Während in Gaza eine von Israel und der Hamas angekündigte viertägige Waffenruhe in Kraft tritt, spricht der Pfarrer der lutherischen Gemeinde in Jordanien über die Aussichten auf einen dauerhaften Frieden in der vom Krieg erschütterten Region nach.
Ein Pfarrer der ELCJHL über die Waffenruhe in Gaza und Aussichten auf einen dauerhaften Frieden in der Region
(LWI) – „Ich bin froh, dass es eine Waffenruhe gibt. Das ist eine Atempause für die Menschen und eine Zeit, in der sie Zuflucht suchen können. Dass sie nur vier Tage dauern wird, freut mich nicht. Und die Zeit danach macht mir Sorgen“, sagt Pfarrer Imad Haddad von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL). Es werde zwar von Frieden gesprochen, aber „was für ein Frieden wird das sein?“
Der Pfarrer der kleinen hauptsächlich aus palästinensischen Flüchtlingen bestehenden Gemeinde der Lutherischen Kirche des Guten Hirten in Amman, Jordanien, sagt, der Krieg in Gaza habe schwerwiegende emotionale und physische Auswirkungen auf die Menschen. Einige Mitglieder seiner Gemeinde haben Familienangehörige verloren. Viele von ihnen haben noch die Kriege von 1948 oder 1967 miterlebt und haben das Gefühl, dass sie die Nakba [wie die Massenvertreibung von Menschen aus ihrer Heimat in Palästina auf Arabisch genannt wird] erneut durchleben. Sie sind verzweifelt, fühlen sich im Stich gelassen und machen sich Sorgen um die Zukunft der palästinensischen Bevölkerung im Heiligen Land.
Der in Beit Jala geborene und aufgewachsene Haddad wurde 2008 in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und dem Heiligen Land ordiniert und diente zunächst in Beit Sahour und dann in Ramallah, bis er 2020 mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern nach Amman zog. „Als Palästinenser“, sagt er, „wurde ich an den Checkpoints immer wieder erniedrigt und gedemütigt. Meine Töchter hatten Angst, von Ramallah aus zu ihrer Familie nach Bethlehem zu reisen. Ich brauche eine Genehmigung, um die Erlöserkirche in Jerusalem zu besuchen. Manchmal wird sie mir erteilt, manchmal nicht.”
„Jedes menschliche Leben ist wichtig und wertvoll für Gott, und wir sind alle nach Gottes Bild geschaffen. Sowohl die Hamas als auch Israel müssen dies während eines Kriegskonflikts und während der Besatzung respektieren“, so Haddad.
Seit Israel als Reaktion auf den Angriff der Hamas im Süden Israels, bei dem 1.200 Menschen getötet wurden, einen Angriff auf den Gazastreifen gestartet hat, fordern Kirchen und internationale Organisationen einen Waffenstillstand. Nach palästinensischen Angaben sind seither mehr als 14.000 Menschen im Gazastreifen ums Leben gekommen. Wenn die Kirchen sich zu diesem Krieg äußern, dürfen sie auch das schon lange bestehende „Leid, das Unrecht, die Besatzung“ und die Erfahrungen des palästinensischen Volkes nicht vergessen, so der lutherische Pfarrer. Erklärungen und Briefe „reichen jedoch nicht aus“, betont er, „wir brauchen mehr konkretes Engagement vor Ort, wie z.B. die Bemühungen des Lutherischen Weltbundes, das anglikanisch geführte Al-Ahli Krankenhaus in Gaza zu unterstützen.“
Darüber hinaus appelliert Haddad an die christlichen Verantwortlichen, genau zu unterscheiden zwischen ihrer Beziehung zum jüdischen Volk und dem Staat Israel, der nach internationalem Recht Verantwortung und Pflichten hat. Mit Blick auf die Herausforderungen, die eine „Zweistaatenlösung“ für die palästinensische und israelische Seite mit sich bringt, sei er nicht optimistisch, aber er wolle „hoffnungsvoll“ sein in Bezug auf die Aussichten auf machbare Lösungen, die zu einem dauerhaften Frieden im Heiligen Land führen können.
Die Hoffnung lebendig halten
Angesichts der Lage sei es schwierig, die Hoffnung für sich und seine Gemeinde lebendig zu halten, so Haddad, zumal er manchmal das Gefühl habe, dass „mein Glaube und meine palästinensische Identität von einigen Christinnen und Christen im Westen in Frage gestellt werden“. „Wenn ich vor der Gemeinde stehe und predige, sage ich meinen Leuten, dass ich müde und wütend bin und mit Gott ringe. Aber ich sage ihnen auch, dass Gott meine Klage hört. Gott ist uns nah, auch wenn wir die Checkpoints passieren, und gibt uns die Kraft, weiterzumachen. Wir wissen, dass das, was wir jetzt haben, nicht das ist, wozu Gott uns berufen hat.“
Haddad fasst es so zusammen: „Hoffnung bedeutet für mich, mit Jesus nach Jerusalem zu gehen, hin zum Kreuz, aber nicht auf Golgatha zu enden, sondern der Auferstehung entgegen gehen. Und diesen Weg muss ich jeden Tag mit meiner Gemeinde gehen.”