Botschafter und Botschafterinnen für den Frieden: Die Herzen und das Denken öffnen

Die Teilnehmenden einer Schulung für Friedensarbeit in Guatemala berichten, in welcher Weise ihre Erfahrungen ihr Leben und ihre Arbeit beeinflusst haben.

02 Juni 2025
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Teilnehmende einer Schulung für Friedensarbeit in Antigua, Guatemala. Foto: LWB

Teilnehmende einer Schulung für Friedensarbeit in Antigua, Guatemala. Foto: LWB

Lutherische Theologie und praktische Advocacy-Arbeit standen im Mittelpunkt einer vor kurzem in Antigua, Guatemala veranstalteten Schulung für Friedensbotschafter und -botschafterinnen 

(LWI) – „Ich komme aus Guatemala in Mittelamerika, einem Land, das 36 Jahre Bürgerkrieg durchlebt hat. Als ich an der Friedensbotschafterschulung in Ruanda teilgenommen habe, war ich schockiert darüber, so weit entfernt von meiner eigenen Region ein Land vorzufinden, das eine ähnliche Geschichte des Terrors, Misstrauens, Blutvergießens und des Verlustes von Menschenleben hat.“ 

Diego Gil ist Mitglied der Augustinischen Lutherischen Kirche von Guatemala und leitet dort das Programm für Human Development, das Saatgut zur Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft bereitstellt. Im Dezember 2022 gehörte er zu einer Gruppe junger Teilnehmender, die nach Ruanda gereist sind und dort an einer Ausbildung für Friedensbotschafter und -botschafterinnen teilgenommen haben, die jedes Jahr vom Lutherischen Weltbund (LWB) organisiert wird. 

Gil berichtete, dass diese Veranstaltung sein Leben verändert habe. „Ich hatte die Gelegenheit, etwas über andere Wege der Konfliktbewältigung zu lernen und zu erfahren, indem ich allen zugehört habe – den Älteren, den Führungskräften, den jungen Erwachsenen und den zahlreichen unterschiedlichen Organisationen, die alle Teil dieser Geschichte waren. Ich war so beeindruckt, dass ich beschloss, den Schwerpunkt meiner Studien auf Konfliktlösung, Mediation und Friedensarbeit zu legen, damit ich das Gelernte an die Führungspersonen in meiner Heimatkirche weitergeben kann.“ 

Erste zweisprachige Schulung in Lateinamerika 

Vom 4. bis zum 9. Mai dieses Jahres war Gil als Co-Moderator der jüngsten Schulung für Friedensbotschafter und -botschafterinnen im Einsatz, die von seiner Kirche in der Stadt Antigua im Süden Guatemalas durchgeführt wurde. Es war das erste Mal, dass diese Veranstaltung in der LWB-Region Lateinamerika und Karibik stattfand, und es war die erste zweisprachige Schulung, die auf Englisch und Spanisch angeboten wurde. 

Das Friedensbotschafter-Programm wurde im Jahre 2017 ins Leben gerufen und will jungen Erwachsenen Kenntnisse, Kompetenzen und Erfahrungen vermitteln, damit sie einen stärkeren Beitrag für die Friedensarbeit und die Lösung von Konflikten in ihren eigenen Kirchen und Gemeinschaften leisten können. Die Teilnehmenden lernen aus ihrem lokalen Kontext und befassen sich sowohl mit der Theologie der Friedensarbeit als auch mit der Vermittlung praktischer Möglichkeiten, sich in den eigenen Kontexten für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung einzusetzen. 

Savanna Sullivan, Programmreferentin für das LWB-Jugendprogramm und Co-Moderatorin des Seminars in Guatemala, wies darauf hin, dass ein wichtiger Teil dieser Erfahrung „die tiefe Auseinandersetzung mit den Theologien des Friedens ist und mit der Frage, was uns unsere lutherische Theologie über den Frieden lehrt.“ Die Diskussionen beschäftigen sich vorwiegend mit der Tatsache, dass „Frieden mehr ist als nur die Abwesenheit von Gewalt; es geht auch darum, dass Gerechtigkeit herrscht, und um das Wohlergehen der gesamten Schöpfung Gottes“, sagte sie. 

Wir leben erst dann in einem echten Frieden, wenn jeder Mensch das hat, was er braucht, um nicht nur zu überleben, sondern um ein gutes Leben zu führen.

Savanna Sullivan, Programmreferentin für das LWB-Jugendprogramm

Zu Beginn der Schulung besuchten die Teilnehmenden das Casa Milagro-Ausbildungszentrum für Frauen, das von der Kirche in Guatemala betrieben wird. Sie nahmen an einer Andacht mit jungen Frauen aus ländlichen Gemeinwesen teil, die eine Vielzahl unterschiedlicher Fähigkeiten von der Kunststickerei bis hin zur Umwelttechnik lernen. „Wir leben erst dann in einem echten Frieden, wenn jeder Mensch das hat, was er braucht, um nicht nur zu überleben, sondern um ein gutes Leben zu führen“, so Sullivan. „Wir wissen, dass Frieden eine Gabe Gottes ist, aber erst durch die Macht des Heiligen Geistes werden wir in die Lage versetzt, diese Vision weiterzugeben und Gottes Hände und Füße in dieser Welt zu sein“, sagte sie. 

„Ich bin der Ausbildung zur Friedensbotschafterin zutiefst dankbar, denn sie hat mein Herz und mein Denken für zahlreiche neue Erfahrungen geöffnet“, sagte Bible Omod, eine andere Teilnehmerin aus Äthiopien, deren Familie nach Kanada ausgewandert ist. Sie wies auf die Bedeutung der Diskussionen innerhalb der Gruppe hin, die gezeigt hätten, wie wichtig es sei, zuzuhören, zu lernen und Brücken zwischen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen zu bauen. „Diese Erfahrung hat eine transformierende Wirkung“, sagte sie, „sie hat mein Verständnis erweitert und mir geholfen, meine Denkweise zu ändern und zu neuen Ideen inspiriert, wie ich in meiner eigenen Gemeinschaft Friedensarbeit leisten kann.“ 

Omod sprach darüber, wie wichtig der Glaube als eine Inspiration für die praktische Versöhnungs- und Friedensarbeit sei. „Matthäus 5,9 sagt uns, dass es für Menschen christlichen Glaubens eine Berufung ist, Frieden zu stiften“, erläutert sie. „Ich bin dankbar für alle die Geschichten, die wir in Guatemala gehört haben und die uns daran erinnern, dass der Friede bei jedem von uns beginnt und dass Gottes Liebe auch die tiefsten Wunden heilen kann.“ 

Auch für Gil ist eine wichtige Erkenntnis aus den Schulungen für Friedensbotschafter und -botschafterinnen, dass „der Friede bei uns selbst beginnt, vom zutiefst persönlichen Teil unseres Daseins bis hin zu den öffentlichen Bereichen, zu denen wir gehören.“ Kirchen und Führungspersonal in den Gemeinden, so glaubt Gil, müssten eine wichtige Rolle übernehmen und Gespräche und Prozesse in die Wege leiten, die zum Frieden in unterschiedlichen Bereichen führen können, von der Politik über die Religion bis hin zur Gerechtigkeit gegenüber den Geschlechtern und allen ethnischen Gruppen, von Landrechten über Ernährungssicherheit bis zum Schutz unserer natürlichen Ressourcen. „Einige sagen, dass Frieden eine Utopie sei, aber ich glaube, dass Frieden etwas ist, das wir – ausgehend von unseren eigenen Kontexten – gemeinsam erreichen können“, sagte er abschließend. 

LWB/P. Hitchen