Irak: Ein Jahrzehnt Katastrophenhilfe und Wiederaufbauarbeit

Der LWB leistet im Nordirak seit mehr als einem Jahrzehnt wichtige humanitäre Hilfe und unterstützt die Bevölkerung bei der Wiederherstellung ihrer Lebensgrundlagen. Mehr als ein Drittel der drei Millionen Menschen, die infolge des Terrors des „Islamischen Staates“ vertrieben wurden, sind weiterhin auf der Flucht. Der LWB setzt auf rechtsbasierte und unter lokaler Leitung umgesetzte Lösungen sowie auf Initiativen zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit gegen Klimaveränderungen.

13 Sep 2024
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The LWF Iraq team celebrating 10 years. Almost all staff are national or even local staff. Photo: LWF Iraq

Das Irak-Team des LWB feiert zehn Jahre erfolgreichen Einsatz im Nordirak. Fast alle Mitarbeitenden sind Einheimische oder kommen aus den örtlichen Gemeinschaften. Foto: LWF Irak

LWB: Rückblick auf ein Jahrzehnt Unterstützung vertriebener Gemeinschaften im Nordirak.

(LWI) – Im Jahre 2014 hat der LWB eine Nothilfeaktion als Antwort auf den Terror des „Islamischen Staates“ ins Leben gerufen, der innerhalb eines Jahres zu rund drei Millionen Vertriebenen im Irak geführt hat. Durch das LWB-Weltdienstprogramm in Jordanien hat der LWB lebenswichtige Bedarfsgüter an die Vertriebenen verteilt und dabei besonders die Region Kurdistan im Irak (KRI) versorgt, die der wichtigste Zufluchtsort für den größten Teil der Vertriebenen war.

Hilfe in einer „kritischen Bedarfslage“

„Es herrschte Chaos.“ Nabeel Gorgees, der von Anfang an als Logistikbeauftragter des LWB im Irak im Einsatz war, erinnert sich daran, welche Auswirkungen die massiven Vertreibungen in Dohuk hatten. „Es gab noch keine Lager für Binnenvertriebene. Die Menschen schliefen unter Bäumen und in unfertigen Gebäuden.“ Menschen, die alles verloren hatten, suchten Schutz in Schulen und Kirchengebäuden. Mehrere Familien haben sich einen Raum geteilt, oftmals nur durch Möbel als Raumteiler voneinander getrennt. „Die Sicherheitslage war kritisch, da die Menschen in offenen Notunterkünften und ungeschützten Bereichen lebten.

Gorgees erinnert sich an lange Arbeitstage, „manchmal bis nach Mitternacht“, als das Team und die örtlichen Partner versuchten, diese „massive Bedarfslage“ in einem Rennen gegen die Zeit und den nahenden Winter zu bewältigen. „In dieser Zeit gab es nur einige wenige Organisationen, die in der irakischen Region Kurdistan im Einsatz waren. Wir haben nie damit gerechnet, dass wir einmal mit so einer Krise konfrontiert würden. Der LWB hat Lebensmittel und Bedarfsgüter wie Decken, Kerosinheizöfen und Hygiene-Sets verteilt. Wir haben außerdem Notunterkünfte wie unfertige Gebäude so weit verbessert, dass wir sie beheizen konnten und die Menschen es warm hatten.“

Der LWB hat ebenfalls für psychosoziale Hilfe und besondere Betreuungsangebote für Menschen mit Behinderungen und andere schutzbedürftige Gruppen gesorgt. Dazu gehörten zahlreiche Frauen und Mädchen aus der Gemeinschaft der Jesiden, die der so genannte Islamische Staat versklavt hatte. Der LWB hat ebenfalls die psychosoziale Betreuung besonders jesidischer Frauen und Mädchen übernommen, die vom IS als Sklavinnen missbraucht wurden, in den Vertriebenenlagern sichere Räume eingerichtet und gemeinsam mit örtlichen Partnern Programme zur Traumabewältigung unterstützt.

Rückschlag durch die Pandemie

Da es auch nach dem Ende der Bedrohungen durch den IS zu weiteren Vertreibungen kam, hat der LWB weiterhin Lebensmittel, Wasser und Hygieneartikel verteilt und psychosoziale Hilfsangebote aufrechterhalten. Als die Covid-19-Pandemie ausbrach, hat der LWB sein Lebensmittel-Nothilfeprogramm erneut aufgelegt. Viele Binnenvertriebene hatten bereits Beschäftigung im Niedriglohnsektor gefunden und verloren diese Arbeit wieder aufgrund der Lockdowns während der Pandemie. Damit wurden Familien erneut abhängig von Nahrungsmittelhilfen. Die Pandemie hat ebenfalls zu einem Anstieg der häuslichen und geschlechtsspezifischen Gewalt geführt, so dass die Bekämpfung der „Schattenpandemie“ erneut zu einem Schwerpunkt des Länderprogramms wurde.

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Nabeel Gorgees during a distribution in the program’s early days, in 2014. Photo: LWF Iraq

Nabeel Gorgees bei der Ausgabe von Hilfspaketen zur Anfangszeit des Programms 2014. Foto: LWB Irak

Nach der Pandemie hat das Länderprogramm als Schwerpunkt WASH-Infrastrukturprojekte (Trinkwasser, Sanitärversorgung und Hygiene) durchgeführt, Betreuung und Schutz für Überlebende der IS-Gefangenschaft angeboten und mit den Mitgliedern der Gemeinschaft zusammengearbeitet, um Konflikte zu bewältigen und Vertrauen wiederaufzubauen. Das Länderprogramm hat ebenfalls die Lebensgrundlagen dieser Menschen gesichert. Durch unterschiedliche Weiterbildungsangebote, die unternehmerisches und finanzielles Know-How vermitteln, wurden junge Menschen und ehemalige Geschäftsleute dabei unterstützt, Kredite aufzunehmen und kleine oder mittelgroße Unternehmen zu gründen oder wiederaufzubauen.

Stabile Existenzgrundlagen

Als Pionierprojekt kann hier die PROSPECTS-Initiative bezeichnet werden. Diese öffentlich-private Partnerschaft hat 1.000 Frauen und Männern in den Provinzen Dohuk und Ninawa Beschäftigungsmöglichkeiten geboten. Einige der Teilnehmenden haben bereits ihre Geschäfte erfolgreich wiedereröffnet und beschäftigen Mitglieder der Gemeinschaft.

Heute, zehn Jahre nach dem Fall von Mossul, leben nach wie vor 1,14 Millionen Vertriebene und mehr als 300.000 Geflüchtete im Irak. Nach Aussage von Helan Remzi Muhammed, LWB-Programmkoordinatorin im Irak, sind es sozioökonomische Faktoren, Defizite im Bereich der Menschenrechte und fehlende Rechtsstaatlichkeit, die weiterhin den Handlungsbedarf bestimmen. Marginalisierte Gruppen haben die größten Schwierigkeiten, öffentliche Dienste in Anspruch zu nehmen.

Rebecca Duerst, LWB Länderrepräsentantin für den Irak, beschreibt zukünftige Initiativen, um die Handlungsautonomie örtlicher Gemeinschaften und die Widerstandskraft gegen den Klimawandel zu verbessern und die Klimagerechtigkeit zu fördern. In diesem Monat hat sich das Team jedoch die Zeit genommen, die während der letzten zehn Jahre erzielten Erfolge zu bilanzieren und sich bei den Partnern zu bedanken, die einen wichtigen Beitrag zur Wiederherstellung der Lebensgrundlagen in der Region geleistet haben.

„Ohne unsere Partner hätten wir in den vergangenen zehn Jahren nicht die Erfolge erzielt, die wir vorweisen können. Da wir als zuverlässige Partner gelten und Kenntnisse und Wissen der lokalen Bevölkerung hoch schätzen, haben wir eine große Zahl von Menschen erreicht, voneinander gelernt und unsere gemeinsamen Initiativen gestärkt.“

LWF/C. Kästner-Meyer
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Irak
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