Australien: Auf der Suche nach einem gemeinsamen Weg in die Zukunft

Bischof Paul Smith berichtet über Meilensteine seines persönlichen Werdegangs vom Konvertiten als Jugendlicher bis in die Führungsetage der lutherischen Kirche in Australien in einer für die Kirche wichtigen Zeit. 

25 Apr. 2025
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Bischof Paul Smith spricht auf der Asiatischen Kirchenleitungskonferenz im November 2024 in Hongkong über die Frauenordination. Foto: LWB/Johanan Celine Valeriano

Bischof Paul Smith spricht auf der Asiatischen Kirchenleitungskonferenz im November 2024 in Hongkong über die Frauenordination. Foto: LWB/Johanan Celine Valeriano

Als Bischof der Kirche in Australien und Neuseeland leitete Paul Smith Generalversammlung, die Ordination von Frauen beschloss 

(LWI) – Paul Smith wuchs in einem abgelegenen Ort auf dem Land an der nordöstlichen Spitze von Queensland, Australien, auf, wusste nichts über den lutherischen Glauben und hat gewiss nicht davon geträumt, dass er eines Tages in der Kirche arbeiten würde. Sein Vater, ein Richter, und seine Mutter, eine Buchhalterin, die eine Ausbildung zur Krankenschwester der Armee gemacht hatte, ließen ihn in der anglikanischen Kirche taufen, der sie auf dem Papier angehörten.  

Aber seine Eltern gingen nicht regelmäßig in die Kirche, also wuchsen auch die Kinder nicht mit regelmäßigen Gottesdienstbesuchen, Beten oder einer christlichen Glaubenserziehung auf. Bis 1977, denn da ließen sich seine Eltern scheiden und Paul, das jüngste der Kinder, wurde an das lutherische Internat St. Peter‘s Lutheran College in Brisbane geschickt. Dort wurde das Leben des leicht beeinflussbaren Teenagers „durch die Lehrenden und Kolleginnen und Kollegen in der Gemeinschaft verwandelt, da deren Worte und christliches Zeugnis mich sehr beeindruckten“.  

Er selbst nennt sich „college convert“, also jemand, der als Teenager konvertiert ist, und hat sich nicht nur konfirmieren lassen, sondern fühlte sich auch zum Dienst in der Kirche berufen und schrieb sich deshalb am lutherischen Theologie-Seminar in Adelaide ein. In den darauffolgenden Jahren studierte er zudem Anthropologie und mittelalterliche Geschichte an der Universität, arbeitete in einer Fabrik und heiratete die Schwester seines besten Freundes am Theologie-Seminar, bevor er 1988 ordiniert wurde. Das war der erste Schritt auf einem Weg, der ihn bis zur Wahl in das Amt des Oberhaupts der Lutherischen Kirche Australiens und Neuseelands (LKANS) im Oktober 2021 führte.  

Wie war das Leben als Schüler an einem lutherischen Seminar, wo sie aus einer Familie kommen, die nicht aktiv am kirchlichen Leben teilgenommen hat?  

Erstmal war es ein Schock – vorher war ich nie in der Kirche gewesen und dann war gleich jeden Tag und sonntags sogar zwei Mal Gottesdienst! Aber es war eine sehr gute Schule und viele der Schülerinnern und Schüler waren Kinder von Missionarinnen und Missionaren, die in Papua-Neuguinea tätig waren. Der Glaube von einigen meiner Klassenkameradinnen und Klassenkameraden hat mich zutiefst beeindruckt und auch die Lehrenden haben mein Leben wirklich verwandelt. Am Ende der 11. Klasse wusste ich, dass ich daran mitwirken wollte, die frohe Botschaft von Jesus Christus zu verbreiten.  

Wo war Ihre erste Arbeitsstelle nach Ihrer Ordination in der lutherischen Bethlehem-Kirche in Adelaide?  

Ich wurde zurück nach Queensland geschickt, um als Seelsorger am Trinity College Ashmore, einer anderen lutherischen weiterführenden Schule an der so genannten Gold Coast [im Südosten von Queensland] zu arbeiten. Es war meine erste Vollzeitstelle und der Beginn einer lebenslangen Leidenschaft für Bildung und die Ausbildung von jungen Menschen für die Übernahme von Führungsverantwortung. Das ist sehr wichtig, denn die Mitgliedszahlen unserer Kirche gehen zurück und das Durchschnittsalter von Gemeindemitgliedern und Pfarrpersonen liegt in der LKANS bei rund 68 Jahren. An unserer Schule arbeiten auch Menschen anderer christlicher Konfessionen, daher sind wir sehr ökumenisch, aber unsere Vision und unsere Leitlinien sind eindeutig lutherisch.  

Queensland unterscheidet sich vom Rest Australiens, da die Kirche hier von deutschen Missionarinnen und Missionaren gegründet wurde und es auch einen Einfluss skandinavischer Migrantinnen und Migranten gibt. Das zeigt sich immer noch in den Nachnamen unserer Mitglieder. Heute betreibt die Kirche in Queensland die Hälfte aller lutherischen Schulen im Land und etwa 95 Prozent der Zentren für frühkindliche Erziehung und Frühförderung.  

Sie waren Bischof des Distrikts Queensland, richtig?  

Ja, aber erst nach 25 Jahren als Gemeindepfarrer und Schulseelsorger in Südaustralien und Queensland. Die Erfahrungen aus der Gemeindearbeit und den Schulen waren sehr wichtig, um mich auf das Amt des Bischofs vorzubereiten und zuzurüsten – zunächst in Queensland, wo ich von 2015 bis 2021 Bischof war, und nun als Oberhaupt der gesamten Lutherischen Kirche Australiens und Neuseelands.  

Erzählen Sie uns bitte etwas über Ihre Kirche und das Verhältnis zu den lutherischen Gläubigen in Neuseeland.  

Offiziell wird die Kirche in Neuseeland als Distrikt der LKANS bezeichnet, aber sie hat auch eine gewisse Autonomie und rund 1.000 getaufte Mitglieder. Bei der Kirche in Neuseeland besteht kulturell eine große Nähe zu den Māori, der indigenen Bevölkerung Neuseelands. In Australien hat unsere Kirche rund 140.000 Mitglieder, von denen etwa 30.000 regelmäßig am normalen Sonntagsgottesdienst teilnehmen, und sie unterrichtet rund 45.000 Schülerinnen und Schüler an den lutherischen Schulen.  

Die Geschichte der Kirche begann in den 1830er Jahren, war mit ihren verschiedenen Synoden und Uneinigkeit in diesen Synoden aber etwas verworren. 1921 schlossen sich sechs Synoden zur Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Australiens zusammen, deren primäres Ziel die Missionsarbeit in Papua-Neuguinea war. 1966 schlossen sich alle Synoden schließlich zur heutigen Lutherischen Kirche Australiens zusammen.  

In den letzten Jahren war die Kirche aber in Bezug auf die Frauenordination auch gespalten, nicht wahr?  

Mit dem Thema setzen wir uns seit 1966 auseinander, weil Frauen damals kein Stimmrecht in der gerade vereinigten lutherischen Kirche bekamen. Erst Ende der 1970er Jahre erhielten sie zunächst das Stimmrecht, dann durften sie als Delegierte zur Nationalversammlung, dann das Amt der Schulleitung übernehmen und dann als Pastoralassistentinnen und nicht-ordinierte Führungspersonen arbeiten. Die Frage der Ordination von Frauen wurde erstmals im Jahr 2000 diskutiert und war eine logische Weiterentwicklung.  

Im gleichen Jahr veröffentlichte die theologische Kommission ein Studiendokument für unsere Kirche, in dem sie festhielt, dass die Heilige Schrift und Theologie die Ordination von Frauen in das Pfarramt zuließen, aber das Dokument wurde von unserer Generalversammlung nicht angenommen. Danach wurden auf fünf Generalversammlungen verschiedene Vorschläge für die Einbindung von Frauen in das Pfarramt vorgelegt, aber keiner erhielten die notwendige zwei Drittel-Mehrheit.  

2023 unterbreitete der Distrikt Queensland der Generalversammlung den Vorschlag, dass ein Rahmenwerk ausgearbeitet werden solle, das die Ordination von Frauen zulasse, aber auch Regelungen enthalte, dass einzelne Gemeinde nur männliche Pfarrpersonen akzeptieren können. Wir hatten nur etwas mehr als ein Jahr Zeit, um den Vorschlag zu diskutieren und einen gemeinsamen Weg in die Zukunft zu finden, aber am Ende wurde der Vorschlag bei der Generalversammlung im vergangenen Oktober gebilligt.  

Wie war die Stimmung bei dieser Versammlung?  

Ich persönlich bin sehr dankbar für die Art, wie diese Generalversammlung vonstattengegangen ist, insbesondere den respektvollen und zielorientierten Dialog, der uns allen genug Raum gab – genau wie es den Delegierten bei ihrer wegweisenden Versammlung 1966 gelungen war. Dazu kommt aber eine Betrübtheit, dass einige Menschen der Kirche vorgeworfen haben, dem Evangelium und unserem lutherischen Erbe nicht treu zu bleiben. Die Entscheidung wurde nach drei Jahrzehnten genauer Prüfung und Auseinandersetzung mit dem Thema getroffen und enthält konkrete pastorale Regelungen und eine pastorale Unterstützung für diejenigen, die gegen den Vorschlag gestimmt haben. Aber als Kirche sind wir aufgerufen, einer des anderen Last zu tragen, und einen gemeinsamen Weg in die Zukunft zu finden.  

Über welche Themen wurde bei der Generalversammlung zum Beispiel noch diskutiert?  

Wir haben beispielsweise über die Arbeit des Australian Lutheran World Service, des humanitären Arms unserer Kirche, diskutiert, weil die humanitäre Arbeit ein zentrales Element unserer Kirche ist. Unsere Gemeinden schätzen diese Arbeit, unsere Schulen unterstützen sie aktiv und die Menschen spenden großzügig dafür. Flüchtlinge kommen schon seit Langem aus Deutschland und anderen Ländern zu uns, wissen Sie, und den Menschen ist es wichtig, ihre hilfsbedürftigen Nächsten in schwierigen Zeiten zu unterstützen.  

Was bedeutet es für Sie und Ihre Kirche, Teil der weltweiten Gemeinschaft von Kirchen zu sein?  

Unsere Kirche ist seit 1994 assoziiertes Mitglied des Lutherischen Weltbundes und ich hatte das große Glück, zusammen mit weiteren australischen Delegierten an der Vollversammlung 2023 in Krakau, Polen, teilnehmen zu dürfen. Am Ende der Vollversammlung haben wir betont, dass dies keine „einmalige Sache“ sein sollte, sondern Ausdruck einer engeren Verbundenheit und Intensivierung unserer Partnerschaft mit anderen Kirchen aus der ganzen Welt und insbesondere in der Region Asien-Pazifik.  

Die Ordination der ersten zwei Frauen in der Lutherischen Kirche Australiens und Neuseelands findet in der Passions- und Osterzeit statt, weitere Frauen bereiten sich auf ihre Ordination und Berufung in den Dienst der Kirche später im gleichen Jahr vor.  

LWB/P. Hitchen