Auf dem Treffen der europäischen Regionen in Prag werden die Delegierten an ihren Auftrag erinnert, Hoffnung zu vermitteln
(LWI) – Delegierte der Mitgliedskirchen in den drei europäischen Regionen des Lutherischen Weltbundes (LWB), kamen vom 8. bis 11. Oktober in der Tschechischen Republik zusammen, um sich über die Herausforderungen und Chancen auszutauschen, denen sie sich in ihren pluralistischen und zunehmend polarisierten Gesellschaften gegenübersehen. Die von der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder ausgerichtete Tagung stand unter dem Motto „Der Weg der lutherischen Kirchen in einem Europa im Wandel“.
Die Diskussionen drehten sich um Krieg und Frieden, spirituelles Wachstum und Säkularisierung, die Beziehungen zwischen Kirche und Staat und die Erneuerung des Gemeindelebens. Dabei beherzigten die Teilnehmenden die Worte des deutschen Theologen und Pastors Dietrich Bonhoeffer, der aus dem Gefängnis dazu aufrief, eine „Kirche für andere“ zu werden.
Junge Delegierte drückten ihre zunehmende Besorgnis über das Erstarken populistischer Regierungen und Ideologien aus und riefen die Kirchen dazu auf, in die Fußstapfen derer zu treten, die sich gegen den Totalitarismus des 20. Jahrhunderts gestellt haben, und in heutigen Kontexten „den Mächtigen die Wahrheit ins Gesicht zu sagen“. Die Kirchen in der gesamten Region wurden ermutigt, Vorbilder einer „kontinuierlichen Reformation“ zu sein und nicht auf ihre eigene Kraft zu vertrauen, „sondern auf Gottes Verheißungen von Gnade, Barmherzigkeit und Versöhnung“.
Perspektiven der Jugend
Ein Teil des Programms war der Vorstellung der neuen LWB-Strategie gewidmet. Hierzu gab es ein Panel, das sich ausschließlich aus jungen Delegierten zusammensetzte, die ihre Sichtweise zu den vier Schwerpunktbereichen „Florierende Kirchen“, „Verantwortungsbewusste Theologie“, „Gerechtigkeit und Frieden“ sowie „Praktizierte Nächstenliebe und Menschenwürde“ darlegten. Die Teilnehmenden sprachen über die Herausforderungen einer wirksamen Umsetzung dieser Strategie an der Basis.
Im Rückblick auf die Vollversammlung in Krakau im vergangenen Jahr reflektierten die Delegierten darüber, wie diese Erfahrung globaler Gemeinschaft die Arbeit der Kirchen in Europa bis heute inspiriert und prägt. Für viele war diese wegweisende Veranstaltung eine wichtige Erfahrung der Selbstwirksamkeit, die weiterhin Früchte trägt – auch für die polnischen Jugendlichen, die als Ordner und Freiwillige mithalfen. Sie erzählten von der starken Gemeinschaftserfahrung durch die gemeinsamen Gottesdienste und die Musik aus so vielen verschiedenen Ländern. Gleichzeitig erinnerte der Besuch in Auschwitz an vergangene Gräueltaten und an die Notwendigkeit, für Frieden, Gerechtigkeit und Menschenwürde überall dort einzutreten, wo sie heute bedroht sind.
Die Menschlichkeit in dieser Region ist in Gefahr
Dr. Fadi Atrash, Geschäftsführer des Auguste-Viktoria-Krankenhauses in Ostjerusalem
Beim Treffen in Prag hörten die Delegierten auch Erfahrungsberichte aus drei Konfliktgebieten (Ukraine, Palästina/Israel und Südsudan), in denen der LWB humanitäre Hilfe leistet und längerfristige Entwicklung unterstützt. Die Bildungskoordinatorin Maureen Ogutu erzählte von ihren Erfahrungen in südsudanesischen Flüchtlingslagern, wo sie Kindern Hoffnung und Zukunftsaussichten vermittelt, darunter Mädchen, die mit 12 Jahren zu Heirat und Schwangerschaft gezwungen wurden, oder Jungen, „die in ihrem Leben bisher nichts als Waffen kannten“.
Dr. Fadi Atrash, Geschäftsführer des Auguste-Viktoria-Krankenhauses in Ostjerusalem, sprach über die Auswirkungen des Krieges zwischen Israel und der Hamas sowie über die langfristigen Folgen der Besatzung für palästinensische Patientinnen und Patienten sowie für ihre Familien. „Die Menschlichkeit in dieser Region ist in Gefahr“, warnte er und fügte hinzu, die Kirchen müssten sich weiterhin für einen Waffenstillstand einsetzen, „um den Heilungsprozess einzuleiten“.
Pfarrer Dmytro Tsolin, lutherischer Pastor und Professor an der Katholischen Universität in Lviv, sprach von der dramatisch schwierigen Aufgabe, „vor dem Hintergrund des täglichen Todes und der Zerstörung in der Ukraine“ über den Glauben zu sprechen.
Vertreterinnen und Vertreter der drei europäischen Regionen tauschten sich darüber aus, wie Kriege und Konflikte in ihren Ländern heute wahrgenommen werden. Sie lehnten jede Rechtfertigung eines „heiligen Krieges“ ab und betonten die Notwendigkeit, für den Frieden zu beten und den Wert eines jeden menschlichen Lebens anzuerkennen.
Beim Abschlussgottesdienst erhielten die Teilnehmenden vor der Rückkehr in ihre Heimatkirchen Papierkärtchen mit Samenkörnern, die sie einpflanzen und pflegen sollten – ein Symbol für ihren Auftrag, wirksame „Hoffnungsvermittler“ zu sein, die das Evangelium weitergeben und die Saat des Friedens und der Versöhnung unter allen Menschen säen.
Die Tagung der europäischen Regionen fand vom 8. bis 11. Oktober 2024 in Prag, Tschechische Republik, statt. Delegierte aus den LWB-Mitgliedskirchen in Europa kamen zusammen, um über den weiteren lutherischen Weg im heutigen, sich schnell verändernden Europa zu beraten. Gastgeberin der Tagung war die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder.