Auf einem gemeinsamen Weg in Kakuma

Während ihres jüngsten Besuchs im Geflüchtetenlager Kakuma in Kenia haben sich LWB-Generalsekretärin Pfarrerin Dr. Anne Burghardt und der assistierende Generalsekretär für ökumenische Beziehungen, Prof. Dr. Dirk Lange, aus erster Hand über die Arbeit des LWB mit Geflüchteten und Aufnahmegemeinschaften informieren können. Im nachfolgenden Interview berichten sie über ihre Eindrücke.  

12 Nov. 2024
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Der Assistierende LWB-Generalsekretär für ökumenische Beziehungen, Dirk Lange, die Generalsekretärin Anne Burghardt, und der LWB-Länderbeauftragte für Kenia und Somalia, Girma Gudina (hinter dem Tisch, von rechts), hören den jungen Leitungspersonen des Flüchtlingslagers zu. Foto: LWB/M. Lukulu

Der Assistierende LWB-Generalsekretär für ökumenische Beziehungen, Dirk Lange, die Generalsekretärin Anne Burghardt, und der LWB-Länderbeauftragte für Kenia und Somalia, Girma Gudina (hinter dem Tisch, von rechts), hören den jungen Leitungspersonen des Flüchtlingslagers zu. Foto: LWB/M. Lukulu

LWB-Generalsekretärin besucht Geflüchtetenlager in Kenia 

(LWI) – Das Geflüchtetenlager in Kenia ist eines der größten Camps dieser Art weltweit. Der Lutherische Weltbund (LWB) ist dort seit vielen Jahren präsent und unterstützt die Geflüchteten mit unterschiedlichen Initiativen. In Kakuma leben fast 300.000 Geflüchtete, die meisten aus dem Südsudan und Somalia. Mehr als die Hälfte sind Jugendliche, die jünger als 18 Jahre sind. 

Nach ihrem jüngsten Besuch im Lager berichten LWB-Generalsekretärin Anne Burghardt und der assistierende Generalsekretär für ökumenische Beziehungen Dirk Lange über ihre Erfahrungen und über die täglichen Herausforderungen und das unerschütterliche Durchhaltevermögen der Geflüchteten und des LWB-Personals.  

Engagiertes Personal 

Was hat Sie während Ihres Besuchs in Kakuma am stärksten beeindruckt? 

DL: Was einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat, das war unser Treffen mit den Mitarbeitenden des LWB. Sie sehen ihre Arbeit nicht nur als einen Job an, sondern gehen mit echter Anteilnahme und großem Engagement zu Sache. Sie fühlen sich in das Leben und die Kämpfe der Geflüchteten ein und begleiten sie in ihrem Alltag. Es war inspirierend, dieses tiefgehende und persönliche Engagement zu erleben.  

AB: Das kann ich von ganzem Herzen bestätigen. Das LWB-Personal reagiert nicht einfach auf Situationen, sondern sucht aus eigener Initiative nach Lösungen und innovativen Wegen, wenn diese realisierbar sind. Sie arbeiten gut zusammen und unterstützen sich gegenseitig. Besonders bewegt hat mich ihre Arbeit im Bereich Schulbildung, ihre Betreuung von Menschen mit Behinderungen und ihre Initiativen, die Lebensbedingungen in den Aufnahmezentren zu verbessern, in denen einige Menschen über einen langen Zeitraum festsitzen, bis sie als Geflüchtete anerkannt werden.   

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Die Delegation besuchte verschiedene Arbeitsbereiche des LWB im Lager. Foto: LWF/M. Lukulu

Die Delegation besuchte verschiedene Arbeitsbereiche des LWB im Lager. Foto: LWF/M. Lukulu

Welche besonderen Probleme haben Sie erlebt, und wie gehen die Geflüchteten damit um? 

DL: Die Situation in den Aufnahmezentren ist dramatisch. Die Geflüchteten erhalten zwei einfache Mahlzeiten am Tag und leben zusammengepfercht auf zu kleinem Raum. Wir haben fünf Familien gesehen, die sich ein Zelt mit einer Fläche von 25 Quadratmetern teilen müssen. Diese Situation hält oft viele Monate an. Trotz dieser schwierigen Bedingungen gibt es ein spürbares Gefühl der Hoffnung, zum größten Teil aufgrund des Engagements und der Unterstützung des Personals. Sie sind sehr fürsorglich und suchen nach Möglichkeiten, damit die Menschen auch unter diesen schwierigen Umständen aufleben können.  

AB: Eine weitere Herausforderung ist die Schulbildung. Der LWB kümmert sich im Lager um die Schulen für 80.000 Kinder, aber der Mangel an Lehrmaterial schränkt die vorhandenen Möglichkeiten ein.  Manchmal benutzen zehn Schüler und Schülerinnen ein einziges Schulbuch gemeinsam! Dies ist eine besondere Herausforderung, denn Schulbildung ist die unverzichtbare Voraussetzung für die zukünftigen Chancen dieser jungen Menschen.  

Friedensarbeit in den Gemeinschaften 

Wie geht der LWB mit dem Wunsch nach einem friedlichen Zusammenleben und gemeinschaftlichem Zusammenhalt im Lager um? 

AB: Aufgrund der großen Anzahl Menschen und ihrer Unterschiedlichkeit ist es unvermeidlich, dass in Kakuma immer wieder Konflikte entstehen. Die Friedensinitiativen des LWB richten sich an unterschiedliche Gruppen, darunter junge Menschen, Frauen und örtliche Seelsorger und Seelsorgerinnen, die einen auf Zusammenarbeit basierenden Ansatz für Konfliktlösungen fördern. Religiöse Gruppen, darunter katholische, anglikanische und pfingstkirchliche Gläubige, leisten ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Förderung des geistlichen Lebens im Lager. 

Die Friedensarbeit bindet unterschiedliche Gruppen ein, die alle auf das gemeinsame Ziel eines harmonischen Zusammenlebens im Lager hinarbeiten. Diese Friedensinitiativen tragen dazu bei, dass die Menschen ein gemeinsames Ziel verfolgen und Stabilität in einem schwierigen Umfeld finden. 

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LWB-Generalsekretärin Pfarrerin Dr. Anne Burghardt mit Mitarbeitenden des LWB-Weltdienstes vor dem LWB-Büro im Flüchtlingslager Kakuma, Kenia. Foto: LWB/M. Lukulu

LWB-Generalsekretärin Pfarrerin Dr. Anne Burghardt mit Mitarbeitenden des LWB-Weltdienstes vor dem LWB-Büro im Flüchtlingslager Kakuma, Kenia. Foto: LWB/M. Lukulu

Welche anderen Unterstützungsmöglichkeiten bietet der LWB besonders für junge Menschen? 

AB: Das Engagement für junge Menschen habe ich als etwas erlebt, das Anlass zur Hoffnung gibt. Der LWB hat Talentwettbewerbe und Sportprogramme organisiert und sogar eine „Kakuma Premier League“ Fußballmeisterschaft auf die Beine gestellt. Es gibt Fußballteams für Jungen und Mädchen, die gegeneinander spielen, und damit wächst auch die Motivation, für diese Turniere zu trainieren. Einige von ihnen werden sogar von Talentscouts entdeckt, sie erhalten Profiverträge und starten eine Karriere außerhalb des Camps – eine Perspektive, die anderen jungen Geflüchteten Hoffnung gibt.  

Es ist inspirierend zu beobachten, wie frühere Kakuma-Bewohner wie der Fußballer Awer Mabi der Gemeinschaft etwas zurückgeben, indem er sich für Bildung und Geschlechtergleichstellung einsetzt und Sportausrüstung zur Verfügung stellt. Ehemalige Geflüchtete wie Mabi, die international erfolgreich sind und dann die Gemeinschaft unterstützen, leisten einen Beitrag, so dass die Menschen dort ihren Optimismus nicht verlieren. 

Wir haben junge Führungspersönlichkeiten getroffen, die mit ihrem Engagement für andere Menschen eine wichtige Funktion ausüben, Aktivitäten organisieren und helfen, die Freizeit der jungen Menschen zu strukturieren.  

DL: Die Arbeit des LWB bezieht auch die Aufnahmegemeinschaften mit ein. Während unseres Besuchs bei dem Volk der Turkana hat das LWB-Personal diese traditionell als Nomaden lebende Volksgruppe dabei unterstützt, sich abwechslungsreicher zu ernähren, und ihnen Wissen über nachhaltige Landwirtschaft vermittelt. Diese Arbeit hilft den örtlichen Gemeinschaften und unterstützt das Engagement des LWB für eine ganzheitliche Mission. 

Wahrung der Menschenwürde 

Welche Erkenntnisse möchten Sie der LWB-Gemeinschaft und ihren Mitgliedskirchen über Ihre Arbeit vermitteln? 

AB: Vor allem möchte ich, dass die Gemeinschaft versteht, dass wir diese Arbeit in ihrem Namen leisten.  In einer Welt, in der die Menschenwürde ständig bedroht ist, wird die Aufgabe der Kirchen und religiösen Organisationen, sie zu verteidigen, immer wichtiger. Mit dieser Arbeit zeigen wir, dass jeder Mensch eine von Gott gegebene Würde hat, die ihm nicht genommen werden kann. Diese Mission ist heute wichtig und wird in der Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. 

Wie können unsere Leser und Leserinnen diese wichtige Arbeit unterstützen? 

AB: Die schnellste und unmittelbarste Möglichkeit, diese Arbeit zu unterstützen, besteht in direkten Spenden für die humanitäre Arbeit des LWB. Von gleicher Bedeutung ist es jedoch, in den örtlichen Gemeinden Aufklärungsarbeit zur Situation von Geflüchteten zu leisten, über ihre Schicksale zu berichten, für diese Gemeinschaften zu beten und eventuell Partnerschaften mit denjenigen aufzubauen, die diese Arbeit für Geflüchtete vor Ort leisten. Wir alle können durch unsere finanzielle Unterstützung, Advocacy-Arbeit oder direktes Engagement für Geflüchtete in unseren Gemeinschaften dazu beitragen, ihre Menschenwürde zu wahren. 

LWB/A. Danielsson