Kritische Analyse der Rolle des Glaubens bei der Entwicklung von Gesellschaften
Die Beziehung zwischen religiösen Organisationen und säkularen Einrichtungen, die den menschlichen, sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt in der Gesellschaft gestalten, werden im Fokus einer internationalen Konferenz stehen, die der Lutherische Weltbund (LWB) vom 21.-25. Oktober gemeinsam mit Mission Eine Welt in Neuendettelsau in Süddeutschland organisiert.
An die 70 Kirchendelegierte, WissenschaftlerInnen, säkulare EntwicklungshelferInnen und politisch Verantwortliche werden an der Konferenz teilnehmen und sich mit der Frage beschäftigen, welchen Beitrag die Religion in einer Zeit, in der das „westliche Entwicklungsmodell“ sich als ungeeignet erwiesen hat, zur Schaffung eines dauerhaften Friedens in Gerechtigkeit beitragen kann.
„Siebzig bis achtzig Prozent der Menschen in Afrika, Asien, Lateinamerika und der Karibik – wo der Grossteil der Entwicklungsarbeit geleistet wird – gehören Religionen an und sehen die Welt mit religiösen Augen. Wie können wir in einer solchen Situation sicherstellen, dass Religion nicht ein Hindernis darstellt, sondern einen Beitrag zur Entwicklung leistet?“, fragte Pfr. Dr. Kenneth Mtata, Studienreferent für lutherische Theologie und Praxis in der LWB-Abteilung für Theologie und öffentliches Zeugnis (ATÖZ).
“Meine Hoffnung ist, dass wir mit der Konferenz verschiedene Gruppen und Akteure zusammenbringen. Es gibt viele verschiedene Entwicklungsdiskurse: einen akademischen, einen der Entwicklungsorganisationen und den Diskurs mit Kirchen, Missionswerken und Gemeinden. Ich habe das Gefühl, dass diese Diskurse wegen einer Vielzahl von Gründen nicht zusammenarbeiten. Aber ich glaube auch, dass die Arbeit viel erfolgreicher wäre, wenn sie es täten. Zum Beispiel wenn Entwicklungsorganisationen das große Potential von lokalen Gemeinden wahrnehmen und anerkennen“, sagte Dr. Claudia Jahnel, die Abteilungsleiterin für Mission und Interkulturelle Studien bei Mission Eine Welt, dem Centrum für Partnerschaft, Entwicklung und Mission der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern. Das Centrum unterhält Partnerschaften mit lutherischen Kirchen in Afrika, Asien, Lateinamerika und der Pazifikregion.
Bis in die 1960er Jahre hinein, so Mtata, habe die „weit verbreitete Ansicht“ gegolten, dass Gesellschaften sich in dem Masse, wie sie sich modernisierten, von der Religion zu Gunsten säkularer Weltanschauungen abkehren würden. Als Grund sei unter anderem angeführt worden, dass die hierarchische Struktur der Kirche und einige ihrer Lehren die Ungleichheit der Geschlechter und mangelhafte Beteiligung verstärken würden. Ferner sei die Religion benutzt worden, um rassistische und andere Formen der Diskriminierung zu unterstützen. Die Statistiken zeigten jedoch, so Mtata, dass die Religionszugehörigkeit selbst in Ländern mit schnell wachsenden Volkswirtschaften, wie Brasilien, wachse.
Mtata betonte, religiöse Einrichtungen leisteten auch weiterhin einen riesigen Beitrag im Bildungs- und Gesundheitsbereich. Daher müssten ihre Anstrengungen zur Stärkung von Gesellschaften in Entwicklungsländern bekräftigt und unterstützt werden.
Die Teilnehmenden werden der Frage nachgehen, welche Bedeutung religiösen Organisationen als wichtigen Partnern in der Entwicklungstheorie und politischen Entscheidungsprozessen zukommt, und regionale Fallstudien zur Konsolidierung von Religion und Demokratie hören. Im Fokus werden auch Fragen der Verteilung des Reichtums und ihrer Auswirkungen auf Armut und öffentliche Politik stehen, die sowohl aus christlicher als auch aus der Perspektive anderer Religionen untersucht werden.
Der LWB hofft, dass diese Konferenz einen Beitrag dazu leisten kann, einige Rahmenbedingungen für die Stärkung der Verbindungen zwischen Netzwerken religiöser Organisationen, Kirchen und akademischen Einrichtungen im Bereich Entwicklung zu definieren.
(Beitrag der in Berlin lebenden Journalistin Anli Serfontein für die LWI)