Namibia: Frei, um Gottes Ruf zu folgen

In dieser Ausgabe von „Stimmen aus der Kirchengemeinschaft“ berichtet Bischöfin Hilja Nghaangulwa über ihren Weg ins Bischofamt, von ihrer Kindheit im Dorf ihrer Großeltern bis hin zu ihrer Berufung in die Leitung der Eastern Diocese ihrer Kirche in Namibia. 

31 Okt 2025
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Bishop Hilja Nghaangulwa of the Eastern diocese of the Evangelical Lutheran Church in Namibia (ELCIN). Photo: LWF/P. Hitchen

Bischöfin Hilja Nghaangulwa von der Eastern Diocese Synod der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia (ELKIN) Foto: LWB Hitchen

Bischöfin Hilja Nghaangulwa von der Eastern Diocese Synod der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia

(LWI) – „Ich möchte andere Frauen inspirieren, damit sie erkennen, dass wir alle in unseren unterschiedlichen Diensten und Abteilungen Leitungsaufgaben übernehmen können.“ Als erste Bischöfin in Namibia sieht sich Hilja Nghaangulwa selbst als ein Vorbild für andere junge Frauen und Mädchen in ihrer Kirche. „Die Menschen haben mich ausgelacht, als ich sagte, dass ich Pfarrerin werden und predigen wollte“, erinnert sie sich, „aber ich glaube, dass dies eine Berufung durch Gott ist, und wir sollten so frei sein, dieser Berufung zu folgen.“

Als Leiterin der Eastern Diocese der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia (ELKIN) macht sich Nghaangulwa Sorgen darüber, dass immer weniger junge Menschen in den Gottesdienst kommen, obwohl sich 90 % Prozent der Bevölkerung des Landes selbst als Christen und Christinnen bezeichnen. Die Lutheraner stellen die zahlenmäßig größte Konfession dar, gefolgt von den römisch-katholischen, den anglikanischen und anderen protestantischen Glaubensgemeinschaften und einer steigenden Zahl neuer Pfingstkirchen.

Nghaangulwa sieht die Aufgabe kirchlicher Leitung auch darin, jungen Menschen mit Offenheit zu begegnen. Dazu gehört auch das ambitionierte Projekt eines Fernsehsenders, der Gospelmusik und Gottesdienste live für ein junges Publikum überträgt. Während einer vor kurzem erfolgten Klausurtagung für neu gewählte Führungskräfte von Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes (LWB) sprach die Bischöfin über ihren Glaubensweg und über ihre Hoffnungen für die Zukunft ihrer Kirche. 

Erzählen Sie uns bitte etwas über ihre Kindheit und wie sie das Kirchenleben damals wahrgenommen haben.

Wir waren fünf Kinder, aber in unserer Kultur schicken Eltern oft einen Sohn oder eine Tochter zu den Großeltern, damit sie sich um sie kümmern, und das war in unserer Familie ich. Damals empfand ich es als ziemlich belastend, die Ziegen und das Vieh hüten zu müssen oder meilenweit zu gehen, um Wasser zu holen oder Brennholz in den Wäldern zu sammeln. Ich wollte damals keine dieser Aufgaben übernehmen, aber heute bin ich dankbar dafür, wie mich meine Großeltern behandelt haben.

Ich bin bei meinen Großeltern aufgewachsen, die lutherischen Glaubens waren, deshalb habe ich die Sonntagsschule besucht und später meine eigene Sonntagsschulgruppe in meinem Dorf geleitet. Nach der Konfirmation wurde ich Jugendleiterin und begann, weitere Aufgaben in der Kirche zu übernehmen, zum Beispiel zu kochen und andere Dienste zu verrichten. 

Wollten Sie damals schon Pfarrerin werden?

Als ich die 12. Klasse abgeschlossen hatte, wollte ich mich für ein Theologiestudium einschreiben, aber als ich erzählte, dass ich Pfarrerin werden wollte, lachten mich die Leute aus. Ich war ja nur ein einfaches Dorfmädchen. Sie sagten: „In welcher Sprache wirst du predigen, wenn du nicht einmal vernünftig reden kannst?“ Ich erhielt eine Studienzulassung für das United Lutheran Theological Seminary Paulinum, aber dann beschloss ich, Lehrerin zu werden.

Eines Tages im Jahr 1998 habe ich ein Missionsfestival besucht, und danach hatte ich immer wieder die Vision einer Frau in Schwarz mit einem weißen Kragen. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich tatsächlich Pfarrerin werden wollte, deshalb begann ich 2000 meine Ausbildung in Windhoek und wurde im Juli 2004 ordiniert. Frauen wurden in meiner Kirche schon ab 1992 ordiniert, aber mir ging es darum, anderen zu zeigen, dass sogar ein einfaches Dorfmädchen wie ich dazu berufen sein konnte, auf diese Weise zu dienen.

Wo begannen Sie Ihren Dienst als Pfarrerin?

Ich begann meinen Dienst in einer Gemeinde im Norden Namibias, direkt an der Grenze zu Angola. Unsere Eastern Diocese ist in zehn Dekanate aufgeteilt, und ich begann, für mehrere Jahre im Uumbangalantu Northern-Dekanat zu arbeiten. Ich wollte aber meine Studien fortsetzen, da ich keinen Abschluss hatte, deshalb habe ich mich an der Stellenbosch University in Südafrika eingeschrieben und dort 2012 und 2013 studiert. 

Nach meiner Rückkehr wurde ich mit der Leitung des Northern-Dekanats beauftragt, danach wurde ich als amtierende Assistenzbischöfin in unseren Diözesanrat bestellt. 2021 hat unsere Synode einen neuen Bischof gewählt, der leider im September desselben Jahres verstarb. So beschloss die Synode, dass ich als Assistenzbischöfin die Diözese für die nächsten drei Jahre leiten sollte. 2024 hatten wir eine weitere Synode, auf der ich offiziell zur Bischöfin der Eastern Diocese gewählt wurde.

Was bedeutet es für Sie, die erste Bischöfin des Landes zu sein?

Wissen Sie, zunächst konnte ich es kaum glauben. Nach meiner Bischofswahl ging ich mir die Hände waschen und schaute dabei in den Spiegel. Ich sah das Kreuz auf meinem Ornat und erkannte erst in diesem Moment, dass dies Wirklichkeit war. Ich glaube, das ist eine Gabe Gottes, und ich möchte einfach andere Frauen inspirieren, sie ermutigen zu erkennen, dass wir alle in unseren unterschiedlichen Diensten und Abteilungen Führungsaufgaben übernehmen können.

Erzählen Sie uns mehr über Ihre Kirche und die Herausforderungen, denen Sie begegnen.

Die ELKIN ist die größte Kirche in Namibia, und die Menschen lutherischen Glaubens bilden nach wie vor die größte Konfession in unserem Land. Wir haben drei Kirchen: die Evangelisch-Lutherische Kirche in Namibia, die Evangelisch-Lutherische Kirche in der Republik Namibia (ELKRN) und die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in Namibia (DELK). Das wichtigste ökumenische Gremium ist der Rat der Kirchen in Namibia, der als Dachorganisation für alle großen christlichen Kirchen fungiert. Seit unserer Unabhängigkeit haben wir ein paar neue Kirchen, die Menschen auf Irrwege führen und ihnen erzählen, dass sie einen guten Job oder eine Beförderung bekommen, wenn sie sich ihnen Kirchen anschließen. Viele Menschen fühlen sich von diesen Versprechungen angezogen.

Wie gehen Sie mit diesen irreführenden Theologien um?

Oftmals kommen Menschen zu unserer Kirche zurück, wenn sie krank werden, denn sie sind dann nicht mehr erwünscht in diesen Kirchen, und niemand kümmert sich dort um sie. Die Führungskräfte dieser Kirchen nennen sich Propheten oder Apostel, denn sie behaupten, dass sie zum Dienst berufen werden, ohne irgendeine Ausbildung dafür zu haben. Wir fordern aber die Regierung auf dafür zu sorgen, dass alle Pfarrer und Pfarrerinnen entsprechend ausgebildet werden müssen, bevor sie als religiöse Führungskräfte tätig werden können.

Welche anderen Prioritäten haben Sie als Bischöfin?

Ich möchte mehr junge Menschen ansprechen. Viele haben kein Interesse mehr an der Kirche. Wir planen, unser Referat für christliche Bildung zu erweitern, und unterstützen die Produktion von Comics mit biblischen Geschichten für Kinder, die viel Zeit vor dem Fernseher verbringen. Jetzt wollen wir unseren eigenen TV-Sender mit Gospelmusik und jeden Sonntag Liveübertragungen von Gottesdiensten an den Start bringen Wir versuchen, finanzielle Unterstützung von unseren Gemeinden zu bekommen, aber das ist nicht leicht.

Zurzeit kommen die Menschen noch zu besonderen Anlässen in die Kirche, aber an einem normalen Sonntag haben sie kein Interesse. Wir haben für die Gemeinden ein Programm aufgelegt und sie ermutigt, wöchentliche soziale Veranstaltungen und freitags Bibelarbeit für die Jungen anzubieten. Viele junge Menschen haben Probleme mit Alkohol und Drogen, deshalb hoffen wir, dass wir ihnen einen Platz anbieten können, wo sie über ihre Probleme und ihre Zukunft sprechen können. Das kann ihnen helfen, ihr Verhalten zu ändern. Wenn wir sie wieder in die Kirche zurückbringen können, sind wir voller Hoffnung, denn sie sind meistens gut ausgebildet und können unsere Arbeit unterstützen.

Sie haben eigene kleine Kinder, nicht wahr?

Ja, ich habe vier Mädchen und einen Jungen zwischen 8 und 19 Jahren. Mein Mann ist Lehrer, und wir leben in demselben Dorf, in dem ich mit meinen Großeltern aufgewachsen bin. Wenn ich von meiner Arbeit nach Hause komme und auch während der Ferien bin ich gerne bei ihnen, kümmere mich um meine Ziegen, Hühner und Schweine oder bereite meine Felder für die nächste Saat vor.

Was bedeutet es für Sie, Teil der globalen Gemeinschaft lutherischer Kirchen zu sein?

Ich bin mutiger geworden, weil ich weiß, dass ich nicht allein bin. Es gibt viele weibliche Führungspersonen in anderen Kirchen, wir haben die gleiche Autorität, und wir werden gleichbehandelt. Wir haben auch die erste Präsidentin in der Geschichte unseres Landes, auch deshalb vertrauen und akzeptieren uns die Menschen heute eher als Führungspersonen. Ich bin dankbar, dass ich durch den LWB andere Bischöfinnen getroffen habe, so dass ich von ihnen lernen kann, mich stärker fühle und auf meinen eigenen Füßen stehen kann.

LWF/P. Hitchen