„Jeder Gottesdienst ist eine Chance“

28 Jan. 2015
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Erzbischof der Lutherischen Kirche Nigerias Christian Ekong. Foto: LWB/S. Gallay

Erzbischof der Lutherischen Kirche Nigerias Christian Ekong. Foto: LWB/S. Gallay

Erzbischof Christian Ekong über die Rolle der Kirche bei der Demokratisierung Nigerias

(LWI) – Anlässlich seines Besuchs beim Lutherischen Weltbund (LWB) sprach der Erzbischof der Lutherischen Kirche Nigerias (LKN), Christian Ekong, Anfang des Jahres mit der Lutherischen Welt-Information (LWI) über die Rolle der Kirche im Vorfeld der Wahlen in Nigeria am 14. Februar 2015.

Welche Fragen beschäftigen Sie angesichts der in Nigeria im Februar anstehenden Wahlen?

Es werden die fünften allgemeinen demokratischen Wahlen seit 1999 sein. Als es das erste Mal freie Wahlen gab, waren gerade lange Jahre der Militärherrschaft zu Ende gegangen. In den darauf folgenden Wahlperioden hat es gewaltige Verbesserungen gegeben, was die staatsbürgerliche Bildung, die Ausübung des Wahlrechts und die praktische Stimmabgabe angeht. Die letzten Wahlen im Jahr 2011 wurden allgemein als frei, fair und glaubwürdig gelobt. Leider gab es trotzdem in manchen Teilen des Landes Gewaltausbrüche, bei denen auch Menschen umkamen.

Es ist offensichtlich, dass diesmal starke Kandidaten gegen die Regierungspartei und den Präsidenten antreten. Für unseren erstarkenden demokratischen Prozess ist das gut. Es stimmt, dass es im Land verschiedene aufständische und kriminelle Gruppen gibt, und dass deren Aktivitäten besonders im Norden zugenommen haben. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass in anderen wichtigen Entwicklungsbereichen bedeutende Erfolge erzielt worden sind. Anfang 2014 hatten mehr als 60 Prozent unserer Bevölkerung von über 170 Millionen Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser, 2011 waren es noch 57 Prozent. Der Prozentsatz der Menschen, die Zugang zum Internet haben, hat sich von 30 auf ca. 55 Prozent erhöht, und nimmt weiter zu. Die hygienische Situation hat sich ebenfalls verbessert.

Die Sicherheit im Land ist sehr wichtig, aber wir wissen auch, dass die Opposition dieses Thema immer wieder genutzt hat, um die Regierungsgeschäfte zu stören. Nach den kommenden Wahlen erwarten wir einen Rückgang, wenn nicht gar das Ende der Aufstände.

Welche Rolle spielen Ihre Kirche sowie andere Kirchen und Religionen dabei, die Beteiligung der Bevölkerung am Wahlprozess zu fördern?

Trotz aller Dialoge mit dem Ziel des friedlichen Zusammenlebens zwischen den Angehörigen des Islam und des Christentums sowie der politischen Klasse und der normalen Bevölkerung entsteht manchmal der Eindruck, dass wir nicht vorwärts kommen. Das heisst aber nicht, dass es keine Fortschritte gibt.

Im Dezember 2014 haben die im Christenrat von Nigeria vertretenen traditionellen Kirchen, unter ihnen auch die lutherischen Kirchen, einen gemeinsamen Workshop zur staatsbürgerlichen Bildung veranstaltet, der die Beobachtung der kommenden Wahlen zum Thema hatte. Wir konnten ein Bewusstsein für die Beteiligung aller Wahlberechtigten schaffen einschliesslich der Christen am Wahlprozess schaffen. Damit haben wir ein wichtiges Ziel erreicht. Wir haben eine Struktur geschaffen und tausende Kirchenleitende, Männer, Frauen, junge Menschen, Theologinnen und Theologen mobilisiert, die diese Struktur nun in Kirchengemeinden und Ortsgemeinschaften nutzen. In der Bevölkerung wächst das Bewusstsein dafür, dass die Wahlen gewaltfrei ablaufen müssen und dass Wählerstimmen niemals gekauft werden dürfen, sondern dass es das Recht und die Macht der Wählerschaft ist, über die nächste Regierung zu bestimmen. Diese Botschaften werden sehr positiv aufgenommen.

Als Kirche beten wir fortwährend für einen friedlichen Verlauf der Wahlen. Wir schaffen ausserdem Möglichkeiten für Treffen mit den politisch Verantwortlichen und erinnern sie an ihre Pflicht als gewählte Volksvertreter und -vertreterinnen, transparent und verantwortlich vor dem Volk zu handeln.

Als gläubiger Mensch erwarte ich eine bessere Zukunft für Nigeria, da wir uns gemeinsam dafür einsetzen, die demokratischen Grundlagen unseres Landes zu stärken.

Welchen Beitrag leistet die lutherische Kirche dabei, eine Kultur werteorientierten Führungshandelns sowie gute Verwaltung und Regierungsführung in Kirche und Gesellschaft zu fördern?

Gute Regierungsführung und Verwaltung sind eine Frage der Einstellung. Wenn diese Einstellung fehlt, werden die moralischen Werte missachtet und es ist keine gute Führungsarbeit möglich. Wir versuchen Mitgliedern, besonders denen in Leitungsfunktionen deutlich zu machen, dass man als Nigerianer oder Nigerianerin, egal wohin man kommt unter dem Generalverdacht der Korruption steht. Dieses Vorurteil, das ja auf viele Menschen in unserem Land nicht zutrifft, wollen wir überwinden. Deshalb erinnern wir die Menschen, die bei uns Verantwortung tragen daran, dass es bei der Übernahme eines Amtes nicht darum geht, für sich selbst Wohlstand anzuhäufen. Eine Führungsaufgabe bedeutet, dem Staat und seiner Bevölkerung zu dienen.

In Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen führen wir Workshops für Führungspersonen durch, in denen die Werte Ehrlichkeit, Verantwortung, Transparenz, menschliche Gerechtigkeit, friedliche Koexistenz und Zufriedenheit diskutiert werden. Wir wollen denjenigen, die Verantwortung tragen, vermitteln, dass das, was wir verloren haben, nur mit Hilfe der richtigen Werte wiedergewonnen werden kann. Das ist besonders wichtig angesichts der Tatsache, dass wir gewaltige Ölvorkommen und natürliche Ressourcen haben, die aber nicht genutzt werden für eine gerechtere Verteilung des Volksvermögens.

Wie kann die lutherische Kirche den gesellschaftlichen Zusammenhalt in einem multireligiösen Vielvölkerstaat wie Nigeria fördern?

Die LKN engagiert sich sehr stark in der Jugendarbeit. Die Förderung junger Menschen ist für die Zukunft der Kirche sehr wichtig. Nach wie vor ist Armut eine grosse Herausforderung für Nigeria, deswegen ist es von entscheidender Bedeutung, Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für die junge Generation zu schaffen. Ausserdem fördern wir Frauen im Rahmen verschiedener Investitionsmassnahmen und Einkommen schaffender Initiativen. Bildung ist eines unserer wichtigsten Entwicklungsinstrumente und ich freue mich, dass uns die wachsende Anzahl der von der LKN bereitgestellten Bildungsangebote auf der Primar- und Sekundarschulebene sowie in der Ausbildung von Geistlichen uns inzwischen dahin geführt hat, dass wir die Gründung einer lutherischen Universität planen können. Wir sehen all dies als unseren Beitrag dazu, in Nigeria wieder stabile Verhältnisse zu schaffen.

Gemeinsam mit unseren internationalen und einheimischen Partnerinnen und Partnern sind wir lutherischen Kirchen in Nigeria zudem in einer Initiative zur Ausrottung von Malaria engagiert. Diese mörderische Krankheit fordert nach Angaben des Gesundheitsministeriums jährlich mehr als 200.000 Menschenleben fordert. Wir sind Träger kostenfreier medizinischer Behandlungszentren, leisten Aufklärung über Malaria, verteilen Moskitonetze und betreiben darüber hinaus auch Bewusstseinsbildung im Blick auf HIV und AIDS.

Die LKN war die erste Organisation aus dem religiösen Bereich, die in Nigeria das Schweigen über den Klimawandel gebrochen hat. Wir entwickeln unser Engagement in diesem Bereich weiter und binden immer mehr Partner ein.

Jeder öffentliche lutherische Gottesdienst gilt uns als Chance, für Nigeria, den Glauben im Land, die politisch Verantwortlichen und den Weltfrieden zu beten. Ein Land, in dem Gewalt, Rebellion und Unsicherheit herrschen, kann nicht gedeihen.

Im Vorfeld der Wahlen zählen wir auf die Fürbitte der weltweiten lutherischen Kirchengemeinschaft.

Die LKN gehört seit 1973 dem LWB an. Sie hat etwa 150.000 Mitglieder in 14 mehrheitlich im Süden des Landes gelegenen Diözesen. Erzbischof Christian Ekong ist Präsident der Lutherischen Gemeinschaft in Zentral- und Westafrika (LUCCWA - Lutheran Communion in Central and Western Africa), einer regionalen Struktur des LWB.

[Ein weiteres Interview mit Nemuel Babba, dem Erzbischof der Lutherischen Kirche Christi in Nigeria, finden Sie hier]

LWF Communication
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Nigeria
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