Landwirtschaft für die Gegenwart, Bildung für die Zukunft

30 Juni 2015
Image
Daniel Deba, Biologieprofessor, Flüchtling und Vorsitzender der Produktionsgenossenschaft für Saatgut im Lager Dosseye im Tschad. Foto: LWF/C. Kästner

Daniel Deba, Biologieprofessor, Flüchtling und Vorsitzender der Produktionsgenossenschaft für Saatgut im Lager Dosseye im Tschad. Foto: LWF/C. Kästner

Dosseye, Tschad/Genf, 30. Juni 2015 (LWI) – „Ein Beamter kauft, was er braucht, auf dem Markt. Ein Landwirt hat das, was er braucht, zu Hause“ Das Sprichwort, das Daniel Deba, Vorsitzender einer Produktionsgenossenschaft für Saatgut, hier zitiert, hat er von seinem Vater. Allerdings hat er sich nie vorstellen können, welche essenzielle Bedeutung diese Aussage einmal für sein Leben bekommen würde. Vor zehn Jahren musste Deba seine Stelle als Biologieprofessor in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) aufgeben und in den Tschad fliehen. Seitdem haben er und seine 14-köpfige Familie sich ein neues Leben im Flüchtlingslager Dosseye aufgebaut.

Es ist nicht einfach, einen Platz zum Sitzen und Reden zu finden. Schwere Regenfälle haben das Lager in eine Seenlandschaft aus Rinnsalen und Pfützen verwandelt und einige der Felder in schlammige Sümpfe verwandelt. Überall sieht man die Menschen beim Pflügen und Pflanzen. „So mögen wir den Boden“, sagt Deba. „Das hier ist Leben.“

Deba ist der Vorsitzende des lokalen Saatgutproduzenten. Dieses landwirtschaftliche Unternehmen wurde vom Lutherischen Weltbund (LWB) gegründet und wird seither auch vom LWB unterstützt. Deba selbst leitet ein Mikroprojekt für die Saatgutproduktion mit knapp 5 Hektar Land. Die Produktionsgenossenschaft besteht aus mehr als 100 Herstellern (er ist einer von ihnen), die Saatgut vervielfachen. Gemeinsam lagern sie das Saatgut, bis der günstigste Zeitpunkt für den Verkauf gekommen ist.

Professionelles Konzept

Der LWB stellt der Gruppe Ochsen und Pflüge zu Verfügung, eine erste Saatgutausstattung und ein Lagerhaus. Inzwischen verfügt die Genossenschaft über drei Lager und einen mehr als grosszügigen Bestand an eigenem Saatgut. „Wir kaufen das Saatgut bei einem landwirtschaftlichen Betrieb, vervielfältigen es und verkaufen es mit Gewinn“, sagt Deba. Mit 35 unterschiedlichen Saaten macht die Genossenschaft in der Region ein gutes Geschäft. „Wir erzielen mit Sorghum einen wirtschaftlichen Ertrag  von bis zu 98 Prozent und mit Erdnüssen von 89 Prozent“, berichtet Deba voller Stolz. „Der LWB hat uns mit einem speziellen und professionelleren Konzept geholfen.“

Der Vorsitzende weiss, wovon er redet. Als Biologieprofessor war er der Leiter einer Lehranstalt in der ZAR in der Nähe der Grenze zum Tschad und gab sein Wissen über  Nutztierhaltung weiter, bevor ihn der Konflikt zwang, seine Heimat zu verlassen. Allerdings hat er seitdem immer ein kleines Feld bestellt. „Das habe ich von meinem Vater gelernt, und jetzt erweist sich das als sehr nützlich“, erzählt er.  

Als die Milizen in der Zentralafrikanischen Republik begannen, die Staatsbediensteten anzugreifen, die sie als Teil der bei ihnen verhassten Regierung ansahen, musste Deba fliehen. „Bewaffnete Männer kamen in meinen Unterricht und fragten, wo sie den Direktor finden könnten. Sie wussten nicht, wer ich war. Ich habe vorgegeben jemand anderes zu sein und bin geflohen“, erinnert er sich. Seine Frau nahm die Kinder mit und brachte sich mit ihrem Mann über die Grenze in Sicherheit. Das war vor zehn Jahren, seither war es der Familie nicht möglich, in ihre Heimat zurückzukehren.

Frieden und Bildung

Mittlerweile sind die  ältesten seiner 12 Kinder verheiratet, zwei besuchen die Universität, zwei haben Abitur gemacht und wollen ebenfalls eine Hochschulausbildung beginnen. Debas jüngste Tochter hat gerade mit der Mittelschule angefangen, sie lebt mit ihren älteren Geschwistern in der nahegelegenen Stadt Goré, da es dort bessere Schulen als in Dosseye gibt. Deba verwendet die Einnahmen aus der Saatgutproduktion für die Ausbildung seiner Kinder. „Es gibt keine Stipendien, und es ist schwer, vier Kindern die Universität zu finanzieren“, sagt er.

Wenn man ihn nach seinen Wünschen für die Zukunft fragt, fällt ihm die Antwort schwer. Er hat seinen Beruf als Biologieprofessor geliebt, aber die Arbeit als Landwirt und Unternehmer gefällt ihm ebenso gut. Aktuell sind ihm die Bedürfnisse seiner Kinder am wichtigsten. Das Geld aus der Saatgutherstellung muss in die Bildung seiner Kinder investiert werden. Für die Zukunft hofft Deba aber auf eine langfristigere Lösung. Seine Familie gehörte zu der Gruppe, die von den Behörden für die Umsiedlung in ein sicheres Drittland vorgesehen war, aber seit vier Jahren hat er nichts mehr von diesem Vorhaben gehört.

„Natürlich möchte ich wieder nach Hause“, sagt er, „aber das ist nicht möglich. Jetzt wünsche ich mir nur, dass meine Kinder eine gute Ausbildung bekommen und in einem Land leben können, wo es friedlich und sicher ist.“

LWF / C. Kästner