irgendwann trat ich – ebenfalls dank seiner Unterstützung – dann auch in die Kirche ein. Aber es war nicht einfach damals, weil Pastorinnen und Pastoren immer wieder verhaftet wurden und auch die Kirche insgesamt geriet mehrfach in große Schwierigkeiten.

Wer oder was hat Sie dann überzeugt, trotz all dieser Probleme Theologie zu studieren?

Obwohl ich meine Berufung zu ignorieren versuchte, stieg der Druck in mir und wurde schließlich zu einer brennenden Leidenschaft. Irgendwann habe ich mit den Kirchenältesten in meiner Gemeinde darüber gesprochen und sie haben mir geholfen, zu erkennen, dass Gott eine Aufgabe für mich hatte und ich daher meine Angst hinter mir lassen und darauf vertrauen sollte, dass Gott mich beschützen würde.

Mir war klar, dass es kein einfacher Weg werden würde und dass mir Probleme begegnen würden, aber Gott war ja auch bei Daniel, Schadrach, Meschach und Abed-Nego gewesen, war mit Paulus und Petrus im Gefängnis gewesen, also würde es doch sicher auch an meiner Seite sein. Wenn Gott uns zu etwas beruft, lässt er uns nicht allein. Er geht mit uns durch tiefe Wasser und durch die Dunkelheit und bringt uns sicher ans andere Ufer.

Wie haben Sie Ihre Eltern überzeugt? Sie wollten eigentlich, dass Sie arbeiten gehen, anstatt sich für das Pfarramt ausbilden zu lassen.

Weil mein Vater nicht mehr arbeitete, wurde von mir erwartet, dass ich das Familieneinkommen verdiene. Ich bin das älteste Kind in meiner Familie und mein Bruder arbeitete zwar, musste aber seine eigene Familie versorgen.

Als ich meinen Eltern erzählte, dass ich mich gerne für das Pfarramt ausbilden lassen wollte, kam keine Reaktion. Sie sagten einfach gar nichts. Zum Glück muss man sich in unserer Kirche ein Jahr Zeit nehmen, bevor man wirklich mit der Ausbildung beginnen kann; also habe ich ein freches Gebet formuliert: „Gott, wenn du mich wirklich zu diesem Dienst berufst, musst du meine Eltern überzeugen, dass sie es mir erlauben.“

Im September jenes Jahres waren meine Eltern dann soweit. Mein Vater kaufte mir eine Reisetasche und mit meiner Mutter sprach ich darüber, dass ich mein Studium an der Universität Kwazulu Natal – Pietermaritzburg aufnehmen würde. Ich freute mich sehr, dass sie meinen Wunsch respektierten. Meine Mutter ist leider gestorben bevor ich meine ersten Führungsaufgaben übernahm und hat es daher nicht mehr miterlebt; aber mein Vater, der 2021 verstorben ist, hat mich immer unterstützt.

2006 wurden sie als erste Frau in der Synode der Nördlichen Diözese zur Dekanin gewählt – mit welchen Herausforderungen waren Sie konfrontiert?

Sowohl für meine Familie als auch für die Kirche insgesamt war es ein wichtige Errungenschaft, erstmals in der gesamten ELKSA eine Frau zur Dekanin gewählt zu haben. Unser Kirchenkreisrat hat das Ganze sehr unterstützt und meine Stimme wurde gehört, ich konnte Vorschläge machen und die Initiative ergreifen.

Etwas überrascht hat mich, dass ich enorme Unterstützung vonseiten der Frauen erwartet hatte, die die Mehrheit der Mitglieder meiner Kirche stellen. Aber einige von ihnen waren mir und den Veränderungen, die ich anstoßen wollte, gegenüber ziemlich misstrauisch. Ich denke, das liegt daran, dass wir in einer immer noch patriarchalen Gesellschaft leben, in der Frauen immer noch den männlichen Führungspersonen folgen sollen. In unserer Kirche wurde bisher noch keine Frau zur Vorsitzenden eines Kirchenkreises oder zur Präsidentin einer Synode gewählt.

Was tun Sie, um andere junge Frauen zu ermutigen, in Ihre Fußstapfen zu treten?

Immer wenn ich an Aktivitäten für Jugendliche oder junge Erwachsene teilnehme oder in Gottesdiensten ermutige ich diese jungen Frauen, zu verstehen, dass die Gehirne in unseren Köpfen die gleichen sind wie die Gehirne in den Köpfen junger Männer. Wenn sie mich persönlich sehen, glauben sie daran, dass sie das auch können; und die Zahl der jungen Frauen, die sich für den Pfarrdienst ausbilden lassen, steigt tatsächlich nach und nach.

Geschlechtsspezifische Gewalt ist ein weit verbreitetes Problem für Frauen in Südafrika, richtig?

Diese Art von Misshandlung ist in Südafrika zu einer Pandemie erklärt worden, ja; junge Mädchen werden von Männern vergewaltigt, die ihnen am nächsten stehen – von ihren Brüdern und Vätern, ihren Onkeln und Nachbarn. Und gleichzeitig werden diese Übergriffe nicht aufgearbeitet, weil viele Menschen immer noch an das Klischee glauben, dass Frauen lieber beten sollen, anstatt um Hilfe zu bitten, wenn sie die Regie über ihr eigenes Leben übernehmen wollen.

Die Kirche versucht zu helfen, indem sie den Frauen Hilfe und Unterstützung anbietet und den Männern Beratungsangebote macht. Wir appellieren dringend an sie, über ihre Probleme zu sprechen, damit wir ihnen helfen können, zu verstehen, dass es andere Möglichkeiten gibt, als ihren Ärgern an unschuldigen Menschen auszulassen.

Auf der vorbereitenden Tagung zur LWB-Vollversammlung in Afrika vor Kurzem haben Sie gesagt, dass Rassismus „eine Wunde im Leib Christi“ ist – was heißt das im heutigen südafrikanischen Kontext?

Wir können nicht behaupten, der eine Leib Christi zu sein, wenn wir nicht bereit sind, uns zusammenzusetzen und über die gemeinsamen Herausforderungen zu sprechen. Ein Beispiel hierfür ist die Theologie-Ausbildung in Pietermaritzburg, wo Schwarze und Weiße Studierende früher in den gleichen Studierendenwohnheimen untergebracht waren, aber heute wieder getrennt leben und nicht einmal die gleichen Kurse besuchen. Die Kluft wird also wieder tiefer.

Wir haben begonnen, uns mit unserer Schwesterkirche, der Nordöstlichen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Südafrika (NELCSA), zu Gesprächen über Einheit zusammenzusetzen, um zu zeigen, dass wir zwar unterschiedliche Hautfarben haben, aber das nicht heißt, dass wir als lutherische Gläubige gespalten sein müssen. Als ich das Oberhaupt dieser Kirche getroffen hab, hat er mir berichtet, dass seine Gemeinden zum Teil nur aus wenigen Familien bestünden. Und trotzdem wollten vor allem die älteren Generationen an ihrer Sprache, ihrer Kultur und ihren Bräuchen festhalten. Sie würden den Tisch des Herrn nicht mit anderen teilen, auch wenn das bedeuten würde, dass sie nur einmal im Jahr einen Abendmahlsgottesdienst feiern können.

Wie können Sie zur Förderung von Einheit und Versöhnung zwischen diesen gespaltenen Gemeinschaften beitragen?

Wir müssen einander in die Augen schauen und versuchen, die Herausforderungen zu verstehen, mit denen die jeweils anderen konfrontiert sind. Die meisten unserer Schwarzen Gemeinden sind weit draußen auf dem Land, wo die meisten Menschen kein Englisch sprechen und erst recht kein Deutsch. Und dennoch gehen die Weißen Pastorinnen und Pastoren nach dem Ende ihres Studiums für ein Jahr nach Deutschland, weil das die Sprache ist, die sie sprechen.

Aber wir setzen uns weiterhin zusammen und bleiben im Gespräch und werden eine Konferenz organisieren, um uns mit diesen Themen zu beschäftigen. Wir müssen verstehen, dass Einheit nicht gleichbedeutend ist mit Einheitlichkeit oder Uniformität. Aber wir müssen unsere Fehler zugeben und verstehen, dass wir als Schwestern und Brüder, als Kinder eines Gottes zueinanderfinden müssen.

Sie werden im September an der LWB-Vollversammlung in Krakau teilnehmen – was erhoffen Sie sich von dieser globalen Zusammenkunft?

Als ich bei der vorbereitenden Tagung zur Vollversammlung Kenia war, hat mich sehr begeistert, was ich dort erlebt habe, und auch die Unterstützungsversprechen, die ich von sehr vielen Menschen aus sehr vielen Ländern erhalten habe, haben mich beflügelt. Zu wissen, dass Menschen an vielen verschiedenen Orten für mich beten, weil ich die erste Bischöfin in Afrika bin, war ein Geschenk.

Von Krakau erwarte ich, dass ich von anderen Kirchen etwas darüber lernen kann, wie wir die Frauen bei uns im Pfarrdienst unterstützen können. Ich möchte gerne wissen, was in Amerika und Deutschland gemacht wird, und ich möchte gerne verstehen, welche Vorgehensweisen und Strategien sie dort umsetzen, damit ich diese mit nach Hause bringen und hier auch umsetzen kann. Die Menschen in meiner Kirche sind sehr stolz und beten, dass ich sie in Krakau vernünftig vertreten werde, und sie beten, dass ich ihnen von allem berichte, was ich in Krakau lerne.

LWB/P. Hitchen