Menschenrechte, Ernährungssicherheit und Umweltschutz für Indigene
BUENOS AIRES, Argentinien/GENF (LWI) – Von den Anfängen der Hora de Obrar-Stiftung als Abteilung für Diakonie der Evangelischen Kirche am La Plata (IERP) bis hin zu ihrer Anerkennung als engagierter Anwalt für die Rechte indigener Gemeinschaften in Argentinien und Paraguay gibt es eine unveränderliche Konstante im Leben der Stiftung: die zuverlässige Unterstützung durch eine Reihe von Partnern, zu denen auch der Lutherische Weltbund (LWB) gehört.
Als die Hora de Obrar (Zeit zu handeln) vor kurzem bekannt gab, dass sie zu vier von insgesamt 90 Organisationen gehört, für deren Vorschläge die Europäische Union finanzielle Unterstützung zugesagt hat, äusserte der Direktor der Stiftung, Nicolás Rosenthal, seine „tiefe Dankbarkeit gegenüber dem LWB für alle diese Jahre der Unterstützung und des Vertrauens.“
Die Stiftung hatte sich auf die Aufforderung der Regierung zur Einreichung von Projektvorschlägen beworben, die die Finanzierungskriterien des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte erfüllen und bei denen es in erster Linie um indigene Völker geht. Brot für die Welt, das Hilfswerk der evangelischen Kirchen in Deutschland für die weltweite Entwicklungszusammenarbeit, war der federführende Partner bei der Antragstellung für den Förderbetrag von 880.000 Euro. Hora de Obrar wird drei Jahre lang der örtliche operationelle Partner sein.
Der neue EU-Zuschuss wird der IERP-Stiftung helfen, mit ihrer Arbeit nicht nur die bisher geförderten vier Mbya-Guarani-Gemeinschaften zu unterstützen, sondern zusätzlich 15 weitere Gemeinschaften in der Gemeinde Ruiz de Montoya in der nordöstlichen Provinz Misiones. „Wir sind froh, dass wir jetzt die finanziellen Mittel haben, um in den Bereichen Nahrungsmittelsicherheit und Gesundheitsversorgung mehr leisten zu können und uns zusätzlich auch um Gendergerechtigkeit, Bildung, sichere Infrastruktur und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung im Rahmen eines ständigen Beratungsprozesses mit den Gemeinschaften zu kümmern“, sagte Rosenthal.
Projektunterstützung ist Teil der Beziehungen der LWB-Gemeinschaft
Als eine der LWB-Mitgliedskirchen ist die IERP dem LWB durch zahlreiche Aktivitäten verbunden, die einen Beitrag zum Kapazitätsaufbau der Kirche leisten und die Beziehungen zwischen den Mitgliedskirchen auf regionaler und globaler Ebene stärken. Der LWB finanziert seit 2004 im Rahmen des Projektportfolios der Mitgliedskirchen Teile der von Hora de Obrar geleisteten Arbeit für die Mbya-Bevölkerung. Insgesamt wurden bisher Finanzhilfen in Höhe von 600.000 Euro geleistet. Die Finanzhilfe für das laufende Projekt begann 2013 und wird bis zum Projektende dieses Jahr insgesamt 169.000 Euro betragen.
„Die gemeinsame Arbeit mit dem LWB hat es uns ermöglicht, unsere Kapazitäten aufzubauen und Erfahrungen zu sammeln. Dies war eine Voraussetzung für diese neue Massnahme. Wir sind zutiefst dankbar und davon überzeugt, dass der LWB einen grossen Anteil an diesen Erfolgen hat“, fügte Fabián Dinamarca hinzu, der für Hora de Obrar als Projektkoordinator arbeitet.
Rebekka Meissner, LWB-Programmreferentin für Projekte der Mitgliedskirchen, sagte, es sei wichtig darauf hinzuweisen, dass das Ende eines Projektzyklus nicht das Ende der Zusammenarbeit mit dem LWB bedeute. „Ich hoffe, dass andere Projekte in Zukunft von dem substanziellen Fachwissen und den Erfahrungen profitieren werden, die Hora de Obra einbringt. Gegenseitige Inspiration und gemeinsames Lernen sind entscheidend.“
Nahrungsmittelsicherheit
Eine der Aktivitäten der Stiftung besteht darin, Ackerland für indigene Bevölkerungsteile in einem Land sicherzustellen, in dem das Wachstum grosser Landwirtschaftskonzerne während der letzten 20 Jahre auch nicht vor Urwald-Reservaten und den von den Mbya bewohnten Landreserven Halt gemacht hat. Die auf Nachhaltigkeit angelegte Lebensweise dieser Menschen wie zum Beispiel der Erhalt von Baumbeständen, die Jagd und das Sammeln von Nüssen, Früchten und anderen Nahrungsmitteln ist bedroht. Zu den Initiativen von Hora de Obrar, die Nahrungsmittelsicherheit zu verbessern, gehören die Gewinnung landwirtschaftlicher Nutzflächen und die Vermittlung von Kenntnissen über den Anbau von Mais, Bohnen, Kochbananen, Gemüse und Obst. Zu den Aufgaben mit Priorität gehört auch die Wiederaufforstung. Eine 2020 gestartete Kampagne hat sich zum Ziel gesetzt, in der Provinz 180.000 einheimische Baumarten zu pflanzen und damit die Nachhaltigkeit des Ökosystems zu sichern.
In der Ka‘a Kupe-Gemeinschaft, in der Hora de Obrar 15 Familien bei der Verbesserung ihrer jährlichen Nahrungsmittelproduktion unterstützt, haben einige Mitglieder mit Kohl-, Tomaten-, Kopfsalat-, Zwiebel-, Karotten- und Petersiliesetzlingen ihre eigenen Gemüsegärten angelegt. Die Stiftung stellt ebenfalls einige Werkzeuge wie Hacken und Giesskannen zur Verfügung.
Zweisprachige Schule
Zur Arbeit der IERP in den 1960er Jahren gehörten auch kirchliche Gemeindeschulen und Einrichtungen, die soziale Funktionen übernommen haben, die der Staat nicht erfüllen konnte. Der Austausch und die gegenseitige Wissensvermittlung zwischen den Mbya-Gemeinschaften in Paraguay und Misiones in den Bereichen Bildung, organisatorische Stärkung und Gesundheitsversorgung ist ein wichtiger Teil der Stiftungsarbeit.
Zu den Bildungsinitiativen der Stiftung zählen heute eine zweisprachige Schule (Mbya Guaraní und Spanisch) und die interkulturelle Takapí School, die zu örtlichen Gemeinde gehört und von Hora de Obrar unterstützt wird. Die Lehrpläne der Grundschule integrieren die allgemein geltenden Bildungsinhalte, wie sie das argentinische Schulsystem vorsieht, ergänzt um indigenes Wissen und die indigene Sprache, die zum Erhalt der Mbya-Kultur unverzichtbar ist.
Finanziert von der argentinischen Regierung, aus Einnahmen durch den Verkauf von Kunsthandwerk und mit Unterstützung der örtlichen Gemeinde und Spenden von ausländischen Partnern kann die Einrichtung 76 Schüler und Schülerinnen unterrichten und 10 Lehrkräfte beschäftigen. Die Schule bietet ebenfalls Koch-Workshops, Kunst- und Kunsthandwerk-Seminare und eine Suppenküche, die sich besonders während der COVID-19-Pandemie als sehr wichtig erwiesen hat.
Gender-Gerechtigkeit
Das diakonische Werk der IERP arbeitet mit anderen Akteuren der Zivilgesellschaft und der Regierung zusammen, um für Themen wie Gendergerechtigkeit und auch Gewalt an Frauen zu sensibilisieren. Über unterschiedliche Plattformen haben indigene Frauen in ihrer lokalen Sprache Zugang zu Informationen über ihre Rechte und direkte Möglichkeiten für weitere Schritte. Auf diese Weise wurde auch Aufmerksamkeit für andere Probleme hergestellt, dazu gehören die gesundheitliche Versorgung und die psychosoziale Unterstützung für Menschen, die drogenabhängig sind und psychische Probleme haben.
Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
Im Mittelpunkt der Arbeit von Hora de Obrar steht die anwaltschaftliche Arbeit für die Rechte indigener Bevölkerungsteile. Nach einem 2020 vom Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte gesprochenen Urteil muss der argentinische Staat die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte indigener Gemeinschaften in der nordwestlichen Provinz Salta schützen. Dieses Urteil war von besonderer Bedeutung. Die Aufklärung über diese erste internationale Rechtsprechung über Territorien für indigene Völker bleibt eine Priorität für die IERP-Stiftung.
In Kenntnis der Tatsache, dass die EU-Finanzierung wie auch die langjährige Unterstützung durch den LWB ein Zeitlimit haben, weist Rosenthal auf die Notwendigkeit von Partnerschaften hin, um die Zukunftsfähigkeit der Gemeinschaften zu garantieren. „Aus diesem Grund zielt das gesamte Projekt darauf ab, einen Fundus an bewährten materiellen und menschlichen Ressourcen zu hinterlassen, die die Bindungen zu staatlichen und privaten Akteuren stärken“, fügte er hinzu.
Aufgrund der Einschränkungen infolge der COVID-19-Pandemie musste die Stiftung einige ihrer Aktivitäten einschränken oder anpassen und sicherstellen, dass indigene Gemeinschaften nicht zusätzlichen Risiken ausgesetzt sind. Zu diesen Massnahmen 2020 gehörten die Verteilung von Nahrungsmitteln und Hygiene-Sets an isolierte indigene Gemeinschaften in Misiones, finanziert vom LWB-Soforthilfefonds im Jahre 2020.
Die Evangelische Kirche am La Plata (IERP) hat Gemeinden in Argentinien, Paraguay und Uruguay. Sie zählt 27.000 Mitglieder und ist seit 1991 Mitglied des LWB. IERP-Kirchenpräsident ist Pfr. Leonardo Schindler.
Im Rahmen des Projektportfolios der Mitgliedskirchen unterstützt der LWB Kirchen in ihren Initiativen, pragmatische Lösungen für die dringendsten Probleme in ihren Gemeinden und in den Gemeinschaften insgesamt zu finden. Es handelt sich dabei um diverse Projekte, zum Beispiel theologischer Ausbildung, Gesundheitsversorgung, Existenzsicherungsinitiativen und mehr Selbstbestimmung für Frauen und junge Menschen. Das Ziel besteht grundsätzlich darin, Kirchen in ihren wichtigsten Belangen zu unterstützen und ihre Fähigkeiten zu verbessern, Projekte zu planen, zu überwachen, umzusetzen und über die Ergebnisse zu berichten. Finanzierungspartner und operationelle Partner sind meistens LWB-Mitgliedskirchen oder mit der Gemeinschaft verbundene Einrichtungen.