„Meinungen, Einstellungen und Politik“ verändern, um inklusivere Kirchen zu schaffen
(LWI) – Die Leitgedanken und Leitsätze des Grundsatzpapiers zu Gendergerechtigkeit im Lutherischen Weltbund (LWB), das vor mehr als zehn Jahren formuliert wurde, sind auch heute noch relevant und von zentraler Bedeutung, um inklusivere Kirchen und Gemeinwesen zu schaffen. Das haben die Teilnehmenden am Ende einer dreitägigen Konsultation in Genf bekräftigt. An der Tagung vom 9. bis 11. Dezember haben Koordinatorinnen und Koordinatoren von Netzwerken für Gendergerechtigkeit, LWB-Ratsmitglieder und andere Menschen, die in den Mitgliedskirchen der weltweiten Kirchengemeinschaft Fürsprachearbeit leisten, teilgenommen.
LWB-Generalsekretärin, Pfarrerin Dr. Anne Burghardt, hat sich mit den Teilnehmenden getroffen und sie nachdrücklich aufgerufen, ihren „Glauben auch weiterhin als zentrales Element [ihres] Engagements zu verstehen, um Meinungen, Einstellungen und die Politik zu verändern“. „Im LWB sind wir fest davon überzeugt, dass alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht eine gottgegebene Würde haben.“ Und weiter bekräftigte sie, dass der LWB „mit der Erarbeitung seines Grundsatzpapiers zu Gendergerechtigkeit unter den weltweiten christlichen Gemeinschaften eine Pionierrolle eingenommen hat“. Das Dokument, das vom LWB-Rat beschlossen wurde, wurde am Tag der Menschenrechte (10. Dezember) 2013 offiziell vorgestellt.
Als lutherische Gläubige, so Burghardt, „müssen wir alle Texte, die uns in der Bibel begegnen, mit der Maxime einer Rechtfertigung durch den Glauben und mit dem Grundsatz ‚was Christum treibet‘ im Hinterkopf lesen. Das lässt einige Bibeltexte, die angeführt werden, um die Führungsfähigkeit von Frauen in Zweifel zu ziehen, in einem anderen Licht dastehen.“ Weiterhin warnte sie vor „der Gefahr einer alleinstehenden Geschichte“, wenn Bibeltext aus ihrem Kontext gerissen würden.
Die LWB-Generalsekretärin hob die verschiedenen kulturellen Lebenskontexte der Kirchen und die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen in den Ländern hervor, in denen die LWB-Mitgliedskirchen lebten und wirkten. Unabhängig vom Kontext, sagte sie, „muss in allen Regionen noch viel getan werden, um die Menschen dafür zu sensibilisieren, dass Männer und Frauen gleiche Chancen und Möglichkeiten haben sollten, und das Bewusstsein der Menschen für das sehr weit verbreitete Problem geschlechtsspezifischer Gewalt zu schärfen. Die vollständige Verwirklichung von Gendergerechtigkeit bleibt eine wichtige Aufgabe, und es ist wichtig, dass mehr Männer an dieser Arbeit teilhaben.“
Auf dem Programm der Konsultation standen tägliche Andachten, Reflexionen und Bibelarbeiten, die sich mit Möglichkeiten beschäftigten, problematischen Texten entgegenzuwirken, die benutzt werden, um Frauen in der Kirche zu diskriminieren und ihnen gleiche Rechte vorzuenthalten. Die argentinische feministische Theologin Pfarrerin Dr. Mercedes Garcia Bachmann rief die Teilnehmenden dringend auf, verschiedene Kommentare zu Bibelstellen zu lesen, „um die Bibel zu unserer Verbündeten und nicht zu einem Hammer zu machen, der unsere Träume zerstört“.
Pfr. Mbongeni Dube aus Simbabwe, ein Teilnehmer am Lehrgang der Hélène Ralivao-Stiftung zu Theologie, Gendergerechtigkeit und der Ausbildung von Führungskompetenzen, sprach über Möglichkeiten, die biblische Figur des Joseph „als ein Beispiel für positive Männlichkeit zu nutzen, das der kulturellkon Konditionierung entgegenwirkt und die Würde von Frauen bekräftigt.“
Ausgehend von den Resolutionen der LWB-Vollversammlung 2023 in Krakau, Polen, bekräftigten die Teilnehmenden die Leitgedanken und Leitsätze des Grundsatzpapiers zu Gendergerechtigkeit. Sie erörterten wichtige Arbeitsbereiche für die kommenden Jahre, wie eine Forderung nach mehr theologischen und pädagogischen Ressourcen und Instrumenten, die konsequente Verwendung inklusiver Sprache im Gottesdienst und in der Kommunikation, umfassendere generationenübergreifende Zusammenarbeit, den Ausbau der Advocacyarbeit zur Beendigung schädlicher Praktiken und die Schaffung von Prozessen, um die Umsetzung des Grundsatzpapiers in lokalen Kontexten im Blick zu behalten.
Die LWB-Programmreferentin für Gendergerechtigkeit und Frauenförderung, Pfarrerin Dr. Marcia Blasi, erklärte, „der Weg bis zur Umsetzung des Grundsatzpapiers in unseren Mitgliedskirchen ist lang und in den verschiedenen Regionen gibt es unterschiedliche Bedürfnisse. Aber es ist großartig zu sehen, dass es in unseren Netzwerken viele junge Menschen gibt und auch Männer, die mit uns zusammenarbeiten wollen, um dieses Engagement an der Basis zu verankern. Wir müssen Gendergerechtigkeit als bereichsübergreifendes Anliegen in alle unsere Arbeitsbereiche integrieren und auch intersektionale Themen wie ethnische Zugehörigkeit, die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Schicht oder körperliche und geistige Behinderungen einbeziehen, die Frauen und Mädchen weiter marginalisieren und ausgrenzen.“
Blasi sagte, die Konsultation sei „ein wichtiger Schritt auf unserem gemeinsamen Weg gewesen und habe die Möglichkeit gegeben, die Fortschritte der letzten zehn Jahre zu feiern und zu erkunden, wie wir unsere kollektive Weisheit und unsere kollektiven Fähigkeiten und Erfahrungen nutzen können, um den patriarchalen Strukturen und Machtdynamiken in unseren Kirchen entgegenzuwirken“. Mit Blick auf die Rückschritte bei den Frauenrechten, die in vielen Teilen der Welt derzeit zu beobachten sind, beschrieb sie „die drei Tage mit gemeinsamen Gottesdiensten und Bibelarbeiten, gemeinsamem Singen und Erzählen von Geschichten, dem gemeinsamem Analysieren und Ausmalen der Zukunft“ als Quelle für „neue Energie und neuerliche Hoffnung, dass wir gemeinsam etwas verändern können“.
Vom 9. bis 11. Dezember findet in Genf die Konsultation zur Gendergerechtigkeit statt, um die Erfolge des ersten Jahrzehnts seit der Verabschiedung der LWB-Gundsatzpapiers zur Gendergerechtigkeit zu feiern und neue Strategien für den Aufbau geschlechtergerechter Beziehungen, Theologien und Kirchen innerhalb der LWB-Gemeinschaft und der Gesellschaft im Allgemeinen zu entwickeln.