„Mission im Kontext“ für die heutige Welt neu denken

Wie können die Kirchen Mission in einer zunehmend globalisierten, polarisierten und technologisch geprägten Welt neu denken? 

01 Mai 2025
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Ein Webinar, das auf das Dokument „Mission im Kontext“ der LWB zurückblickt und über die zukünftigen Wege einer missionalen Kirche diskutiert. Foto: LWB/Johanan Celine Valeriano

Ein Webinar, das auf das Dokument „Mission im Kontext“ der LWB zurückblickt und über die zukünftigen Wege einer missionalen Kirche diskutiert. Foto: LWB/Johanan Celine Valeriano

Ein Theologe aus Afrika und eine Theologin aus Asien blicken auf das wegweisende Dokument aus dem Jahr 2004 zurück und sprechen über zukünftige Wege kirchlicher Mission

(LWI) – Zwei Mitwirkende an der Entstehung und Verbreitung eines zentralen Dokuments zur Mission, an dem sich der Lutherische Weltbund (LWB) seit zwanzig Jahren orientiert, trafen sich am 29. April, um eine Zwischenbilanz zu ziehen und über zukünftige Wege kirchlicher Mission in einer Welt im Umbruch zu sprechen. 

Pfarrer Dr. Péri Rasolondraibe von der Madegassischen Lutherischen Kirche und Pfarrerin Dr. Priscilla Singh von der Tamilischen Evangelisch-Lutherischen Kirche berichteten über ihre Mitarbeit bei der Entwicklung und Umsetzung des Dokuments  Mission im Kontext: Verwandlung, Versöhnung, Bevollmächtigung aus dem Jahr 2004.

Pfarrerin Dr. Christine Keim von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg eröffnete die Veranstaltung. Sie ist Vorsitzende des Leitungskreises der Globalen Missionskonsultation, die vom 17. bis 21. Mai in Taiwan stattfindet. Keim erinnerte daran, dass die aktuelle Auseinandersetzung mit der lutherischen Missionstheologie und -praxis auf einen Beschluss zurückgeht, der auf der LWB-Vollversammlung 2023 in Krakau (Polen) verabschiedet wurde. 

Von der Missionstätigkeit zur missionalen Identität

Rasolondraibe, der von 1995 bis 2005 Direktor des LWB-Referats für Mission und Entwicklung war, beschrieb die Entstehungsphase des Dokuments Mission im Kontext als eine Zeit, die unter anderem von rasanter Globalisierung, dem Ende der Apartheid in Südafrika und neuen geopolitischen Bündnissen nach dem Kalten Krieg geprägt war. 

Innerhalb der Kirchen habe damals ein grundlegendes Umdenken im Hinblick auf die Mission stattgefunden, sagte er. Statt Mission als „eine Tätigkeit der Kirche“ anzusehen, erkannte man zunehmend, „dass die Kirchen zur Teilhabe an Gottes Mission eingeladen“ seien. Dieser Wechsel von einem „missionarischen“ hin zu einem „missionalen“ Modell sei im Jahr 1998 bei einer Globalen Missionskonsultation in Nairobi (Kenia) entwickelt worden, merkte er an. 

Singh, die von 1998 bis 2008 LWB-Referentin für Frauen in Kirche und Gesellschaft war, erörterte die biblischen Grundlagen des Dokuments von 2004. Mit Bezug auf die Emmaus-Erzählung aus dem Lukasevangelium sagte sie, das Dokument versuche, Mission als eine Art der Begleitung zu verstehen: gemeinsam mit schutzlosen und gefährdeten Menschen unterwegs zu sein, so wie Jesus mit den Jüngern unterwegs ist und sich ihre Nöte und Erwartungen anhört.

Als Jesus den Jüngern die Schrift auslegt, so Singh, „verwandelt sich Trauer in Freude“. Sie wissen jetzt nicht nur etwas über Jesus, sondern lernen ihn persönlich kennen. „Sie werden durch das Wort Gottes bevollmächtigt“, so dass ihnen beim gemeinsamen Abendmahl die Augen aufgehen können. Obwohl die Jünger erschöpft und traumatisiert sind, laufen sie sofort los, um die frohe Botschaft weiterzugeben. In Indien, wo Christinnen und Christen in der Minderheit seien, bedeute das für sie: „Dasselbe muss auch ich tun: ein lebendiger biblischer Brief sein, der einzige, den meine Nächsten je lesen werden“. 

Einen Kontext für die Hoffnung schaffen

Singh machte sich auch Gedanken über die Identität der beiden Jünger, die nach den Ereignissen von Karfreitag und Ostersonntag nach Emmaus zurückkehren. Einer wird als Kleopas benannt, und von der anderen Person wird traditionell angenommen, dass es sich um einen weiteren Mann handelt. Einige Forschende meinen jedoch, es könne sich um Kleopas’ Frau Maria handeln, die auch bei der Kreuzigung Jesu anwesend war. Wenn der auferstandene Christus sich in diesen unterschiedlichen Kontexten offenbare – zuerst den Frauen, dann einem Paar und schließlich den Männern in Jerusalem – verändere dies das „patriarchale Kirchenmodell“, sagte Singh.

Rasolondraibe schloss mit einem Ausblick auf künftige Wege kirchlicher Mission und bemerkte, dass weiterer Gesprächs- und Entwicklungsbedarf zur Rolle des Heiligen Geistes in einer missionalen Kirche bestehe. Mission beginne zwar im lokalen Kontext, müsse sich aber darüber hinaus öffnen und mit anderen christlichen Gemeinschaften zusammenarbeiten, um „einen Kontext für die Hoffnung zu schaffen“.

Das Webinar wurde von Pfarrer Dr. Sivin Kit, dem derzeitigen LWB-Direktor für Theologie, Mission und Gerechtigkeit, moderiert. Unter den Teilnehmenden waren Theologinnen und Theologen, aktive Missionskräfte, Studierende sowie kirchliche Leitungspersonen, darunter Frauen und Jugendliche aus verschiedenen Regionen der Welt. In der Diskussion wurden die unterschiedlichsten Fragen thematisiert, zum Beispiel das Spannungsverhältnis zwischen prophetischem Zeugnis und politischer Neutralität, der „Konkurrenzdruck“ durch evangelikale Kirchen, die das „Wohlstandsevangelium“ predigen, die Konsequenzen der Dekolonialisierung von Mission und die Wichtigkeit, junge Menschen als diejenigen einzubinden, die den Wandel weiter vorantreiben.

LWB/P. Hitchen
Land:
Schweiz
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