Dörfliche Gemeinschaften in Nepal erhalten Hilfe

08 Mai 2015
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Der LWB verteilt Decken an die Überlebenden des Erdbebens im Distrikt Lalitpur. Foto: C. Kästner

Der LWB verteilt Decken an die Überlebenden des Erdbebens im Distrikt Lalitpur. Foto: C. Kästner

Bewährte LWB-Entwicklungsarbeit unterstützt die Menschen bei der Bewältigung der Katastrophe
(LWI) – Der Lutherische Weltbund (LWB) leistet in den dörflichen Gemeinschaften des Distrikts Lalitpur direkte Hilfe durch die Verteilung von Decken, Abdeckplanen und Lebensmitteln. Der LWB arbeitet seit acht Jahren mit diesen Gemeinschaften zusammen und steht ihnen jetzt zur Seite, nachdem sie mit am stärksten von dem Erdbeben in Nepal am 25. April 2015 getroffen wurden.

„Es war Mittag, und ich stand in der Küche“, berichtet Maili Pakhrin über das Beben. „Plötzlich begann die ganze Küche sich zu senken. Ich bekam Angst, denn ich wusste nicht, was geschah. Dann begann ich zu laufen. Als ich die Treppen herunterkam, sah ich die Häuser von einer Seite zur anderen schwanken. Ich hörte, wie die Küche zusammenstürzte, und ich sah, wie jedes Haus in unserer Strasse zusammenbrach.”

Totale Zerstörung

Mailis Dorf, Dhusel, liegt an einem Steilhang in den Bergen, die das Katmandu-Tal umschliessen. Die einzige Möglichkeit für sie, nach Hause zu kommen und Waren zu transportieren, sind die schmalen unbefestigten staubigen Strassen entlang der steilen Bergflanke. An klaren Tagen hat man eine gute Sicht auf Dhusel, wenn man die Piste den Berg hinauffährt.  Zurzeit sieht man nur ein Bild der totalen Zerstörung.  Ein Trümmerfeld aus roten Ziegeln und Holzbalken ist alles, was von den blauen Häusern übriggeblieben ist, die so typisch für das Dorf waren. Nicht ein einziges Haus hat das Beben unbeschadet überstanden. Von den insgesamt 338 Häusern wurden 300 komplett dem Erdboden gleichgemacht. Vier Menschen sind bei dem Erdbeben ums Leben gekommen, ebenfalls zahlreiche Tiere, die für die Menschen hier Wohlstand und Lebensgrundlage bedeuten.

Spielzeugautos, Bilderrahmen und Haushaltsgegenstände ragen aus dem Schutt, den die Menschen im Dorf nach ihren Habseligkeiten durchsuchen. „Alles, was ich habe, war in diesem Haus“, sagt Maili. „Sogar die meisten meiner Lebensmittelvorräte sind hier begraben. Meine Nachbarn haben mir geholfen, einiges von meiner Kleidung auszugraben, aber sie ist zerrissen.“ Maili wohnt jetzt bei der Familie ihres Bruders in einer Notunterkunft aus Plastikfolien von einem Gewächshaus. 

Da der LWB die Gemeinschaft seit Jahren kennt, war er eine der ersten Organisationen, die den Betroffenen Überlebenshilfe leisten konnten. Gemeinsam mit den ACT-Bündnispartnern hat der LWB 400 Decken an die Menschen dort verteilt, die ihre Häuser verloren haben.  Jetzt bespricht der LWB mit der Gemeinschaft, wie am besten mittelfristige Notunterkünfte zur Verfügung gestellt werden können. „Anstelle von Abdeckplanen sollten wir den Menschen besser Bleche geben“, sagt die regionale LWB-Projektkoordinatorin Nibha Shresta. „Wenn der Monsun in ein  paar Wochen beginnt, reichen die Planen nicht aus. Mit den Blechen können wir provisorische Unterkünfte bauen, bis die richtigen Häuser wieder aufgebaut sind.“

Die Dorfgemeinschaft ist sich jedoch uneins in dieser Frage. Einige wollen in erster Linie die Häuser wieder aufbauen in der Hoffnung, vor Beginn der Regenzeit wieder ein richtiges Dach über dem Kopf zu haben. Es erscheint allerdings unrealistisch, ein Dorf auferstehen zu lassen, von dem nur noch ein Haufen Ziegel übrig ist. „Alles ist zerstört“, sagt Shresta mit einem verzweifelten Ton in der Stimme. „Woher sollen die Menschen das Geld nehmen, um ein komplettes Dort wieder aufzubauen?“

Welle der Solidarität

„Die Regierung sollte ein Gesetz erlassen und vorschreiben, dass alle Häuser erdbebensicher gebaut werden müssen“, erklärt Rardlika Sanggel Mahat. Sie ist die Schatzmeisterin der örtlichen Frauenkooperative, einer Kreditgenossenschaft, die vom LWB mit Hilfe der lokalen Partnerorganisation „Solve Nepal“ gegründet wurde.  Ein Kleinkredit gab ihr die Möglichkeit, einen Büffel zu kaufen und ein Einkommen durch den Verkauf der Milch zu erzielen. Der Büffel wurde jedoch in dem zusammenstürzenden Haus während des Erdbebens verschüttet. „Wir haben nur noch einen Huf und ein Stück Seil gesehen“, erzählt Rardlika. „Also begannen wir zu graben und zu ziehen und schafften es auch, den Büffel lebendig herauszuholen. Das Tier war in Panik, und wir hatten alle Mühe, es wieder anzubinden. Meine ganze Familie hat geholfen.“

Es sind kleine Wunder wie diese, die den Menschen Mut machen – und auch die Projektarbeit, die der LWB in Dhusel leistet. Seit 2011 wurde die Dorfgemeinschaft im „Tunnelanbau“ unterwiesen, hier kommen Gewächshäuser zum Einsatz, die eine frühe Ernte ermöglichen.  „Die Menschen haben mir gesagt: Zum Glück haben wir die Gewächshäuser gebaut. Jetzt können wir die Plastikfolien für Notunterkünfte benutzen“, sagt Shresta. Die Gemeinschaft ist auch schon im Gespräch mit den örtlichen Behörden. Sie kennen ihre Rechte und wissen, wie sie Zugang zu Hilfsangeboten bekommen.“

Die Menschen in Dhusel haben bereits mit der Selbstorganisation begonnen.  Es gibt Nachbarschaftshilfe, um die persönlichen Habseligkeiten aus den Ruinen zu retten. Männer laufen nachts Streife, damit Kinder in den Ruinen nicht auf Diebestour gehen.  Überall im Dorf hört man das Hämmern der Werkzeuge, mit denen die Menschen sich Notunterkünfte aus den Holzresten zimmern. „Ich habe eine Unterkunft, deshalb helfe ich meinem Bruder beim Bau einer Unterkunft für seine Familie“, sagt Manbahadur und sitzt dabei auf einem Stapel aus Holzrahmen. „Dieses Trauma betrifft nicht nur mich. Wir leiden alle“.

Das Erdbeben hat eine Welle von Solidarität bei den Menschen in Nepal ausgelöst. Büros und Universitäten wurden geschlossen, und eine Armee von Freiwilligen hat Hilfe organisiert. In Dhusel sind es die jungen Männer und Frauen des „Everest Motor Bike Club” Kathmandu, die die Dorfgemeinschaft beim Bau von Toiletten unterstützen. „Wir hatten den Wunsch, etwas zu tun, deshalb haben wir uns über Facebook organisiert und sind hierher gefahren“, berichtet Clubmitglied Rakish Rais. „Wenn ein so grosses Unglück passiert, dann muss man einfach helfen.“
 

Wir bitten um Spenden an den LWB-Hilfsfonds für Nepal

 

LWF / C. Kästner
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Nepal
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