Hoffnung für einen erschütterten humanitären Sektor?

Wie können wir Hoffnung bewahren, wenn Systeme ganz grundsätzlich in Frage gestellt werden, die eigentlich die vulnerabelsten Menschen schützen sollen? Bei der Tagung des Teams der Führungskräfte des LWB-Weltdienstes aus aller Welt vor Kurzem ging es schwerpunktmäßig darum, vor dem Hintergrund massiver Mittelkürzungen und sich verändernder politischer Kontexte Arbeitsschwerpunkte festzulegen.

13 Mai 2025
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Frauen in Sohal Tole, einer Gemeinschaft von Santhal und Dalit (Musahar) am Rande der Gesellschaft in Nepal, beteiligen sich an einem von der LWB unterstützten Projekt zur Katastrophenvorsorge und Verbesserung der Lebensgrundlagen. Foto: LWB/Albin Hillert

Frauen in Sohal Tole, einer Gemeinschaft von Santhal und Dalit (Musahar) am Rande der Gesellschaft in Nepal, beteiligen sich an einem von der LWB unterstützten Projekt zur Katastrophenvorsorge und Verbesserung der Lebensgrundlagen. Foto: LWB/Albin Hillert

Team der Führungskräfte aus aller Welt wird informiert, wie Weltdienst und Partner mit wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen umgehen

(LWI) – Wie können Organisationen, die aus dem Glauben heraus handeln, angesichts der Erschütterungen und der Turbulenzen im humanitären Sektor und der Entwicklungszusammenarbeit weiterhin mit Hoffnung und Zuversicht vorangehen? Diese schwierige Frage stand im Zentrum der Gespräche bei der Tagung des Teams der Weltdienst-Führungskräfte des Lutherischen Weltbundes (LWB) aus aller Welt, an der Vertreterinnen und Vertreter von Länderprogrammen, Mitgliedskirchen und Partnerorganisationen teilgenommen haben. 

Die Tagung vom 6. bis 8. Mai sollte ursprünglich in der Zentralverwaltung von Brot für die Welt in Berlin stattfinden, dem Hilfswerk der evangelischen Kirchen in Deutschland und ein langjähriger Partner des LWB. Aufgrund der dramatischen Mittelkürzungen in den vergangenen Monaten wurde sie nun aber online abgehalten. Pfarrerin Dr. Dagmar Pruin, die Präsidentin von Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe, hielt einen Impulsvortrag über „eine Welt in der Krise“, in der die Organisationen für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit darum ringen, ihre Rollen und Arbeitsschwerpunkte angesichts der rückläufigen Finanzmittel neu zu definieren. 

Pruin berichtete über die politische Situation in Deutschland, wo eine neue Koalitionsregierung versprochen hat, dass es auch weiterhin ein Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geben wird. Vor dem Hintergrund „großer Unsicherheit“, sagte sie, würden Organisationen, die aus dem Glauben heraus handeln, darum ringen, eine Antwort zu finden auf die Mittelkürzungen durch die Trump-Regierung in den USA, und würden wichtige Fragen stellen, beispielsweise wie man „Wählerinnen und Wähler zurückgewinnen“ könne, die von den rechtspopulistischen Programmen geködert wurden. 

„Selbst in unserem Land mit unserer Handlungsfreiheit [...] erleben wir, wie schwierig es ist, in dem wie in vielen Ländern immer kleiner werdenden Raum für zivilgesellschaftliches Engagement zu arbeiten“, warnte sie. Aber „die Menschen vertrauen uns noch“, betonte Pruin. „Unsere Stärke liegt darin, wie nah wir an den Menschen sein können, und das müssen wir unseren Regierungen immer wieder erklären.“ Die Herausforderung, sagte sie, sei, „wie wir darüber berichten, was unsere Arbeit für die Menschen, denen wir helfen, bedeutet.“ 

Ein Sektor „ringt um Antwort“ auf Mittelkürzungen 

LWB-Weltdienstdirektorin Maria Immonen fasste die Ereignisse zusammen, die zur derzeitigen Krise geführt haben, und sprach von „rückläufiger Unterstützung für Multilateralismus und Entwicklungshilfe“ schon vor den Präsidentschaftswahlen in den USA im vergangenen November. Nach der Auflösung von USAID und den darauffolgenden „massiven Problemen im humanitären Sektor“, weil 46 Prozent der weltweiten Finanzmittel „fast über Nacht“ weggekürzt wurden, erklärte sie, ringe der gesamte Sektor „um eine Antwort“. 

In den LWB-Länderprogrammen hätten die Kürzungen zum Verlust von mehr als 200 lokalen Mitarbeitenden geführt, wobei die Büros in Kenia, im Südsudan, in Uganda, Mittelamerika und Jerusalem am stärksten betroffen seien. Der LWB arbeite an einer globalen Umstrukturierung, berichtete Immonen, und konzentriere sich gleichzeitig auf die Suche nach neuen Partnern, Geldgebern und Unternehmen, um seine wichtige Arbeit für die Unterstützung der vulnerabelsten Menschen und Gemeinwesen in der Welt fortsetzen zu können. Der Weltdienst wolle „sich mehr auf die Zusammenarbeit mit Mitgliedskirchen konzentrieren“, erklärte sie, und „mit gleichgesinnten Partnern an neuen Formen der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen und der Zusammenarbeit arbeiten“. 

Girma Gudina, der Leiter des LWB-Länderprogramms in Kenia und Somalia, nannte konkrete Beispiele, welche Auswirkungen die Mittelkürzungen auf Kinder in Kenia hätten, wo der LWB in zwei Flüchtlingslagern 45 Schulen betreibt. Unterricht fände noch statt, sagte er, „um mit dem Schulwegfall verbundene Risiken“ wie eine frühe Verheiratung von Mädchen oder Aktivitäten im Zusammenhang mit Drogen oder Banden für Jungs „zu reduzieren“, aber die Qualität der Ausbildung gehe zurück, weil es weniger Lehrende gebe und bis zu 140 Kinder in einer Klasse seien. Die Kürzung von Mitteln für Bildung und andere Dienstleistungen werde in Zukunft schwerwiegende Folgen haben, betonte er, weil die Vertreibung und die Konflikte unter den Geflüchteten und der örtlichen Bevölkerung zunehmen werden. „Im Mittelpunkt von allem, was wir tun, müssen weiterhin die Menschen stehen“, sagte er, „und wir müssen den Stimmen jener Menschen Gehör verschaffen“, die von der aktuellen Krise betroffen sind. 

Lokalisierung und Austausch über bewährte Praktiken 

Die Leitenden der LWB-Länderprogramme in Haiti, Uganda, Burundi und Kolumbien/Venezuela berichteten, wie sie versuchten, die verschiedenen Herausforderungen in ihren Regionen zu bewältigen und sich dabei auf eine engere Zusammenarbeit mit lokalen Partnern und in den lokalen Gemeinwesen verankerten Organisationen sowie den Austausch über Erfahrungen und bewährte Praktiken zur Effizienzmaximierung konzentrierten. 

Der Leiter des LWB-Länderprogramms in Haiti, Borry Jatta, berichtete, dass der LWB und sein langjähriger Partner Norwegian Church Aid ein gemeinsames Büro hätten, mit vollständig integrierten Managementstrukturen und einem gemeinsamen Vertreter, um den Menschen vor dem Hintergrund eines „Systemkollapses“, der dazu geführt hat, dass mehr als sechs Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen, Schutz, Wasser und Abwassersysteme bereitzustellen, für Klimaresilienz zu sorgen und andere Dienste bereitzustellen. Golda Ibarra aus dem Büro des Länderprogramms in Kolumbien und Venezuela sprach über die Herausforderungen im Zusammenhang mit einem für zwei Länder zuständigen Büro und die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Unterstützung von Migrantinnen und Migranten und örtlichen Gemeinschaften, die unter bewaffneten Konflikten, Naturkatastrophen und der humanitären Krise in Venezuela litten. 

In Uganda, berichtete Adriana Franco Chitanana, würde das Länderprogramm rund 1,9 Millionen Flüchtlinge versorgen, von denen mehr als die Hälfte Kinder seien. Sie berichtete, dass der LWB angesichts der sinkenden Finanzmittel eng mit Organisationen zusammenarbeite, die in den lokalen Gemeinwesen verankert seien, um die vulnerabelsten Menschen unter anderem durch Schulungen zu psychischer Gesundheit und Suizidprävention zu unterstützen. Blaise Kubwayo aus Burundi berichtete von einem Arbeitsbesuch im LWB-Büro in Nepal vor Kurzem, bei dem er sich informieren wollte, wie der Übergang von einer direkten Unterstützung der Menschen hin zu einer Unterstützung durch Zusammenarbeit mit örtlichen Organisationen gelingen kann. 

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Titelseite der LWF World Service Global Strategy 2025-2031

Titelseite der LWF World Service Global Strategy 2025-2031

Sichtweisen von Partnern 

Auch Partner aus vier Mitgliedskirchen und von kirchlichen Diensten und Werken, die mit dem LWB zusammenarbeiten, haben berichtet, wie sie versuchen, die Krise zu bewältigen. Vicki Gollasch vom Australia Lutheran World Service berichtete von einem engagierten, aber „immer älter werdenden lutherischen Grundbestand“ unter den Unterstützerinnen und Unterstützern, was neuartige Kampagnen und neue Arten der Mittelmobilisierung aus neuen Quellen erfordere. Auch Jason Carkner von Canadian Lutheran World Relief (CLWR) betonte den „allmählichen, aber sicheren Rückgang der Zahl der traditionellen Unterstützerinnen und Unterstützer aus den Kirchen in Kanada“. CLWR stelle sich dieser Herausforderung durch drei „zentrale Grundpfeiler“, erklärte er: „Diversifizierung der Mittel, Innovation und digitale Transformation sowie Markenbindung und -einfluss“. 

Karin Axelsson Zaar von Act Church of Sweden sagte, das Hauptziel sei „gesteigerte Präsenz in den Regionen“ durch die Einrichtung von drei Zentren in Jordanien, Uganda und Kolumbien. Diese hätten den Vorteil „geringerer Kosten und eines kleineren CO2-Fußabdrucks“ sowie einer effektiveren Reaktion bei Notlagen. Auch die Förderung der theologischen Ausbildung von Menschen sei ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt, erklärte sie, um „eine neue Generation religiöser Führungspersonen“ auszubilden. 

Barbara Lund von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika berichtete von der Notwendigkeit, die „Advocacyarbeit als wichtigen Ausdruck unseres Taufversprechens“ zu fördern, und wies darauf hin, dass die lutherische Kirche die erste gewesen sei, die sich zu einem sicheren Zufluchtsort für Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten erklärt habe. Sie hob hervor, dass sie sich „viel mit ökumenischen Partnern vor Ort absprechen“ würden, und bekräftigte das Bekenntnis der ELKA zu Unterstützung des LWB. 

Die im vergangenen Jahr vorgestellte neue Weltdienst-Strategie unterstreicht die Bedeutung von Partnerschaften, um den Weg fortsetzen zu können, Gemeinwesen zuzurüsten und Leben zu verwandeln. Die aktive Einbindung von Partnern sei wichtig, um „Hoffnung machen und eine Zukunft bieten“ zu können, heißt es dort. „Der LWB-Weltdienst ist überzeugt, dass wir gemeinsam mehr erreichen können.“ 

LWB/P. Hitchen