Brasilien: Gendergerechtigkeit in Theorie und Praxis

Nach der Verabschiedung eines Grundsatzpapiers zu Gendergerechtigkeit hat die IECLB auf nationaler Ebene ein Seminar mit 30 Führungspersonen veranstaltet, um dessen praktische Umsetzung zu erörtern. Die Veranstaltung betonte Inklusivität und die theologischen Grundlagen für Gendergerechtigkeit. 

11 Apr. 2025
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Teilnehmende des nationalen Seminars der IECLB zur Umsetzung des kirchlichen Grundsatzpapiers zur Gendergerechtigkeit. Foto: IECLB/Daylins Rufin

Teilnehmende des nationalen Seminars der IECLB zur Umsetzung des kirchlichen Grundsatzpapiers zur Gendergerechtigkeit. Foto: IECLB/Daylins Rufin

„Denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus“ 

(LWI) – Seit der Rat der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien (IECLB) im Oktober 2023 ein Grundsatzpapier zu Gendergerechtigkeit für die Kirche beschlossen hat, wurde viel für dessen praktische Umsetzung und Anwendung unternommen, beispielsweise die Verwendung inklusiver Sprache in allen offiziellen Dokumenten der Kirche. Als Teil der Implementierungsstrategie veranstaltete die IECLB vor Kurzem auf nationaler Ebene ein Seminar, um ihr Bekenntnis zu Gendergerechtigkeit noch einmal zu betonen. 

An der zweitägigen Veranstaltung in São Leopoldo, Rio Grande do Sul, im Süden Brasiliens, haben 30 Kirchenleitende aus dem ganzen Land teilgenommen. Organisiert worden war sie von Pfarrerin Carmen Michel, der Koordinatorin für Genderfragen, Generationen und ethnische Gruppen der IECLB im Sekretariat für Gemeinwesenarbeit (SAC), und der Theologin Sabrina Senger. Die Teilnehmenden waren Führungspersonen aus allen Bereichen der Kirche, regionalen Synoden, nationalen Kirchenräten und Netzwerken für Männer, Frauen und junge Erwachsene. Die bunte Mischung in Bezug auf die geografische Herkunft der Teilnehmenden und ihr unterschiedliches Alter unterstrichen das Bekenntnis der Kirche zu Inklusivität. 

Unter der Überschrift des Bibelverses aus Galater 3,28: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus“, umfasste das Seminar ein intensives akademisches und seelsorgerisches Programm. 

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Gemeinsames Gebet und Andacht während des Seminars. Foto: IECLB/Daylins Rufin

Gemeinsames Gebet und Andacht während des Seminars. Foto: IECLB/Daylins Rufin

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Gemeinsam an Umsetzungsstrategien arbeiten. Foto: IECLB/Daylins Rufin

Gemeinsam an Umsetzungsstrategien arbeiten. Foto: IECLB/Daylins Rufin

Pfarrerin Dr. Marcia Blasi, die Programmreferentin für Gendergerechtigkeit und Frauenförderung des Lutherischen Weltbundes (LWB), legte in ihrem Vortrag die theologischen Grundlagen für Gendergerechtigkeit in der lutherischen Kirchengemeinschaft dar. Sie betonte, dass Gendergerechtigkeit „ein theologischer Imperativ“ sei und „nicht einfach nur ein kulturelles Zugeständnis“. Darüber hinaus unterstrich sie, dass patriarchale Strukturen der erlösenden Botschaft des Evangeliums widersprächen. 

Kontextspezifische Strategien entwerfen  

Pfarrer Dr. Felipe Buttelli, Pastor der Gemeinde Litoral Nordeste in Tramandaí, Rio Grande do Sul, ergänzte einen anderen Aspekt, als er über Männlichkeit und Männlichkeitsbilder sprach. Er präsentierte Daten, dass das Patriarchat in kirchlichen Gemeinschaft fortbestehe, und legte Vorschläge für alternative Modelle einer männlichen Spiritualität vor, die sich zu Gleichberechtigung bekennt. Er unterstrich in seiner Präsentation sowohl die Herausforderungen im Zusammenhang mit Wandel als auch die Chancen und betonte, dass Männer ihren Teil der Verantwortung für die Schaffung von Gendergerechtigkeit übernehmen müssten. 

Auch konkrete Hürden bei der Umsetzung des Grundsatzpapiers zu Gendergerechtigkeit wurden von den Referierenden und Teilnehmenden erörtert, beispielsweise der kulturell begründete Widerstand in traditionellen Gemeinwesen. Es wurden dann kontextspezifische Strategien zu deren Überwindung entworfen. Die Teilnehmenden unterstrichen, dass an den theologischen Seminaren eine Theologie-Ausbildung mit Genderperspektive ausgebaut und die liturgische und organisatorische Praxis überarbeitet werden müssten. 

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Analyse des IECLB-Grundsatzpapiers zur Gendergerechtigkeit. Foto: IECLB/Daylins Rufin

Analyse des IECLB-Grundsatzpapiers zur Gendergerechtigkeit. Foto: IECLB/Daylins Rufin

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Präsentation und Diskussion der Ergebnisse des Prozesses. Foto: IECLB/Daylins Rufin

Präsentation und Diskussion der Ergebnisse des Prozesses. Foto: IECLB/Daylins Rufin

Pfarrerin Carmen Michel rief dazu auf, sich zu einer Kirche zu entwickeln, „in der die Beziehungen zwischen den Menschen dem Evangelium besser entsprechen und gerechter sind“. 

Bekenntnis zum Engagement für Wandel 

Am Ende der Veranstaltung haben sich die Teilnehmenden dazu verpflichtet, konkrete Schritte für die Umsetzung des Grundsatzpapiers zu Gendergerechtigkeit in ihren Gemeinden zu unternehmen. Sie wollen beispielsweise das Grundsatzpapier in den Gemeinden und Synoden genau anschauen, sich weiter für eine ausgewogene Vertretung der verschiedenen Geschlechter auf den Entscheidungsebenen einsetzen, Protokolle gegen geschlechtsspezifische Gewalt erstellen und die gender-inklusive Perspektive in alle Aspekte des kirchlichen Lebens einbinden. 

Pfarrerin Dr. Marcia Blasi lobte die IECLB für die bereits geleistete Arbeit: „Die IECLB war die erste Kirche, die das ‚Grundsatzpapier: Gendergerechtigkeit im LWB‘ nach der Veröffentlichung in den vier offiziellen LWB-Sprachen in die eigene Landessprache übersetzt hat“, sagte sie. „Die IECLB hat dann ein Grundsatzpapier erarbeitet, dass an die eigenen Lebenswirklichkeiten angepasst ist. Es ist mehr als nur ein Dokument, denn es ist eine Antwort auf die Forderung des Evangeliums nach gerechten Beziehungen und institutionellen Praktiken.“ 

Das Seminar auf nationaler Ebene macht die IECLB zu einer Vorreiterin unter den protestantischen Kirchen in Lateinamerika bei der Institutionalisierung von Gendergrundsätzen und kann anderen christlichen Konfessionen in der Region als Vorbild dienen. Man hofft, dass diese Arbeit zu konkretem Wandel hin zu mehr Gendergerechtigkeit in den mehr als 1.800 lutherischen Gemeinden in Brasilien führen wird. 

LWB/A. Weyermüller