Hoffnung nach dem Trauma der Vergewaltigungen

5. Mär. 2014
In den Flüchtlingslagern im Südwesten Ugandas leben hauptsächlich Frauen und Kinder. Foto: ACT/DCA/Mai Gad

In den Flüchtlingslagern im Südwesten Ugandas leben hauptsächlich Frauen und Kinder. Foto: ACT/DCA/Mai Gad

LWB-Programm in Uganda bemüht um mehr Schutz für weibliche Flüchtlinge aus dem Kongo

(LWI) – Shama (Name geändert) sitzt auf dem Lehmboden im Flüchtlingslager Rwamwanja im Südwesten Ugandas und erinnert sich, wie sie 2010 in ihrem eigenen Haus von vier Männern angegriffen und vergewaltigt wurde. Wenig später wurde die 35-jährige Kongolesin aus der Provinz Nord-Kivu positiv auf HIV getestet. Aus Scham verschwieg sie ihr Schicksal und die erlittene Qual. Die Mutter einer vier Jahre alten Tochter verlor den Kontakt zu ihrem Mann und floh schliesslich Anfang 2012 nach Uganda.

In einem anderen Lager für Flüchtlinge aus der Demokratischen Republik Kongo berichtet die 27-jährige Farida über ähnlich schmerzhafte Erlebnisse während des letzten Jahres. „Zuhause […] wurde ich vergewaltigt. Ich bekam aber erst Hilfe, als ich hier im Flüchtlingslager ankam“, erzählt die alleinerziehende Mutter dreier Kinder.

Die beiden Frauen sind nur zwei von tausenden, deren Leben von Vergewaltigung, sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt in der Demokratischen Republik Kongo gezeichnet sind. Millionen haben seit Beginn des Konfliktes 1998 ihr Leben verloren. Und trotz des 2003 geschlossenen Friedensabkommens, das den Krieg offiziell beendete, fordern immer wieder auftretende Kämpfe zwischen bewaffneten Gruppen Menschenleben. Tausende werden innerhalb des Landes in die Flucht getrieben oder flüchten in die Nachbarländer. Ein erneutes Aufflammen der Gewalt in der Provinz Nord-Kivu hat mehr als 66.000 KongolesInnen bis Ende Dezember 2013 in den Südwesten Ugandas getrieben (UNHCR).

Aber auch in den Ländern, in denen sie Aufnahme finden, werden Flüchtlinge Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt. „Eines Tages habe ich ein Bodaboda (Motorrad-Taxi) gebeten, mich zu einem Markt ausserhalb des Lagers zu fahren. Ich wollte dort Gemüse kaufen, das ich im Lager weiterverkaufen wollte“, erzählt Shama. „Auf dem Rückweg war es bereits dunkel und als der Bodaboda-Fahrer durch ein mit Büschen bewachsenes Gebiet fuhr, hat er angehalten und mich vergewaltigt. Er drohte mich zu töten, falls ich mich wehren oder um Hilfe schreien sollte.“

Im Flüchtlingslager Rwamwanja arbeitet das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) mit humanitären Partnerorganisationen wie dem Lutherischen Weltbund (LWB) zusammen, um die Flüchtlinge, darunter hauptsächlich Frauen und Kinder, zu unterstützen.

Durch das Länderprogramm der Abteilung für Weltdienst (AWD) in Uganda bietet der LWB gemeinschaftlichen Freiwilligengruppen Hilfe im Umgang mit sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt an.

Breiterer Zugang zu Beratung und Familienplanung

Insgesamt 142 Vergewaltigungen wurden zwischen Januar 2013 und Januar 2014 im Flüchtlingslager Rwamwanja gemeldet, in dem mehr als 50.000 Flüchtlinge hauptsächlich aus der Demokratischen Republik Kongo Zuflucht gefunden haben, „Wir legen unterschiedliche psychosoziale Ansätze zu Grunde, um den Opfern zu helfen, so zum Beispiel individuelle Beratung, offene Dialoge, sobald es um ein Paar geht, oder die Einbeziehung der Eltern oder des Vormunds, wenn es sich um ein minderjähriges Opfer handelt“, erklärt Betty Lamunu, Verantwortliche für Monitoring und Evaluation des LWB-Programms in Uganda.

Shama ist heute dank einer LWB-Schulung Sozialarbeiterin im Flüchtlingslager Rwamwanja. Sie hilft Frauen wie Farida Zugang zu Dienstleistungen, beispielsweise zu Familienplanung und Beratung über HIV und AIDS im Gesundheitszentrum des Lagers zu bekommen.

„Wenn ich jetzt zurückschaue, kann ich sagen, dass ich mich heute hier geschätzt und anerkannt fühle – vor Ort, aber auch aus internationaler Sicht“, sagt die 27-jährige Farida. „Die Hilfe, die mir hier zuteilwurde, hat mich gestärkt und unabhängig gemacht, so dass ich seit dem Tod meines Mannes meine Familie selbst ernähren kann.“

Der LWF arbeitet mit dem UNHCR und seinen Partnerorganisationen im ACT-Bündnis, einem globalen Netzwerk von Kirchen, zusammen, um den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie Nahrungsmittel, Wasser und sanitären Anlagen, alternativen Lebensgrundlagen und Nahrungsmittelsicherheit, sowie Konfliktlösung und friedenstiftende Massnahmen zu verbessern. Der LWB möchte den Schutz vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt verbessern und gemeinnützige Dienste im Flüchtlingslager und in der Gemeinschaft vor Ort bieten.

Abschreckende Massnahmen

Vergewaltigung ist dem UNO-Flüchtlingshilfswerk zufolge eine wachsende Bedrohung für Frauen und Mädchen. Die UNHCR-Überwachungsteams haben zwischen Januar und Juli 2013 im Osten der Demokratischen Republik Kongo 705 Fälle von sexueller Gewalt, darunter 619 Vergewaltigungen gemeldet. 2011 gab es 4.689 gemeldete sexuelle Übergriffe in der Provinz Nord-Kivu, wohingegen es 2012 bereits 7.075 waren. Die Dunkelziffer wird weit höher geschätzt.

„Der Kampf gegen das Phänomen Vergewaltigung in der Demokratischen Republik Kongo erfordert abschreckende Massnahmen, insbesondere müssen die Täter zur Rechenschaft gezogen werden“, sagt Emile Mpanya, LWB-Vertreter in der Demokratischen Republik Kongo.

Viele Gerichte, die sich solcher Fälle annehmen, sind weit entfernt von dem Ort, an dem die Übergriffe geschehen. Darüber hinaus haben die Opfer nicht die Mittel zwischen Dorf und Gericht hin und her zu fahren, um dem Prozess beizuwohnen, so Mpanya weiter.

Es müsse Druck auf die Regierung, die Armee und auf alle bewaffneten Kämpfer ausgeübt werden, betont er. Sie seien der Hauptgrund für die Übergriffe. Der LWB arbeite mit lokalen Organisationen wie dem Netzwerk von Anwältinnen „Dynamique des Femmes Juristes“ zusammen, das Überlebenden sexueller Gewalt aus ländlichen Gebieten hilft.

(In Zusammenarbeit mit Betty Lamunu, Verantwortliche für Monitoring und Evaluation im LWB-Programm in Uganda)