Das Christian Hospital Nabarangpur der Evangelisch-Lutherischen Kirche Jeypur ist eine Einrichtung mit 100 Betten unter der Leitung von Chefarzt Dr. Santosh Kumar Nag, der dort in fast 39 Jahren unterschiedlichste Funktionen wahrgenommen hat.
Im Interview spricht Nag über die Gemeinschaft, die das Hospital versorgt, und wie es gelingt, finanziell nachhaltig zu wirtschaften.
Interview mit Dr. Santosh Kumar Nag, Chefarzt des Christian Hospital der Evangelisch-Lutherischen Kirche Jeypur (JELC)
(LWI) – Seit seiner Eröffnung vor 71 Jahren versorgt das Christian Hospital Nabarangpur (CHN) als Gesundheitsdienst der Evangelisch-Lutherischen Kirche Jeypur die Menschen im Bundesstaat Odisha. Dr. Santosh Kumar Nag hat insgesamt 39 Jahre Dienst im Krankenhaus geleistet und freut sich darauf, zukünftig die vorhandenen Einrichtungen technisch auf den neusten Stand zu bringen und eine noch modernere medizinische Versorgung anbieten zu können.
Nag ist der medizinische Leiter dieses Krankenhauses mit 100 Betten und berichtet, wie er und sein medizinisches Team einen finanziell nachhaltig ausgestatteten Gesundheitsdienst für „diese meine geringsten Brüder“ (Matthäus 25,31-46) aufrecht erhält.
Wie war Ihre religiöse Erziehung als Kind?
Meine religiöse Erziehung war geprägt von Liebe und Fürsorge. Ich bin Lutheraner in der vierten Generation, getauft und konfirmiert in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Jeypur.
Was hat Sie inspiriert, Arzt zu werden und sich mit der Verwaltung eines Krankenhauses zu beschäftigen?
Dass sich meine berufliche Laufbahn so entwickelt hat, habe ich nie geplant. Ich habe Mathematik, Physik und Chemie als Hauptfächer studiert, Biologie als Nebenfach. Eigentlich wollte ich Ingenieur werden. Ich hatte nie die Absicht, Medizin zu studieren, weil ich Angst vor Leichen hatte. In dieser Zeit wurde die Kommunikation durch Naturkatastrophen oft erschwert, und meine Anmeldefrist zum Studium an der Ingenieurschule war irgendwann überschritten, so dass ich als Alternative nur noch ein Medizinstudium aufnehmen konnte, wofür ich mich dann auch widerstrebend beworben habe. Da ich aus einer auf dem Land lebenden Familie der unteren Mittelklasse stamme, die sich mein Studium an einer teuren privaten Einrichtung nicht leisten konnte, habe ich mein Glück auf einer staatlichen Uni versucht. Zum Glück war meine erste Bewerbung schon erfolgreich.
Sobald ich mein Medizinstudium aufgenommen hatte, wurde mir klar, dass ich im CHN arbeiten wollte, denn die Gesundheitsversorgung meiner Landsleute war absolut unzureichend.
Als Kind habe ich erlebt, mit welchem Einsatz deutsche Missionsärzte und -ärztinnen und Ärztinnen und Ärzte aus anderen Teilen Indiens Menschen medizinisch versorgt haben, das hat mich inspiriert. Dr. P. K. John, mein Vorgänger im CHN, war einer dieser Mediziner, die mich nachhaltig beeinflusst haben.
Worin sehen Sie die wichtigste Aufgabe des Christian Hospital?
Unsere Aufgabe im CHN besteht darin, eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung zu einem moderaten Preis anzubieten, und wir machen das als Ausdruck der Liebe Gottes, wie sie Jesus Christus vorgelebt hat. Wir engagieren uns auch für die Ausbildung derjenigen, die im Gesundheitswesen arbeiten wollen.
In welcher Funktion haben Sie im Krankenhaus gearbeitet?
Ich habe während der letzten 39 Jahre unterschiedliche Aufgabenbereiche im Krankenhaus übernommen. 1984 habe ich als Assistenzarzt im Krankenhaus angefangen. 1992 habe ich dann das Christian Medical College in Ludhiana besucht, wo ich eine weiterführende medizinische Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinchirurgie abschloss.
Nach Beendigung meiner Studien ging ich 1997 als Facharzt für Chirurgie wieder ins CHN zurück.
Von 1999 bis 2001 habe ich am Birla Institute of Technology & Sciences studiert und dort meinen Master-Abschluss in Krankenhaus- und Gesundheitsmanagement gemacht. 2008 wurde ich dann zum stellvertretenden medizinischen Leiter des CHN ernannt. Später übernahm ich dann den Posten des Chefarztes des Christian Hospital Nabarangpur. Darüber hinaus engagiere ich mich auch außerhalb des Krankenhauses in medizinischen Fachausschüssen und Gremien.
Zu meinen weiteren Aufgaben zählt die Mitwirkung im Finanzberatungskomitee der JELC.
Wie wird das Krankenhaus finanziert?
Gott sei Dank ist das Krankenhaus finanziell autark. Seit mehr als 15 Jahren haben wir keine finanziellen Hilfen mehr aus Indien oder dem Ausland erhalten. Geldspenden, die in der Krankenhauskapelle, der „Chapel of Hope“, gesammelt werden, unterstützen neue kirchliche Einrichtungen in den Dörfern, die von der JELC betreut werden. Das Christian Hospital Nabarangpur hat mehr als 90 Prozent der Ausgaben für die neue kirchliche Einrichtung der JELC aufgebracht. Das Krankenhaus ist nicht nur ein Segen, weil es sich um das körperliche Wohlergehen der Gemeinschaft kümmert, sondern es übernimmt ebenfalls wichtige Aufgaben innerhalb des geistlichen Lebens und der Evangelisation durch die Kirche.
Der einzigartige Aspekt unseres finanziellen Erfolgs ist darin zu sehen, dass wir jeden Menschen ungeachtet seiner finanziellen Möglichkeiten behandeln. Wir verweigern niemandem die Behandlung, weil er sie nicht bezahlen kann. Fast 20 Prozent unserer Gesamteinnahmen verwenden wir, um wirtschaftlich weniger gut situierte Patienten und Patientinnen zu unterstützen. Das sind im Jahr mehr als 224.400 Euro.
Wir sind ebenfalls zertifizierte Teilnehmer des Versicherungssystems des Bundesstaates Odisha für Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, auf diese Weise arbeiten wir eng mit der Regierung zusammen.
Das Geheimnis dieses Erfolgs ist die engagierte harte Arbeit des CHN-Teams und der Wille, allen Menschen den Zugang zu einer zuverlässigen Gesundheitsversorgung zu geben, die von gut ausgebildeten Gesundheitsfachkräften ausgeführt wird. Aus diesem Grund hat uns die Regierung des Bundesstaates Odisha vor kurzem die Genehmigung zur Eröffnung einer Schule für Gesundheits- und Krankenpflege erteilt.
Wo liegt der medizinische Schwerpunkt des Krankenhauses?
Es gibt bei den Menschen in unserer Gemeinschaft zahlreiche gesundheitliche Probleme, sowohl durch übertragbare als auch durch nicht-übertragbare Krankheiten. CHN hat einen guten Ruf in den Bereichen Allgemeinchirurgie sowie Geburtshilfe und Gynäkologie. Wir haben auf dem Gebiet der laparaskopischen Gallenblasenoperation Pionierarbeit geleistet, und Patienten und Patientinnen nehmen lange Wege in Kauf, um diesen Eingriff bei uns vornehmen zu lassen. In unserer Region ist die Sichelzellenanämie eines der gravierendsten Gesundheitsprobleme, gefolgt von Diabetes, Bluthochdruck und chronischen Nierenerkrankungen.
Während der COVID-19-Pandemie hat der Bundesstaat Odisha dem CHN die Aufgabe übertragen, ein extra für COVID errichtetes Behandlungszentrum mit 200 Betten auf einem Universitätscampus in etwa 2 Kilometer Entfernung von der Stadt zu betreiben. Dort haben wir mehr als 1.000 COVID-19-Kranke behandelt, wobei die Sterblichkeit bei weniger als 1 Prozent lag. Das CHN ist das einzige Missionskrankenhaus in Indien, dass eine COVID-Einrichtung mit 200 Betten im Regierungsauftrag gemanagt und dabei gleichzeitig den normalen Krankenhausbetrieb aufrechterhalten hat.
Inwiefern ist die Arbeit des Lutherischen Weltbundes wichtig für das Christian Hospital Nabarangpur?
Wir kennen die Rolle des LWB und seinen Einsatz für diverse Sozialreformen, darunter auch eine gerechte und zugängliche Gesundheitsversorgung, und möchten unsere Beziehungen zu der weltweiten Gemeinschaft auch in Zukunft weiterentwickeln.
Bei der Verbesserung unseres lokalen Versorgungsangebots können wir unserer Überzeugung nach von anderen Mitgliedskirchen und ihren Gesundheitsdiensten lernen, unsere Erfahrungen an sie weitergeben und unser medizinisches Engagement auch in den Bereichen Ausbildung und Weitergabe von Erkenntnissen bekräftigen. Der LWB ist eine Chance für das Christian Hospital Nabarangpur, auf diese Weise an der weltweiten Gemeinschaft teilzuhaben.