Eine gerechte und nachhaltige Zukunft ohne illegitime Auslandsschulden

29. Mai 2013
Eva Ekelund (li.), LWB-Regionalvertreterin in Mittelamerika, und Pfr. Ángel Furlan (re.) während seiner Rede im Rahmen des Forums zum Thema „Auslandsverschuldung und Entwicklung“ in Tegucigalpa (Honduras). © LWB/AWD-Mittelamerika/M. Salinas

Eva Ekelund (li.), LWB-Regionalvertreterin in Mittelamerika, und Pfr. Ángel Furlan (re.) während seiner Rede im Rahmen des Forums zum Thema „Auslandsverschuldung und Entwicklung“ in Tegucigalpa (Honduras). © LWB/AWD-Mittelamerika/M. Salinas

Staatsverschuldung führt laut LWB-Partnern in Mittelamerika zu struktureller Gewalt

Das Sozialforum zur Auslandsverschuldung von Honduras (FOSDEH) und andere Nichtregierungsorganisationen in dem mittelamerikanischen Land weisen darauf hin, dass Honduras am Rande des finanziellen Ruins steht. BeamtInnen, AuftragnehmerInnen und LieferantInnen können nicht mehr bezahlt werden. Gewerkschaften im Baugewerbe, denen der Staat mehr als 100 Millionen USD schuldet, fordern die Bezahlung dieser Summe. Lehrer und Lehrerinnen erhalten teilweise bis zu sechs Monate lang kein Gehalt. Der Bau von Strassen wurde gestoppt und im staatlichen Gesundheitssystem drohen Entlassungen.

Das Programm der Abteilung für Weltdienst (AWD) des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Mittelamerika und seine Partnerorganisation, das FOSDEH, sind über die Situation in Honduras besorgt und veranstalteten daher Mitte April gemeinsam ein Forum zum Thema „Staatsverschuldung und strukturelle Gewalt“.

Schwerpunkt der Tagung, die in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa stattfand, war die Verschuldung lateinamerikanischer Länder. Gegenstand der Gespräche war die Auslandsverschuldung, die ohne die Zustimmung der Bevölkerung zustande gekommen war, über deren Höhe die Gläubiger jedoch in vollem Umfang informiert waren. In Honduras, wo die Staatsverschuldung laut der Zentralbank von Honduras 47 Prozent des BIP beträgt, ist dies von grosser Bedeutung. Laut Raf Flores, dem stellvertretenden Koordinator des FOSDEH, liegt die tatsächliche Verschuldung indes bereits bei fast 71 Prozent des BIP. Das FOSDEH erklärt, die Regierung von Honduras berücksichtige in ihrer Rechnung nicht alle Schulden.

Zu den Teilnehmenden an dem Forum zu „Staatsverschuldung und struktureller Gewalt“ gehörten auch VertreterInnen der Christlich-Lutherischen Kirche von Honduras (ICLH) sowie des regionalen LWB-Programms für illegitime Auslandsschulden. Pfr. Ángel Furlan, Koordinator des Programms für illegitime Auslandsschulden der lateinamerikanischen LWB-Mitgliedskirchen bezeichnete das Schuldensystem als moderne Form der Sklaverei. Die Verschuldung habe Honduras extrem geschwächt und zu einer Lage des Landes geführt, die weit davon entfernt ist, nachhaltig zu sein, und die insbesondere die Armen treffe und zu sozialer Gewalt führe, betonte er.

„Wir sprechen hier nicht nur von einer Krise. Es geht um ein Versagen des Systems. Wir müssen die Verschuldung als ein System betrachten, das zu einer modernen Form von Sklaverei führt. Die Schulden selbst sind ein System moderner Sklaverei“, erklärte Furlan, ehemaliger Präsident der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche (IELU) in Argentinien.

Zunehmende Armut

Die Botschaft Furlans ist klar. Das aktuelle Modell für wirtschaftliche Entwicklung basiert auf Wachstum, und die Verschuldung ist dabei der wirksamste Mechanismus für das Überleben des Systems.

Die Gläubiger aber haben ihre Darlehen an Bedingungen geknüpft, die Entwicklungsländer wie Honduras zu strukturellen Reformen zwingen. Laut Furlan trägt der/die durchschnittliche BürgerIn den Löwenanteil der für den Schuldendienst anfallenden Kosten, wodurch das Problem der Armut und der Ausgrenzung verschärft wird. Neben der Senkung der Löhne wurden in Honduras auch Subventionen für Düngemittel, Treibstoff und Transportkosten gestrichen und die Preise für Versorgungsdienstleistungen wie Wasser, Strom und Kommunikation erhöht. Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben und die Senkung der direkten Lohn-, Gewerbe- und Erbschaftssteuern wirkten sich unmittelbar auf die Armen aus, so Furlan.

Eine solche Situation führe aufgrund der sozialen Ausgrenzung zu Gewalt. Die Wertschätzung des Lebens gehe verloren. Der Wert eines Lebens werde gehandelt wie eine Ware. Der Zugang zu Bildung, Arbeit, Nahrung sowie die Hoffnung auf eine Zukunft gingen dabei verloren, erklärte er weiter.

„Soziale Gewalt entspricht struktureller Gewalt. Sogar die kriminellen Banden, die sogenannten Maras, etablieren innerhalb der Gruppe ein System sozialer Akzeptanz und Exklusivität. Diese Akzeptanz beruht jedoch auf Gewalt“, erklärte Furlan.

Ausländische Interessen bestimmen nationalen Wohlstand

Laut Eva Ekelund, LWB-Regionalvertreterin für Mittelamerika, haben Schulden in Ländern, die vor grossen sozioökonomischen Herausforderungen stehen, schwerwiegende Auswirkungen und verhindern die vollständige Entwicklung und Ausübung der Menschenrechte. Kredite und ausländische Investitionen, die an Bedingungen geknüpft sind, schwächen den Staat.

„Menschenrechte aber gelten bedingungslos. Sie sind nicht an Auflagen geknüpft und können weder verkauft noch geändert werden. Das Recht auf Entwicklung, Arbeit und Gleichberechtigung von Frauen und Männern aber kann nur bestehen, wenn der Staat in der Lage ist, einzuschreiten und diese Rechte zu garantieren. Grundlage dafür ist die Kontrolle der staatlichen Finanzen, um die sozioökonomische Selbstverwirklichung eines Landes sicherzustellen“, sagte Ekelund.

Laut dem FOSDEH versucht Honduras nun, über 750 Millionen USD privat in Anleihen anzulegen. Die Regierung hat daher Bankenfirmen damit beauftragt, Treffen mit potenziellen Investoren zu organisieren. Dieses System führt zur internationalen Verschuldung des Landes, was wiederum zur Folge hat, dass die Verwaltung und Planung der Volkswirtschaft den internationalen Vereinbarungen eines Marktes unterliegt, der von externen und privaten Interessen beherrscht wird.

Wirtschaftlicher Wandel notwendig

Das LWB-Programm in Mittelamerika schlägt eine Reihe von Schritten in Richtung einer gerechteren und nachhaltigeren Zukunft vor. „Zunächst einmal geht es darum, eine Finanzstruktur zu schaffen, die die der Produktion zugrundeliegenden Gedanken sowie die Verteilungs- und Wachstumsmethoden dahingehend ändert, dass sie nicht mehr auf Schulden und Kapitaleffizienz basieren“, so Ekelund.

Furlan betonte die Notwendigkeit „einer wahrhaft grüne Wirtschaft“ – eine Wirtschaft, die nicht auf Spekulationen basiert, sondern den Themen Lebensmittelsicherheit, Gesundheit, erneuerbare Energien, Integration, Geschlechtergerechtigkeit, Gleichbehandlung ethnischer Gruppen, Menschenrechte sowie den Rechten von Mutter Erde den höchsten Stellenwert einräumt.

 

(Für LWI von Thomas Ekelund)