Krankenhaus in Jerusalem schützt Recht der Patienten auf Menschenwürde

5. Okt. 2012
LWB-Generalsekretär Pfr. Martin Junge (li.) und Pfr. Mark Brown (Mi.), Vertreter des LWB/AWD-Programms im Nahen Osten, sprechen mit Shadja Nasser, einer Kinderkrankenschwester am AVK. © LWB/Thomas Ekelund

LWB-Generalsekretär Pfr. Martin Junge (li.) und Pfr. Mark Brown (Mi.), Vertreter des LWB/AWD-Programms im Nahen Osten, sprechen mit Shadja Nasser, einer Kinderkrankenschwester am AVK. © LWB/Thomas Ekelund

Vom LWB betriebenes Krankenhaus und Berufsbildungswerke bieten PalästinenserInnen Hilfe an

Das Auguste Viktoria-Krankenhaus (AVK) mit seinen hochmodernen medizinischen Einrichtungen und Dienstleistungen liegt auf dem östlich von der Jerusalemer Altstadt in Ostjerusalem gelegenen Ölberg.

Nadia ist erst fünf Jahre alt, doch sie kennt die Gänge und die MitarbeiterInnen im AVK, eines vom Lutherischen Weltbund (LWB) betriebenen Krankenhauses, genau. Ihr Vater möchte ihren wahren Namen nicht preisgeben und auch keine Fotos von ihr veröffentlicht wissen, doch gerne erzählt er, dass Nadia ohne die Behandlung am AVK nicht mehr am Leben wäre. Ihre Nieren arbeitet nicht richtig, weswegen sie dreimal in der Woche zur Dialyse in das Krankenhaus kommen muss.

„Der vom Krankenhaus ermöglichte Transport mit Bussen ermöglicht es Nadia, ihr Recht auf die Behandlung, die sie so dringend benötigt, wahrzunehmen“, erläutert er.

Kein anderes Krankenhaus in den besetzten Palästinensergebieten bietet Kinderdialyse an. Auch ist das AVK-Krebszentrum die einzige Einrichtung für Radioonkologie in Ostjerusalem, im Westjordanland und im Gazastreifen. Hals-, Nasen- und Ohren-Chirurgie, Nierenbehandlungen für Erwachsene und Kinder sowie pädiatrische Onkologie sind nur einige Beispiele für die spezialisierten Dienstleistungen, die das Krankenhaus anbietet und die in anderen Krankenhäusern in den besetzten palästinensischen Gebieten schwer zugänglich sind oder gar nicht zur Verfügung stehen.

Hoffnungsschimmer

Als eine LWB-Delegation, zu der LWB-Präsident Bischof Dr. Munib A. Younan und LWB-Generalsekretär Pfr. Martin Junge gehörten, das Krankenhaus am 29. September besuchte, arbeitete Shadja Nasser in der Tagschicht als Krankenschwester auf der Kinderstation. Junge überbrachte ihr und den anderen Mitarbeitenden eine klare Botschaft: „Die ganze LWB-Gemeinschaft identifiziert sich mit dem Auguste Viktoria-Krankenhaus. Das sind 143 Mitgliedskirchen in 79 Ländern auf der ganzen Welt, die mehr als 70 Millionen Christen repräsentieren. Die Arbeit des Krankenhauspersonals ist ein Hoffnungsschimmer und ihre Bedeutung für die gesamte Gemeinschaft enorm.“

Der LWB-Generalsekretär betonte, das AVK spiele eine wichtige Rolle für den Schutz des Rechts auf eine grundlegende Gesundheitsversorgung der PatientInnen und der humanitären HelferInnen in Jerusalem. Das Recht auf Menschenwürde werde hier gefördert und geschützt, insbesondere vor dem Hintergrund der Kontrollposten und Mauern, die für die Schwächsten in der Gesellschaft schwerwiegende Auswirkungen hätten, fügte er hinzu. Heute seien das Krankenhaus und das Programm für die Dörfer in der Region von grosser Bedeutung im Heiligen Land.

Der Generalsekretär erklärte, das AVK versuche, durch Spenden und die Unterstützung von Kirchen, Organisationen und Einzelpersonen sicherzustellen, dass jede und jeder, die oder der eine Behandlung benötigt, auch behandelt werden kann. Die meisten Patienten würden von den palästinensischen Behörden oder dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) an das Krankenhaus verwiesen.

Das Auguste Viktoria-Gebäude wurde 1948 in ein Krankenhaus für palästinensische Flüchtlinge umgebaut und steht den PalästinenserInnen aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen nach wie vor zur Verfügung. Der LWB wurde 1950 als Eigentümer des Krankenhauses eingetragen und steht der UNO seither zur Seite, um sie bei der umfangreichen Arbeit mit den zahlreichen Flüchtlingen zu unterstützen.

„Das AVK verkörpert die Vision des LWB, eine Gemeinschaft in Christus zu sein, die befreit ist, gemeinsam für eine gerechte, friedliche und geeinte Welt zu arbeiten. Die medizinische Versorgung im Krankenhaus steht jeder und jedem zur Verfügung, die oder der sie benötigt, unabhängig von Herkunft, Religion, Nationalität, Geschlecht oder Zahlungsfähigkeit“, erklärte Junge weiter.

Berufsbildungsprogramm

Die LWB-Delegation besuchte ausserdem das LWB-Berufsbildungszentrum in Beit Hanina nördlich von Jerusalem, das seit 1949 junge Männer und Frauen fördert. In diesem Jahr nehmen über 600 Lehrlinge an den Ausbildungsprogrammen in Beit Hanina und Ramallah und den Lehrgängen teil, die an verschiedenen Standorten im Westjordanland angeboten werden. Ausbildungen können in den Bereichen Zimmerei, Auto-Mechanik, Metallverarbeitung, Heizungs- und Sanitärtechnik sowie Elektronik absolviert werden. Der LWB arbeitet derzeit auch an Programmen für andere Handwerksberufe und Gastronomie.

Die Lehrlinge kommen aus Ramallah, Hebron und Nablus sowie aus Dörfer und Städten im gesamten Westjordanland in die Berufsbildungszentren. Das Programm hat zum Ziel, im Rahmen des christlichen Zeugnisses zu Versöhnung und Verständigung zwischen allen Menschen beizutragen.

Die Arbeitslosenrate bei jungen Menschen zwischen 18 und 24 liegt bei 40 Prozent. Trotz dieser ernüchternden Zahlen haben jüngste Umfragen des LWB-Berufsbildungsprogramms ergeben, dass 75 bis 80 Prozent der AbsolventInnen aus den vom LWB-betriebenen Werken eine Stelle in ihrem Ausbildungsbereich finden.

Junge stellte fest, dass die Berufsausbildungsprogramme ein gutes Beispiel dafür sind, welch entscheidende Rolle die Kirchen als Teil der Zivilgesellschaft spielen. Er rief die Regierungsbehörden auf, die Bedeutung von Bildung als Mittel zur Förderung junger Menschen als vollwertige Bürger, die dem Aufbau Gesellschaft dienen, anzuerkennen.

(Für LWI von Thomas Ekelund in Ostjerusalem)