Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Simbabwe fordert im Rahmen ihres Engagements zur Umsetzung der Empfehlungen aus den UPR- und CEDAW-Prozessen den Zugang zu Landbesitz. Foto: LWB/Sikhonzile Ndlovu
LWB-Mitgliedskirchen berichten über erfolgreiches Engagement in UN-Prozessen zur Förderung von Gendergerechtigkeit in ihren Ländern
(LWI) – „Die Beschäftigung mit globalen Mechanismen zur Überwindung der Diskriminierung von Frauen und Mädchen hat meine Kirche gelehrt, die Menschenrechtssprache zu sprechen“, berichtet Pfarrerin Sandra Rosenberga Saavedra von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Chile (IELCH). „Sie zeigt uns, dass wir eine prophetische Stimme der Hoffnung beitragen und zeigen können, wie unser Glaube Ausdruck findet in konkretem Engagement für marginalisierte Bevölkerungsgruppen.“
Rosenberga sprach im Rahmen einer Online-Veranstaltung des Lutherischen Weltbundes (LWB), bei der Mitgliedskirchen erfolgreiche Strategien zur Förderung von Gendergerechtigkeit in ihrem jeweiligen Kontext vorstellten. Die virtuelle Lernveranstaltung zeigte, wie Kirchen gemeinsam mit Behörden, zivilgesellschaftlichen Organisationen und ökumenischen Partnern daran arbeiten, Gewalt gegen Frauen und Mädchen und ihre Diskriminierung zu verhindern. Zu den teilnehmenden Partnerorganisationen zählten unter anderem Christian Aid, Norwegian Church Aid, ACT Church of Sweden und Finn Church Aid.
Referierende aus Namibia, El Salvador, Sierra Leone, Chile und Simbabwe berichteten von ihren Erfahrungen im Zusammenhang mit der Erarbeitung von Berichten und Empfehlungen zur Vorlage bei den Vereinten Nationen im Rahmen der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung (Universal Periodic Review, UPR) und beim Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW). Der LWB unterstützt seine Mitgliedskirchen und schult Aktivistinnen und Aktivisten für die Mitwirkung an diesen beiden globalen Mechanismen und stärkt damit auch ihre Kapazitäten für ein Engagement für Gendergerechtigkeit auf lokaler und nationaler Ebene.
Als Leiterin des Frauenreferats ihrer Kirche war Pfarrerin Rosenberga Teil einer chilenischen zivilgesellschaftlichen Delegation, die der CEDAW auf ihrer Tagung im vergangenen Oktober in Genf Empfehlungen vorlegte. Ihr Bericht enthielt umfassende Analysen zu Bildung, den reproduktiven Rechten von Frauen, dem Schutz vulnerabler Mädchen in staatlichen Einrichtungen sowie zur Prävention von Menschenhandel.
Unsere Arbeit durchbricht Stereotype, verleiht der Stimme unserer Kirche in ethischen Fragen mehr Gewicht und kann zum Vorbild für andere Kirchen in Lateinamerika werden.
Pfarrerin Sandra Rosenberga Saavedra, Leiterin des Frauenreferats der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Chile
Rosenberga berichtete, dass bereits in diesem Jahr Fortschritte zu beobachten seien, weil ein neues Antidiskriminierungsgesetz zahlreiche Empfehlungen des CEDAW-Berichts aufgegriffen habe. Zudem habe die Arbeit ihrer Kirche auf diesem Gebiet neue Möglichkeiten für Dialog eröffnet, feministische Bündnisse in Chile gestärkt und dazu beigetragen, dass die IELCH zunehmend als verlässliche Partnerin im Engagement für die Gleichstellung und Gleichberechtigung für alle Frauen und Mädchen wahrgenommen werde. „Regierungsverantwortliche haben mich eingeladen, an Diskussionen und Veranstaltungen zu Gendergerechtigkeit teilzunehmen“, erzählt sie. „Sie waren überrascht, uns als mögliche Verbündete wahrzunehmen. Unsere Arbeit durchbricht also Stereotype, verleiht der Stimme unserer Kirche in ethischen Fragen mehr Gewicht und kann zum Vorbild für andere Kirchen in Lateinamerika werden.“
Mit der Salvadorianischen Lutherischen Kirche brachte sich eine weitere LWB-Mitgliedskirche aus der Region in die CEDAW- und UPR-Prozesse ein. Pfarrerin Arisbe Abelina Gómez, Koordinatorin des Programms für Gendergerechtigkeit und Familien ihrer Kirche, berichtete von Konsultationen mit Frauen in verschiedenen Ortsgemeinden, bei denen Geschichten gesammelt und Belege zusammengetragen wurden, die in Empfehlungen zur Förderung von Gendergerechtigkeit in dem zentralamerikanischen Land, wo Femizide, Vergewaltigungen und andere Formen von Gewalt gegen Frauen nach wie vor alarmierend verbreitet sind, einfließen sollen.
Gerechtigkeit, die im Glauben wurzelt
Zwar habe ihre Arbeit bislang noch keine größeren Gesetzesänderungen angestoßen, berichtete Pfarrerin Gómez, doch der Erfolg zeige sich „in dem konstruktiven Verhältnis zu Regierungsbehörden, das es uns ermöglicht, über die Notwendigkeit derartiger Veränderungen ins Gespräch zu kommen“. Und weiter sagte sie: „Wir verfolgen einen nicht-konfrontativen Ansatz, rufen aber auf Grundlage unseres Glaubens beharrlich zu Gerechtigkeit auf.“ Die Einbindung von Männern in die Arbeit für die Gleichstellung der Geschlechter und Gendergerechtigkeit habe sich positiv ausgewirkt, weil es dazu beitrage, dass die Anliegen der Kirche größere Beachtung finden.
In Afrika bringt sich die Evangelisch-Lutherische Kirche in der Republik Namibia (ELKRN) seit 2021 in den UPR-Prozess ein. Sie erarbeitet Empfehlungen zu sozialen und wirtschaftlichen Rechten und führt Gespräche mit Mitgliedern des UN-Menschenrechtsrats. Zu den zentralen Themen zählt hier die Verbesserung der sozialen Absicherung in einem Land, in dem fast 45 Prozent der jungen Menschen arbeitslos sind. Auch die Wohnungsnot und die dringende Notwendigkeit einer umfassenden Landreform gehören zu den größten Herausforderungen, da rund 70 Prozent der Stadtbevölkerung in Namibia in Slums oder informellen Siedlungen leben. Erst kürzlich wurde Namibia zudem von der Kategorie der Länder mit mittleren Einkommen in die Gruppe der Länder mit niedrigem Einkommen herabgestuft.
„Wir verfügen in Namibia über ausgezeichnete politische Konzepte, aber die Umsetzung und die Zuweisung angemessener Mittel sind ein Problem,“ erklärte Sharon Yolande Sabatta, Programmbeauftragte im Sozialreferat der ELKRN. Gemeinsam mit ökumenischen Partnern habe die Kirche 2023 wichtige Fortschritte erzielt, als sie bei der Regierung erfolgreich auf die Verabschiedung einer neuen Richtlinie für sozialen Wohnungsbau drängte. Das Budget dafür sei im ersten Haushaltsjahr von rund 50 Millionen auf 700 Millionen Dollar erhöht worden. Bei der Landreform gehe es zwar langsamer voran, doch die Kirche setze sich weiterhin für kostenlose Grundstücke für die einkommensschwächsten Bevölkerungsgruppen ein und intensiviere ihre Kampagne für ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Erfolg durch starke Partnerschaften
Auch in Simbabwe arbeiten lutherische Gläubige mit Netzwerken, die aus dem Glauben heraus handeln, zivilgesellschaftlichen Organisationen, staatlichen Stellen und lokalen Gemeindeleitungen zusammen, um politische Maßnahmen zum Schutz von vulnerablen Frauen und Mädchen voranzubringen. Doreen Hove, Koordinatorin für Gendergerechtigkeit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Simbabwe (ELKS), und Pfarrerin Dr. Elitha Moyo, ehemaliges LWB-Ratsmitglied, berichteten über jüngste Fortschritte wie eine Gesetzesänderung, die die Verheiratung von Minderjährigen unter 18 Jahren verbietet. Die 2024 verabschiedete Reform sieht die strafrechtliche Verfolgung aller Personen vor, die versuchen, minderjährige Mädchen zur Heirat zu zwingen.
Weitere Schwerpunkte seien die Stärkung der wirtschaftlichen Teilhabe von Frauen und ihr uneingeschränktes Recht auf Landbesitz, erklärte Hove. Die Kirche arbeite mit Banken vor Ort zusammen, um Frauen den Zugang zu Krediten und Landtiteln auf ihren eigenen Namen zu ermöglichen. „Zudem arbeiten wir rund um das Thema Menstruationshygiene mit Schulen zusammen und haben bereits erste Erfolge erzielt, etwa bei der Einrichtung mädchenfreundlicher Toiletten und der Bereitstellung kostenloser Hygieneprodukte,“ fügte sie hinzu.
Rose Bangura von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Sierra Leone berichtete über Schulungen und Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau, mit denen der LWB Pfarrpersonen und Gemeinden dabei unterstützt, das Bewusstsein für die Advocacy-Arbeit und die Beteiligung an UN-Prozessen zu fördern. „Ein wichtiger Erfolg war, dass junge Menschen zugerüstet werden konnten, um erfolgreich Strategien für die Arbeit in ihren Gemeinwesen entwickeln zu können,“ sagte sie.
Kinderehen, Armut und mangelhafte Gesundheitsversorgung seien in Sierra Leone nach wie vor große Herausforderungen, so Bangura. Weniger als ein Prozent der Bevölkerung verfüge über eine Krankenversicherung. „Wir werden oft gefragt, wie Glaube und Menschenrechte zusammenhängen,“ berichtete sie. „Dann erklären wir, dass der Grund für unsere Arbeit unsere Überzeugung ist, dass alle Menschen die gleiche Würde haben. Es ist ein neues Arbeitsfeld für unsere Kirche, aber wir sehen ein wachsendes Engagement, insbesondere bei den jungen Menschen.“