Zusammenarbeiten und Freundschaft schließen

26. Nov. 2018
Die beiden namibischen Pfarrer Klaus-Peter Tietz (l.) und Isak Malua nahmen am 18. Theologischen Seminar in Wittenberg teil. Foto: LWB/A. Weyermüller

Die beiden namibischen Pfarrer Klaus-Peter Tietz (l.) und Isak Malua nahmen am 18. Theologischen Seminar in Wittenberg teil. Foto: LWB/A. Weyermüller

Interview mit den namibischen Pfarrern Isak Malua und Klaus-Peter Tietz

Wittenberg, Deutschland/Genf (LWI) – Isak Malua (40) und Klaus-Peter Tietz (59) sind beide namibische Pfarrer, allerdings in zwei verschiedenen lutherischen Kirchen. Auf dem 18. Internationalen Theologie-Seminar im LWB-Zentrum Wittenberg (Deutschland) vom 3. bis 17. November haben sie sich getroffen. Die Lutherische Welt-Information sprach mit den beiden Männern über die Hoffnungen und Schwierigkeiten ihrer beiden Kirchen in Namibia, darüber was die Zwölfte Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) und die Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum 2017 für sie bedeutet haben und darüber, was sie von dem Seminar zum Thema „Learning Sprirtuality with Luther“ (Spiritualität lernen mit Luther) mit nach Hause nehmen.

Als Namibia 1990 seine Unabhängigkeit erlangte – was ja nicht nur für die Menschen in Namibia selbst ein historischer Meilenstein war – waren Sie 12 und 31 Jahre alt. Erzählen Sie uns bitte etwas über Ihre Familiengeschichte.

Isak Malua: Ich bin im äußersten Norden Namibias in eine Pastorenfamilie hineingeboren worden. Unweit von meinem Zuhause gab es ein Militärlager und die südafrikanischen Soldaten waren ein gewohnter Anblick für uns. Ich habe auch mitbekommen, dass mein Vater oft nach Einbruch der Dunkelheit Besuch bekam und er sich dann sehr ernst mit diesen Menschen unterhalten hat. Aber als Kind habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Das alles war Teil unseres alltäglichen Lebens. In der Übergangszeit bis zur Unabhängigkeit, als viele Namibierinnen und Namibier aus dem Exil zurückkehrten, wurde mein Vater als Missionar nach Angola geschickt. Damals war ich 11 Jahre alt. Auch Angola war ein vom Krieg gebeuteltes Land, und noch während ich die weiterführende Schule besuchte, wurde ich zum Militärdienst eingezogen. Das war der Zeitpunkt als ich beschlossen habe, nach Namibia zurückzukehren.

Klaus-Peter Tietz: Mein Vater war Mechaniker und meine Mutter Buchhalterin. Wie es in unseren Kreisen im Apartheid-System üblich war, ging ich auf eine Schule nur für weiße Kinder. Als ich ein Teenager war, begann ich kritisch über die damalige politische Situation in Namibia nachzudenken. Eine Gemeinschaft ohne Rassentrennung erlebte ich das erste Mal als ich Theologiestudent in Südafrika war. Wir Studierenden lebten in der theologischen Hochschule Mapumulo Theological College und innerhalb dieses Komplexes, wo 80 Menschen zusammenlebten, gab es keine Rassentrennung. Diese Erfahrung hat mich tief beeindruckt. Gleichwohl wurde auch ich nach dem Abschluss meines Studiums zum Militärdienst eingezogen und musste dieses ungerechte Gesellschaftssystem verteidigen. Ich wurde als Geistlicher eingesetzt und hatte insofern Glück, weil ich nie an tatsächlichem Kampfgeschehen beteiligt war.

Und im hier und heute: Wie sieht Ihre Arbeitssituation aktuell in Ihrer Gemeinde, Ihrer Kirche, Ihrem Kontext allgemein aus?

Klaus-Peter Tietz: Ich bin Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia (ELKIN-DELK). Die Mitglieder der Gemeinden, die ich betreue, leben hauptsächlich entlang eines 700 Kilometer langen Streifens entlang der namibischen Küsten. Die Größe der Gemeinden liegt relativ stabil bei rund 800 Mitgliedern, die größtenteils deutschsprechende Namibierinnen und Namibier sind. Den meisten meiner Gemeindemitglieder geht es materiell gut und wir sind dankbar, in einem Land zu leben, in dem Frieden herrscht. Trotzdem haben die Menschen Zukunftsängste. Mir ist aufgefallen, dass die junge Generation in Namibia ungeduldig wird und zunehmend aufgebracht ist und dass die politische Sprache immer aggressiver wird. Darum müssen wir uns kümmern und das möglichst schnell, um die Stabilität und den Frieden in unserem Land nicht zu gefährden.

Isak Malua: Dem kann ich nur beipflichten, ich habe ähnliches beobachtet. Ich arbeite als Seelsorger der Evangelisch-Lutherische Kirche in Namibia (ELKIN) in den Hochschulen in Namibias Hauptstadt Windhuk. Ich habe daher sehr viel Kontakt zu jungen Menschen, die um gute Bildung bemüht sind und eine erfolgreiche Berufslaufbahn anstreben. Einige Studierende erhalten Studienkredite von der Regierung durch den Namibia Student Financial Assistance Fund, andere erhalten Stipendien von NGOs oder staatlichen Unternehmen, wiederum andere müssen sich ganz auf die Unterstützung ihrer Familien verlassen. Einige Studierende haben eine Unterkunft in den Studentenwohnheimen bekommen, einige haben sich Zimmer in der Nähe der Uni oder weiter weg gemietet und wiederum andere leben bei Verwandten oder Freunden. Armut und Zukunftsängste sind ein Problem, insbesondere im Moment da Namibia eine Zeit der wirtschaftlichen Rezession durchlebt. Ein weiteres Thema, das viele junge Menschen umtreibt, sind Beziehungsfragen. Über dieses Thema wird traditionell nicht viel gesprochen. Ich merke aber, dass die Studierenden heute offener damit umgehen und sich viel Rat und Unterstützung suchen. Es ist ein besonderer Vertrauensbeweis, wenn sie zu mir kommen und mich als „Vater“ ansprechen.

Letztes Jahr, 2017, war Namibia Gastgeberin der Zwölften LWB-Vollversammlung. Wie waren sie da eingebunden und welche Wirkung und Folgen hatte diese Konferenz?

Isak Malua: Ich habe in dem rund 400 Personen starken Chor mitgesungen, der bei der Feier zum Reformationsjubiläum im Sam-Nujoma-Stadion gesungen hat, und auch im Vollversammlungschor. Während der Vollversammlungschor ziemlich international war, war der große Chor eine Gelegenheit für uns, als namibische Lutheranerinnen und Lutheraner zusammenzukommen. Wir haben uns kennengelernt, zusammengearbeitet und gemeinsam gefeiert. Das war eine großartige Erfahrung!

Klaus-Peter Tietz: In der Vorbereitung auf die Vollversammlung hat der Vereinte Kirchenrat der namibischen evangelisch-lutherischen Kirchen (UCC-NELC) sehr viel eingebracht. Es wurden viele verschiedene Ausschüsse eingerichtet, in denen immer alle drei lutherischen Kirchen aus Namibia vertreten waren. Weil sich die Vertreterinnen und Vertreter der drei Kirchen dieser großen Aufgabe gemeinsam gestellt haben und so eng zusammengearbeitet haben, sind Freundschaften zwischen diesen Menschen entstanden. Ich hoffe sehr, dass diese Beziehungen genug Zeit hatten zu wachsen, dass sie uns erhalten bleiben und uns in die Zukunft tragen werden.

Jetzt sind Sie um den halben Globus gereist, um hier in Wittenberg in Deutschland gemeinsam mit Lutheranerinnen und Lutheranern aus aller Welt an einem Theologie-Seminar teilzunehmen – was nehmen Sie nach diesen zwei Wochen mit nach Hause?

Isak Malua: Meine Zeit hier in Wittenberg war geprägt von dem Konzept „Lernen, Neulernen und Verlernen“. Ich werde viele Erkenntnisse über die Geschichte der Reformation und die Geschichte und Spiritualität Martin Luthers mit nach Hause nehmen. Es war ein einmaliges Erlebnis für mich, die Orte zu sehen, an denen Martin Luther und andere Reformatoren seinerzeit auch ganz wahrhaftig gewesen sind. Und dies zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus ganz unterschiedlichen Kontexten zu erleben, hat mir geholfen, zu überprüfen, was ich in meiner Kirche und meiner Gemeinde zuhause tue, und dies gut zu heißen und zu bekräftigen. Ich habe ein besseres Verständnis erlangt, insbesondere von Themen in Zusammenhang mit der lutherischen Lehre und der daraus erwachsenden praktischen Theologie.

Klaus-Peter Tietz: In der Tat! Ich nehme das Gefühl unserer weltweiten Gemeinschaft im Glauben mit nach Hause. Wir Namibierinnen und Namibier sind ein kleines Volk in einem großen Land. Aber wir brauchen nicht zu fürchten, dass wir alleine unterwegs sind. Darüber hinaus bin ich dankbar, Luthers Texte noch einmal neu gelesen zu haben und gesehen zu haben, dass seine Worte Pfarrerinnen und Pfarrer aus allen Erdteilen ansprechen. Drittens hat diese Zeit der theologischen Gespräche uns in Erinnerung gerufen, was unsere wichtigste Aufgabe ist.