Emmanuel Abraham erinnert sich an die erste Gesamtafrikanische Lutherische Konferenz
Addis Abeba (Äthiopien)/Genf, 01. Juni 2015 (LWI) – Dr. Emmanuel Abraham, früherer Präsident der Äthiopischen Evangelischen Kirche Mekane Yesus (ÄEKMY), war einer von fünf Vorsitzenden der ersten gemeinsamen Konferenz der LutheranerInnen in Afrika, die im November 1955 in Marangu (Tansania) tagte.
Die Lutherische Welt-Information sprach im Vorfeld der Konferenz lutherischer Kirchenleitender in Afrika mit dem Thema „Reformierende Kirche sein angesichts eines im Wandel befindlichen afrikanischen Kontexts“, die vom 20. bis 24. Mai in Moshi (Tansania) stattfand, mit dem inzwischen 102-jährigen Abraham. Der ehemalige Kirchenpräsident berichtete von den Eindrücken, die er bei der Tagung vor 60 Jahren gesammelt hatte, und beschrieb seine Vorstellung von der afrikanischen lutherischen Kirche der Zukunft.
Wie sah das Luthertum im damaligen Kontext aus?
Die evangelistische Arbeit der Anhänger und Anhängerinnen Luthers in Afrika wurde bei der Konferenz im Detail erörtert. Allerdings war klar, dass afrikanische lutherische Gläubige in manchen Ländern in ihrem Leben und ihrer Arbeit mit vielfältigen Herausforderungen und Hindernissen bezüglich der Rasse und Hautfarbe konfrontiert waren.
Die Mitglieder der afrikanischen lutherischen Kirchen, die sich in Marangu versammelten, hatten ein zentrales Ziel – sie wollten Gemeinschaft, wollten einander kennenlernen und wollten ihre Erwartung der Freiheit für das Afrika der Zukunft artikulieren.
Mit welcher Empfindung kamen die afrikanischen lutherischen Kirchenleitenden zu dieser ersten Tagung in Marangu zusammen?
Es war die Empfindung, dass Afrikas sich in naher Zukunft als geeinter Kontinent zusammenfinden und dass weite Teile Afrikas frei sein würden vom Kolonialismus. Da ging es weniger um Begeisterung, vielmehr wollten die Menschen einfach eins sein. Sie wollten sich gemeinsam einsetzen für die zukünftige Einheit Afrikas. Noch vor Gründung der Organisation für Afrikanische Einheit (Vorgängerin der Afrikanischen Union) fanden sich afrikanische Lutheraner und Lutheranerinnen zusammen und die Losung lautete Freiheit.
Warum ist Ihrer Meinung nach Marangu heute wichtig?
Der Zweck der Tagung an sich – zusammenzukommen – verweist schon darauf, dass die afrikanischen Lutheraner und Lutheranerinnen sich zusammenfanden und gemeinsam handelten um der Zukunft Afrikas willen. Marangu ist bedeutend, weil das Ziel erreicht wurde: man kam zusammen, lernte einander kennen und wurde ein freier Kontinent.
Viele von denen, die in Marangu dabei waren, sind heute nicht mehr am Leben. Aber ihre Vision der Einigkeit ist geblieben. Heute haben Viele nicht das Wohl Afrikas im Sinn.
Als Sie in Marangu tagten, standen die meisten afrikanischen Länder unter Kolonialherrschaft. Was ist Ihr Rat für die heutige Generation afrikanischer Lutheranerinnen und Lutheraner?
Mein Rat an sie lautet, ihre Unabhängigkeit zu stärken und wie Menschen zu handeln, die von sich sagen, sie seien unabhängig, und ihren Glauben weiter zu stärken. Es gibt viele Fallstricke und Menschen, die unsere Einigkeit zerstören und Afrika wieder unter ihre Kontrolle bringen wollen. Im Kern geht es um Einheit und Einigkeit im Geist und im Handeln. Die afrikanische Bevölkerung hat Macht, wenn sie sie richtig einsetzt.
Zuletzt ein Wort der Ermutigung. Gestatten Sie, dass ich aus meinem Hauptreferat zitiere, das ich in Marangu am 14. November 1955 gehalten habe, denn ich meine, das Gesagte ist auch heute noch relevant: „Mitchristen und Mitchristinnen, aus welchem Teil Afrikas Ihr auch kommt, seid getrost, denn Eure Erlösung im vollsten Sinne ist nahe… Egal wie die Chancen stehen, es obliegt jedem und jeder von uns, die wir in der Nachfolge Christi stehen, den uns gegebenen Auftrag im Geist Christi anzupacken. Tun wir dies, so bin ich fest überzeugt, dass wir schliesslich im Triumph die Herrlichkeit dessen erreichen werden, der uns geliebt und sich für uns und zum Wohle unserer Mitmenschen überall hingegeben hat…“ Gott segne Sie alle.
(Das Interview führte Tsion Alemayehu in Addis Abeba. Sie gehört dem Africa Lutheran Information and Communication Network an und ist Pressesprecherin der ÄEKMY. Wir danken Ruth Emmanuel Abraham, deren Unterstützung das Gespräch mit ihrem hochbetagten Vater möglich gemacht hat.)