Humanitäre Korridore – eine ökumenische Initiative hilft Flüchtlingen
ROM, Italien/GENF (LWI) - “Die so genannten ‘humanitären Korridore’ funktionieren! Das wurde uns deutlich, als wir am 4. Februar 2016 im römischen Flughafen die 6 Jahre alte Falak aus Homs, Syrien, mit ihren Eltern und ihrem Bruder in Italien willkommen heißen konnten”, berichtet Christiane Groeben, Vizepräsidentin des Bundes evangelischer Kirchen in Italien. “Aus einem Traum, vielen Verhandlungen, Gesprächen, Hoffnungen, Interviews und noch mehr Papier war Realität geworden.”
Die humanitären Korridore sind die Frucht ökumenischer Zusammenarbeit zwischen dem Bund evangelischer Kirchen in Italien – zu deren Gründungsmitgliedern (1967) auch die Lutherische Kirche in Italien (ELKI) gehört –, den Kirchen der Waldenser und Methodisten und der Gemeinschaft von Sant’ Egidio. Jeder hat das Seine dazu gegeben an Ressourcen, Kontakten, Ideen, Geduld und persönlichem Einsatz, damit es am 15. Dezember 2015 mit den betreffenden Ressorts des italienischen Außen- und Innenministeriums zur Unterzeichnung eines Abkommens kam.
Von diesem Abkommen profitieren unter anderem die Familie von Falak. Sie waren unter den ersten, die mit einem Linienflug mit regulärem Visum aus Beirut, wo sie einige Jahre in einem Flüchtlingslager gelebt hatten, nach Italien kommen konnten. Für Falak war es dringend; es bestand die Gefahr, dass sie auch ihr zweites Auge an eine Krebserkrankung verlieren würde. Inzwischen geht es ihr und ihrer Familie gut und sie haben sich in Rom eingelebt.
Schutz, Unterbringung und Begleitung
Das Abkommen mit den italienischen Behörden ermöglicht 1.000 besonders gefährdeten Personen, unabhängig von ihrer Religion oder ethnischen Zugehörigkeit, in den folgenden zwei Jahren die Einreise nach Italien. Es wurde geregelt, dass die italienischen Konsulate in den betreffenden Ländern „Visa mit begrenzter territorialer Gültigkeit“ (laut Art. 25 der EU Gesetzgebung Nr. 819/2009 vom 19. Juli 2009) ausstellen können. Organisationen vor Ort stellen die Listen der in Frage kommenden Personen zusammen, die vor Ausstellung eines Visums sorgfältig überprüft werden. Das beugt Ängsten vor unerwünschten Einwanderern vor. Das Programm erstreckt sich auf zwei Jahre (2016-2017).
Die Träger-Organisationen verpflichten sich dabei zu rechtlichem Beistand bei der Antragstellung auf internationalen Schutz, zu Unterbringung und Begleitung in der ersten Zeit der Eingewöhnung, Übernahme von Reisekosten nach Italien und finanzieller Unterstützung während der Integration in Italien. Dem Staat entstehen also keine Kosten.
Hilfe für die Bedürftigsten
Tausend Menschen scheinen wenig angesichts der Massen, die in dieser Zeit auf der Flucht und auf der Suche nach Lebenssicherheit und Geborgenheit sind. Die Humanitären Korridore sind ein Weg, denen zu helfen, die es noch nötiger haben als andere, geheilt zu werden von inneren und äußeren Wunden.
Inzwischen sind über 500 Personen vor allem aus Syrien in Italien angekommen: (Groß-)Familien, Mütter mit Kindern (den Vater „gibt es nicht mehr“, hörte ich einmal), alleinstehende (auch junge) Menschen. Gleich auf dem Flughafen stellen sie ihren Asylantrag, noch bevor sie weiterbegleitet werden in betreute Strukturen irgendwo in Italien auf dem Weg in ein Leben in Freiheit, Selbständigkeit und Geborgenheit.
Den Menschen einen Albtraum ersparen
Jede und jeder bringt Erinnerungen an die Heimat mit. Jede und jeder bringt aber auch Dinge mit, die Teil ihrer Geschichte und ihres Zuhauses sind – Bilder, das Lieblingsspielzeug, ein Musikinstrument. Die Koffer, Taschen und Tüten sind zum Platzen voll. Ein Stück Zuhause zum Festhalten – auch im neuen Zuhause. Das haben die Bootsflüchtlinge nicht, dafür aber Erinnerungen an grausame und gefährliche Fluchtwege, die lebenslang traumatisieren. Die humanitären Korridore ersparen Menschen, die ihr Land verlassen müssen, wenigstens diesen Albtraum.
In Kürze werden andere mit einem „Willkommen in Frankreich“ empfangen werden. Am 14. Februar wurde auf derselben juristischen Grundlage wie in Italien ein Abkommen zwischen der französischen Regierung und fünf ökumenischen Partnerorganisationen unterzeichnet. Wie schön wäre es, wenn bald noch viele Menschen mehr „Willkommen in …“ lesen könnten!
Beitrag von Christiane Groeben, Vizepräsidentin des Bundes evangelischer Kirchen in Italien und Mitglied der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Italien, redigiert vom LWB-Kommunikationsbüro.